Tichys Einblick
TE-Interview

Jana Schimke: Aussage des Ostbeauftragten Wanderwitz „falsch“ und „gefährlich“

Die CDU-Bundestagsabgeordnete Jana Schimke kritisiert ihren Parteifreund Marco Wanderwitz, den Ostbeauftragten der Bundesregierung. Seine Wählerbeschimpfung sei "eine Steilvorlage für den politischen Wettbewerber". Die Ostdeutschen hätten ein ausgeprägtes Demokratieempfinden.

picture alliance/dpa | Christophe Gateau

TE: Jüngst hat der Ostbeauftragte der Bundesregierung Marco Wanderwitz seinen routinierten Ausfällen gegen die Ostdeutschen mit der Bemerkung: „Wir haben es mit Menschen zu tun, die teilweise in einer Form diktatursozialisiert sind, dass sie auch nach 30 Jahren nicht in der Demokratie angekommen sind“ die Krone aufgesetzt. Hat er Recht? Sind die Ostdeutschen demokratieunfähig?

Jana Schimke: Diese Aussage ist nicht nur in der Sache falsch. Sie ist auch gefährlich. Ich weiß, welche Empfindungen das bei den Menschen hervorruft. Erinnern wir uns an ähnlich absurde Debatten aus der Nachwendezeit, in denen es unter anderem hieß, die Erziehung in DDR-Kindergärten sei verantwortlich für Rechtsextremismus in Ostdeutschland. Mit solchen Schlussfolgerungen wird die Lebensgeschichte von Generationen entwertet und politische Ränder gestärkt. Die friedliche Revolution 1989 hat übrigens gezeigt, dass die Menschen andere Verhältnisse haben wollten, als bisher. Das Demokratieempfinden ist hier sogar besonders stark ausgeprägt, weil die Diktaturerfahrung noch viel lebendiger in den Köpfen ist, als in den alten Ländern. 

Wenn Wanderwitz sagt, dass man nur „auf die nächste Generation“ hoffen könne, hält er also die Generation, die 1989 auf die Straße gegangen und denen die friedliche Revolution zu verdanken ist, für eine verlorene Generation. Man gewinnt den Eindruck, dass der Ostbeauftragte die Friedliche Revolution für einen Betriebsunfall der Geschichte hält. Will die CDU unter Angela Merkel nichts mehr mit der Friedlichen Revolution zu tun haben? 

Wir machen Politik in der Zeit und für die Menschen, mit denen wir hier zusammen leben. Jede Generation hat ihr Päckchen zu tragen, erinnern wir uns nur an die traumatisierte Nachkriegsgeneration unserer Großeltern. Daran, wie wir mit ihnen umgehen, bemisst sich unsere menschliche und charakterliche Stärke. Für uns Politiker ist Empathie eine Grundvoraussetzung bei der täglichen Arbeit. Es geht darum, zu verstehen, nicht zu verurteilen. Die CDU war immer die Partei, welche die Menschen dort abgeholt hat, wo sie standen, ihnen Stabilität und Seriosität bot. Das ist und bleibt ein wichtiges Prinzip auch meiner Arbeit. 

Weshalb sollen die Ostdeutschen in Sachsen-Anhalt am Wochenende und im Herbst im Bund die CDU wählen, wenn deren Ostbeauftragter offensichtlich die Ostdeutschen für zu dumm hält, die „gute Arbeit der Regierung“ zu erkennen? Muss sich die CDU, zumindest im Osten, frei nach Bertolt Brecht dann nicht ein anderes Volk suchen?

Bei den Aussagen des Ostbeauftragten handelt es sich offensichtlich um eine Privatmeinung. Ich kenne niemanden in den CDU-Verbänden der neuen Länder, der diese Auffassung unterstützt oder teilt. Reiner Haseloff und die CDU Sachsen-Anhalt stellen seit Jahren unter Beweis, dass sie mit der Führung ihres Landes verantwortungsvoll umgehen, auch in Krisensituationen. Gerade den Ministerpräsidenten schätze ich sehr für seine Geradlinigkeit, Bodenständigkeit und Bereitschaft, auch gegen Widerstände die Interessen seines Landes nach innen und außen zu vertreten. Davon bräuchten wir mehr.

Hat der Ostbeauftragte Ihnen im Osten nicht den Wahlkampf erschwert und Werbung für die AfD gemacht? Wie gehen Sie damit um?

Das Problem im Umgang mit der AfD beginnt schon mit der Analyse. Nicht der Wähler ist das Problem, es sind die eigenen Versäumnisse. Anders gesagt: Wähler zu beschimpfen, hat noch nie zum Erfolg geführt. Es ist lediglich eine Steilvorlage für den politischen Wettbewerber. Damit müssen die Wahlkämpfer meiner Partei besonders in Sachsen-Anhalt jetzt leider umgehen. 

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