Am Dienstagabend um 20:00 Uhr jährt sich der terroristische Anschlag auf den Breitscheidplatz zum siebten Mal. Das Gedenken ist längst zur Routine geworden: Berliner Bezirksbürgermeister treten an, um beim Gottesdienst in der Gedächtniskirche, auf deren Stufen 12 Menschen starben, ihr Mitleid mit den Hinterbliebenen auszusprechen.
Die politisch Verantwortlichen sind nicht mehr im Amt. Der Mörder, Anis Amri, wurde vier Tage nach seiner Tat in Italien erschossen. Jahrelang rangen die Hinterbliebenen um eine Entschädigung – und bekamen sie in lächerlicher Höhe. Eine Gedenkstätte wurde errichtet. Ein Untersuchungsausschuss klärte auf, warum Anis Amri auf freiem Fuß war – obwohl ihn die Behörden erst wenige Monate zuvor mit gefälschten Papieren festgenommen hatten. Obwohl er abgeschoben hätte werden sollen. Obwohl der Marokkanische Geheimdienst vor ihm warnte, obwohl seine Mitbewohner in Asylbewerberheimen vor ihm warnten, obwohl die Moschee, die er besuchte, observiert wurde.
Doch das Land hat sich verändert. Auf jedem Weihnachtsmarkt stehen Gedenkstelen: Sie tragen keine Namen. In sie sind keine Bilder eingraviert, aber an jedem Eingang zu einem Weihnachtsmarkt, an jeder Einfahrt steht ein Betonklotz. Grau und schwer, nicht nur in seiner Bedeutung. Weihnachtsmärkte gleichen Festungen, um die Wälle errichtet werden. Sie sind ein besonderes Schutzobjekt geworden. Politik und Polizei versuchen abzuwiegeln: Es bestehe nur eine „abstrakte Gefahr“.
Eine abstrakte Gefahr, die aber konkret genug ist, um mit Pollern, mit Schutt gefüllten Baustellensäcken und Absperrungen abgewehrt zu werden. Drei Festnahmen gab es dieses Jahr auch: Es waren Anschläge auf Weihnachtsmärkte in Köln und in Hannover geplant. Drei Männer wurden noch vor dem ersten Advent verhaftet. Drei andere wurden in der dritten Adventswoche verhaftet, während sie ein Hamas-Waffenlager in Berlin suchten.
Das Land hat sich verändert. Der Gemütlichkeit des Weihnachtsmarkts ist einer grausamen Realität gewichen. Einer Realität, der sich die Bürger stellen mussten, nicht die Behörden. Denn der Untersuchungsausschuss zum Fall Behördenversagen bei Anis Amri kam zum Schluss, dass ein solcher Anschlag in Zukunft weniger wahrscheinlich ist, weil sich die Lage gebessert habe. Dafür führte der Untersuchungsausschuss in seinem Abschlussbericht diese Punkte auf:
- Beschleunigung von Asylverfahren
- Reduzierung von Fehlanreizen im Asylbewerberleistungsgesetz (nicht näher spezifiziert)
- Teilnahme an Integrationskursen schon im Asylverfahren berufsbezogene Deutschsprachförderung als Regelinstrument
- Digitalisierung der Verwaltung
- Mehr Datenzugriff durch Behörden
- Beschleunigte Verfahren für Aussichtslose Asylverfahren
- Vereinfachte Ausweisung
- Vereinfachte Durchsetzung von Ausweisung
Bei solchen „Fortschritten“ – warum stehen die Poller an den Weihnachtsmärkten dann noch?