Tichys Einblick
TE-Interview 03-2024

Cambridge-Professor: „Universitäten sollten keine politischen Meinungen haben“

Der Philosophie- und Religionsprofessor James Orr gehört zu den wenigen liberal-konservativen Wissenschaftlern in Cambridge. Er sieht eine tiefe Krise der westlichen Hochschulen – aber auch Chancen, sie zu retten. Dafür empfiehlt er: mehr bürgerliches Selbstbewusstsein.

Bild: Alexander Wendt

Cambridge. Die zunehmende Politisierung der Universitäten und ihre Positionierung im politischen Meinungskampf hält der Cambridge-Philosoph Prof. James Orr für völlig falsch. Universitäten sollten sich weder links noch rechts positionieren. „Meiner Ansicht nach sollten Universitäten überhaupt keine politische Meinung haben, sie sollten sich nicht als Institution zu aktuellen öffentlichen Angelegenheiten äußern“, sagt Prof. Orr im Gespräch für die März-Ausgabe des Monatsmagazins Tichys Einblick. „Sie sollten vor allem keine politische Tendenz haben. Denn das hat unvermeidlich einen einschüchternden Effekt auf alle, die nicht mit einer bestimmten politischen Parteinahme durch die Universität einverstanden sind.“

Zu was so eine Solidarisierung führt, erklärt Orr am Beispiel der Black-Lives-Matter-Proteste. „Wir haben viele universitäre Proteste gegen Rassismus im Jahr 2020 nach dem Tod von George Floyd gesehen, und zwar in der Art, dass dort nicht nur ein systemischer Rassismus für das Minneapolis Police Department behauptet wurde, sondern auch für ganz Oxford und Cambridge, weil ein Mann 5000 Meilen entfernt getötet wurde.“ Ganz anders reagierten die gleichen Universitäten aber nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel. „Als es um mögliche Stellungnahmen gegen den Hamas-Terror ging, entdeckten Universitäten plötzlich die Tugend der institutionellen Neutralität. Wie wirkt das auf die Studenten? Nun, jüdische Studenten sind verständlicherweise enttäuscht, wenn sie sehen, dass die Repräsentanten, die sich 2020 dabei überstürzten, ihre Unterstützung für Black Lives Matter auszudrücken, plötzlich sehr zurückhaltend werden, wenn es darum geht, über den Terror der Hamas zu reden. Deshalb sollten sich Vertreter von Universitäten besser generell zurückhalten.“


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