Tichys Einblick
„Equal Pay Day“

Jedes Jahr wieder: das linke Märchen von der 18-Prozent-Lohnlücke

Zum „Equal Pay Day“ tischen Grüne eine längst widerlegte Fama auf. Sie wissen: Wiederholung wirkt – gerade bei falschen Fakten.

IMAGO / Christian Ender

„Sechsundsechzig Tage arbeiten Frauen in Deutschland im Schnitt umsonst“, verkündete der Grünen-Politiker Michael Kellner, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, am 7. März einer staunenden Öffentlichkeit in den sozialen Medien.

Denn diesen 7. März begehen linke Politiker traditionell als „Equal Pay Day“, der ihnen dazu dient, die angebliche „Lohnlücke“ von 18 Prozent zwischen Männern und Frauen zu beklagen. Da die ersten 66 Tage des Jahres diesen 18 Prozent entsprechen, fabrizierten Kellner und eine ganze Reihe anderer Politiker daraus die Behauptung, Frauen würden bis zum 7. März „umsonst“ arbeiten. Tun sie natürlich nicht. Sie arbeiten während dieser Zeit und auch sonst noch nicht einmal gratis.

Auch der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfamilienministerium Sven Lehmann (Grüne) erklärte, sprachlich ziemlich ungelenk: „18 Prozent beträgt die Lohnlücke, die Frauen durchschnittlich weniger verdienen als Männer.“

Frauen verdienen weder eine Lohnlücke von 18 Prozent, noch verdienen sie generell 18 Prozent weniger als Männer. Die Zahl, aus der Politiker ihre faktisch nicht haltbaren Aussagen ableiten, bezieht sich auf unbereinigte statistische Durchschnittswerte der Stundenlöhne aller Frauen und aller Männer in Deutschland. Und die betrugen laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2022 für Männer 24,36 Euro, bei weiblichen Beschäftigten 20,05 Euro. Nicht berücksichtigt sind darin die Arbeitszeiten, also Vollzeit, Teilzeit und nichtbezahlte Überstunden, die in vielen Fällen mit einem höheren Gehalt ausgeglichen werden.

Auch nicht die Unterschiede in der Berufswahl. Wenn Frauen beispielsweise in weit überdurchschnittlichem Maß Germanistik studieren (78,8 Prozent), Erziehungswissenschaften (78,3 Prozent), oder soziale Arbeit (76,9 Prozent), aber sehr stark unterdurchschnittlich Informatik (19,9 Prozent), Elektrotechnik (14,4 Prozent) und Maschinenbau (12,5 Prozent), dann schlägt sich das später auch in den Gehältern nieder (alle Zahlen bezogen auf alle Studienanfänger im Jahr 2022).

Eine Informatikerin wird für die gleiche Arbeit in der gleichen Verantwortungsstufe in aller Regel nicht schlechter bezahlt als ein Informatiker, aber besser als eine Sozialarbeiterin oder ein Sozialarbeiter. Gehälter wiederum ergeben sich zum einen aus der Wertschöpfung, zum anderen aus der Knappheit von Arbeitskräften in einem bestimmten Bereich. Gute Maschinenbauer und Informatiker erhalten attraktive Jobangebote – wenn sie wollen, auch außerhalb Deutschlands. Germanistinnen fällt es dagegen genauso schwer wie Germanisten, für ihre Qualifikation gute Gehälter auszuhandeln. Bei übertariflichen Gehältern entscheidet auch ein Quentchen Verhandlungsgeschick über die Gehaltshöhe. Vor allem daraus ergeben sich die leichten Unterschiede zwischen den Geschlechtern.

Bereinigt um die Differenzen in Arbeitsdauer, Berufswahl und in der Besetzung von Leitungspositionen ergibt sich nur noch eine durchschnittliche Gehaltslücke von 7 Prozent. Und selbst die reduziert sich noch einmal, wenn die Überstunden betrachtet werden. Laut Statistischem Bundesamt leisten 10,5 Prozent der Männer mehr als 48 Wochenstunden, bei weiblichen Beschäftigten sind es 5,4 Prozent. Vor allem bei Führungskräften fallen Überstunden häufig an, und sie werden oft, siehe oben, nicht einzeln vergütet, sondern durch ein höheres Gehalt kompensiert.

An der unterschiedlichen Berufswahl kann weder Politik noch Gesellschaft etwas ändern: Wie die Studienanfängerzahlen zeigen, haben die „Girls Days“, die beispielsweise Mädchen für Informatik begeistern sollten, kaum etwas bewirkt. Und auch im gewerblichen Bereich entscheiden sich deutlich mehr Frauen für den Beruf der Verkäuferin oder Krankenschwester als den des Mechatronikers. Die Teilzeitarbeit wünschen sich wiederum viele Frauen.

Trotzdem wiederholen vor allem Grüne die Mär von den 18 Prozent weniger für „gleiche und gleichwertige Arbeit“ in Dauerschleife – denn sie bestärkt ihre große Erzählung von den grundsätzlich benachteiligten Frauen.

Die statistisch unterschiedlichen Gehälter, vor allem aber die Differenzen in der Lebensarbeitszeit, schlagen auch auf die Rente durch, wie beispielsweise Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge beklagt.

Was Dröge und andere dabei routiniert weglassen: Frauen leben in Deutschland im Schnitt fünf Jahre länger als Männer – und beziehen deshalb auch entsprechend länger Rente. Bei Ehepaaren gleichen sich die unterschiedlichen Rentenhöhen außerdem wieder aus.

Ein ganz anderes Problem besteht darin, dass das Rentenniveau in Deutschland im europäischen Vergleich nur mäßig ist – genauso wie das durchschnittliche Nettoeinkommen. Bis auf Belgien belastet kein EU-Land seine Steuerbürger so stark mit Steuern und Abgaben wie die Bundesrepublik. Ein Single liefert hier im Schnitt laut OECD 48,1 Prozent seines Einkommens ab. In Finnland etwa sind es 42,7 Prozent, in der Schweiz nur 22,8 Prozent.

Am besten wäre also Frauen wie Männern in Deutschland mit einer Einkommensteuerreform geholfen. Den ständig wiederholten schiefen Frauen-Männer-Vergleich lieben etatistische Politiker auch deshalb, weil er von genau diesem Punkt ablenkt, an dem die Politik die Nettogehälter tatsächlich steigern und zu mehr Gerechtigkeit beitragen könnte.

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