Fünf Szenarien im österreichischen STANDARD umfassen wohl alle üblichen Koalitions-Spekulationen der üblichen Medien nach den Wahlen in Italien. Eine Schweizer und eine US-Medienstimme rücken Erkenntnisse in unseren Blick, die tiefer gründen und zeigen, womit die Politik in Italien und von dort ausstrahlend in ganz Europa und vor allem in der EU noch lange zu tun haben wird.
„The crisis of European social democracy is deepening.“
„Insgesamt erzielten die linken Parteien weniger als 25 Prozent der Stimmen.“
Die Basler Zeitung legt den Finger auf Tatsachen, die weit wichtiger sind als die Frage, welche Regierung in Rom zustande kommt oder ob Neuwahlen mit vorhergehender erneuter Änderung des Wahlsystems der nächste Schritt ist.
„Die beiden Pfeiler, die das politische System in Italien in den letzten Jahren getragen haben – der PD und Berlusconi – sind weggefegt. Weggefegt vom Protest gegen die alten Parteien und Politiker, gegen die Einwanderung, gegen Europa.“
Griechenland, Frankreich, Niederlande, Spanien, Skandinavien, Deutschland, auf seine Weise in Österreich und nun Italien: die alten Kräfte müssen neuen weichen, das ist das Gemeinsame am im Detail verschiedenen und politisch nicht Gleichgerichten. Aber in Brüssel machen sie weiter, als würde das alles nicht geschehen.
Weiter schreibt die Basler:
„Die Wahl bedeutet aber auch: Grenzen dicht. Zählt man zu den Wählern des M5S und der Lega die anderen Rechtsparteien dazu, addiert sich die Zahl der Italiener, die keine Migranten mehr wollen, auf gegen 70 Prozent.“
Ob zwischen dieser Tatsache und den Vorstellungen der deutschen GroKo eine gemeinsame Migrationspolitik in der EU zustande kommen kann, muss wohl klar verneint werden.
Noch etwas zeige die Wahl, sagt die Basler:
„Italien ist definitiv ein zweigeteiltes Land. Die Lega hat vor allem im wirtschaftlich starken und verhältnismässig wohlhabenden Norden gepunktet, während die «Grillini» dort im Vergleich zu 2013 etwas an Terrain einbüssten. In Norditalien war es insbesondere das Versprechen von mehr Sicherheit, das Salvini Stimmen einbrachte.
Im Mezzogiorno dagegen, wo die Arbeitslosigkeit hoch und die Armut nach elf Jahren Krise besonders gravierend ist, hat die Protestbewegung zugeschlagen. Der M5S hat in Süditalien zwischen 40 und 50 Prozent erreicht: eine Quittung für die alten Parteien, die den Mezzogiorno immer vergessen und es nie geschafft haben, für diesen Teil des Landes eine Perspektive zu entwickeln.“
Zur gleichen Diagnose kommt der NEW YORKER:
„This rejection of the established parties reflects the public’s response to the country’s economic sclerosis, E.U.-imposed austerity policies, and mass immigration. Despite a resumption of (slow) growth in the past couple of years, Italian G.D.P. is still about five per cent below its 2008 level. The unemployment rate is still above ten per cent, and about one in three youths are out of work. For many Italians, particularly young Italians, recession or semi-recession seems like a permanent condition. According to one recent poll, only about a third of Italians believe that they will be better off than their parents. (In the United States, the proportion is two-thirds.)“
Kurz gefasst: Die etablierten Parteien verdanken ihre Abfuhr der wirtschaftlichen Sklerose durch den Sparzwang der EU und die Masseneinwanderung: mit dem Ergebnis eines BIP von fünf Prozent unter dem von 2008, einer Arbeitslosigkeit über 10%, einem von drei Jugendlichen ohne Arbeit. Eine aktuelle Umfrage sage, nur ein Drittel der Italiener glauben, dass es ihnen besser gehen wird als ihren Eltern – in den USA sagten das zwei Drittel.
Zu den Gedanken, die sich die EUrokraten irgendwann doch machen müssen, so sehr sie immer noch Augen und Ohren verschließen, gesellt sich aus dem Norden, was die FAZ aus Brüssel berichtet, „Nord-Allianz stellt sich gegen Euroideen„:
«Acht Staaten aus dem Norden der Europäischen Union warnen in der Diskussion über eine Vertiefung der Währungsunion vor hochfahrenden Plänen und Wunschdenken. „An weitere Kompetenzübertragungen auf die europäische Ebene darf nur dort gedacht werden, wo ein wirklicher Mehrwert gesichert ist“, heißt es in einem am Dienstag bekanntgewordenen gemeinsamen Papier der Finanzminister der Niederlande, Irlands, Dänemarks, Schwedens und Finnlands sowie der drei baltischen Staaten. Die EU müsse sich auf das konzentrieren, was in allen Ländern auf Zustimmung stoße. „Am Ende müssen wir einen Konsens darüber finden, was wir unbedingt brauchen, nicht darüber, was einige gerne hätten“, heißt es in dem Papier.»
2018: Jahr der Lawine.