Tichys Einblick
Athen um jeden Preis halten und Londons Austritt riskieren

Ist Merkel und Hollande der Euro wichtiger als die EU?

„Der Wind in Griechenland, der Wind in Spanien, der Wind in Polen bläst nicht in die gleiche Richtung, aber alle diese Winde sagen, dass sich Europa ändern muss. Entweder bringt es Europa fertig, seine Wirtschaftspolitik zu ändern oder die Bewegungen gegen Brüssel und Straßburg werden immer stärker.“ Italiens Premier Matteo Renzi sagte das im toskanischen Fernsehen nach den spanischen Regionalwahlen und den polnischen Präsidentschaftswahlen, einem klaren Votum gegen die EU-konforme Warschauer Regierung. Und nun wird bekannt, dass Merkel und Hollande die EU weiter vertiefen wollen – ohne Vertragsänderungen. Aber einfach aussitzen werden sie David Cameron nicht können. Welche Strategie verbirgt sich dahinter, sich von Athen alles gefallen zu lassen und London alles zu verweigern? Ich fürchte – keine.




Kurz bevor EZB-Präsident Draghi seinen berühmt-berüchtigten Satz aussprach, „whatever it takes“, wurde der italienische 10-Jahres-Bond mit 7,1 Prozent gehandelt. Spekulanten mit guten Nerven, die zu diesen Bedingungen kauften, haben einen Gewinn von 350 Prozent eingestrichen. David Stockman sieht sie bildlich auf dem ganzen Weg in ihre Luxussitze nach Südfrankreich lachen.

Ist das jenes EU-Europa, in dem Merkel und Hollande die Integration und Vertiefung genannte Zentralisierung und Gleichschaltung weitertreiben wollen? Stockman zitiert Varoufakis, der darauf setzt, dass die EU seiner Regierung am Ende alles durchgehen lässt (meine Formulierung), weil sie das Signal um jeden Preis vermeiden will, dass die Eurozone nicht unteilbar ist. Müssen wir daraus schließen, dass die Eurozone den EU-Oberen wichtiger ist als die EU, wichtiger als Europa? Trifft die Fundamentalkritik von der EU als Agenten der Finanzindustrie zu?

Hilfe, sie schrumpfen unsere Werte

Ciudadanos, Syriza, Podemos, UKIP und Prawo i Sprawiedliwość – um nur die Parteien mit den aktuellsten Erfolgen zu nennen, die gegen die Mainstream-Kräfte in Spanien, Griechenland, Großbritannien und Polen punkten: also gegen jene, deren Regierungen es nicht fertigbringen, die Krisenthemen der EU in den Griff zu kriegen. Gegen die Merkels und Hollandes, die bei jeder Gelegenheit von den gemeinsamen europäischen Werten reden, die in der tatsächlichen Politik aber schnurstracks auf dem Weg sind, diese gemeinsamen Werte auf den Wert des Euros zu schrumpfen.

Meine Nase sagt mir, das werden die Menschen in den Ländern Europas nicht hinnehmen. Sie sind wie die meisten von uns keine Finanz- und Währungsexperten. Aber sie haben ein feines Gespür für das, was recht ist und was nicht. Bis dieses Gespür sich zum Handeln verdichtet, dauert regelmäßig lange. Bis es mit einem Tempo und einem Gewicht ausbricht, auf das die Obrigkeit ebenso regelmäßig nicht vorbereitet ist. Insofern wiederholt sich Geschichte immer wieder, nicht in der Sache, aber im Prozess.




Die mobile Version verlassen