Tichys Einblick
Neubauer und andere

Grüne Jungpolitiker koordinierten Internet-Kampagne gegen Armin Laschet

Obwohl die Grünen sich demonstrativ zu einem fairen Wahlkampf verpflichteten, organisierten einige Mitglieder eine dubiose Kampagne. Nun liegen TE exklusive Einblicke in die Arbeit der Kampagnenmacher vor, die zeigen: Es war keine dezentrale, spontane Welle.

Klima-Aktivist bei einem Wahlkampfauftritt von Armin Laschet, Bremen, 16. September 2021

IMAGO / Chris Emil Janßen

Die Nachricht ist aus einem Telegram-Kanal mit dem Namen „Zerstörung der CDU“: „Wir zerstören die CDU Schritt für Schritt. Weil wir so viele sind, war #LaschetWussteEs heute in den Twitter-Trends.“ Nach Recherchen von T-Online aus dem Sommer dieses Jahres steht er in Verbindung mit Klimaaktivisten von „FridaysforFuture“. Was damals nur Vermutung war und von Machern bestritten wurde, bestätigen jetzt Informationen, die TE exklusiv vorliegen. Die Spur führt nicht nur zur Klimaschutz-Organisation, sondern auch zu den Grünen und zur Partei die Linke.

Der Kanal, der Tausende Mitglieder hatte, fungierte als Mobilisierungsorgan für die Kampagnen: Hier wurde geteilt, wann welche Hashtags koordiniert die deutsche Twitter-Bubble fluten sollten. Das einzelne Mitglied hatte hier wenig Einfluss und war so nur Empfänger von Anweisungen. Durch organisierte und koordinierte Hashtag-Wellen (sogenannte „Tweet-Storms“) katapultierte man Themen und Hashtags nach ganz oben in die Twitter-Trends. Durch eine konzentriere Welle von Tweets mit dem gleichen Hashtag in einem kurzen Zeitraum kann dieser durch den Twitter-Algorithmus in die Trends gespült und damit prominent angezeigt werden. Die Trends wiederum verfolgen viele Nutzer und auch Journalisten aufmerksam, weil sie suggerieren, welche Themen gerade viele Menschen umtreiben.

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Die lautstarke und regelmäßige Empörung über Armin Laschet in den sozialen Medien war also nachweislich eine gesteuerte Meinungsmache. Seit dem ersten Juli war der Kanal „Zerstörung der CDU“ rege aktiv, wie T-Online berichtet. Kurz nach dem Beginn der Aktivität bewarb der offizielle Kanal von „Fridays for Future“ den Kampagnen-Channel: „Du möchtest verhindern, dass die CDU/CSU weiter unser Klima zerstört? Dann kannst du diesem Kanal beitreten. Dort wirst du informiert, sobald Tweet-Storms auf Twitter stattfinden (…).“ Etwa alle zwei Tage wurden Hashtags geteilt – flankiert von extra angefertigten Memes, also Bildern mit kurzem, aussagekräftigem Text, die in diesem Fall politische Botschaften transportieren. So sollte die öffentliche Debatte verzerrt werden.

Auch auf TikTok, einer bei jungen Menschen beliebten Videoplattform, wurden gezielt Kampagnen geplant und durchgeführt. Wer dort mitmachen wolle, heißt es auf einem TikTok-Kampagnenkanal, solle einem jungen Mann schreiben. Dieser junge Mann ist Linus Steinmetz. Gegenüber T-Online erklärt Steinmetz Ende Juli, dass einige Leute „privat“ die Kampagne betreiben, und es keine Aktion von „FridaysforFuture“ sei. „Der Gedanke ist bei mir aus spontaner Frustration entstanden, dass Leute immer noch Laschet wählen wollen, obwohl er nachgewiesen hat, dass er nicht qualifiziert ist.“ Über die Hashtags entscheide aber nicht er. Zum Team für den Kanal zählten etwa 50 Leute. Darunter seien einige von „FridaysforFuture“, aber auch viele aus anderen Organisationen: „Manchen geht es um Migration und Flucht oder um Soziales.“

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Doch was Steinmetz gegenüber T-Online suggerierte, scheint nicht der Wahrheit zu entsprechen. Das legen Informationen nahe, die TE exklusiv vorliegen. Die Köpfe hinter der Aktion sind laut Telegram-Auszügen andere: Der Kanal, auf dem die Anweisungen für Kampagnenteilnehmer ausgegeben werden, gehört zum Beispiel nicht Steinmetz, sondern Hanno Merschmeyer. Merschmeyer ist Social-Media-Koordinator für die Grünen Dortmund. Auch der Aufruf für den Beitritt zum Kanal kam nicht von Steinmetz, sondern von Maximilian Reimers, einem Politiker und Bundestagskandidaten der Linken aus Schleswig-Holstein. Reimers erklärt nach Gründung der geschlossenen Koordinierungsgruppe: „Hier geht’s nur um Laschet“.

Die Taktik, mit koordinierten Gruppen öffentliche Debatten oder gar einen Wahlkampf zu beeinflussen, ist nicht neu: 2016 wurden Trump-Anhängern ähnliche Methoden vorgeworfen, und 2017 skandalisierten öffentlich-rechtliche Medien in einer schwammigen Dokumentation die sogenannten „Infokrieger“ rund um einen Server namens „Reconquista Germanica“, auf dem meist rechtsextreme ihre Social-Media-Aktivitäten koordinierten. „Infokrieg“ ist politische Agitation und Propaganda im Internet.

Eine gemeinsame Recherche von Tichys Einblick und dem Blog GreenWatch zeigt, wie die Arbeit in den Chatgruppen ablief. Während die Tausenden von Teilnehmern lediglich Anweisungen aus dem Kanal Folge leisteten, erfolgte die Planungsarbeit durch einen ausgewählten Kreis von Personen. Mit dabei sind prominente Politiker und Aktivisten: Zu den 44 Mitgliedern gehören bekannte Namen wie FFF-Führungsfigur Luisa Neubauer oder ihr Kollege Jakob Blasel, der für die Grünen in den Bundestag will. Auch Politiker, wie der genannte Reimers, der Bundesschatzmeister der Grünen Jugend Timon Dzienus oder der Grüne Bundestagskandidat Patrick Haermeyer waren Mitglieder der Organisationsgruppe.

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Womöglich existieren auch Verbindungen zu TikTok selbst. Die Mitglieder der Planungsgruppe nahmen nach TE-Informationen an einem zweistündigen Seminar teil, in dem effektive Reichweitensteigerung auf der Plattform besprochen wurde. Geleitet wurde dieses Seminar von Jonas Wegener. Wegener ist Gründer mehrer Social-Media-Unternehmen und will laut eigener Aussage mit seiner Arbeit vor allem die „Klimakrise“ bekämpfen. Er ist auch direkt für das Unternehmen TikTok tätig – im Rahmen des Programms „lernen mit TikTok“ ist er mit seinem Account „nachhaltiger Leben“ direkter Empfänger von Geldern aus einem mit 4,5 Millionen Euro gefüllten Fördertopf, mit dem TikTok laut eigener Aussage „Lerninhalte“ fördern will. Wegener wird also von einem chinesischen Staatskonzern bezahlt. In seinem Seminar für die Infokrieger um Neubauer und Co erklärt er selbst unverblümt, er „arbeite (…) für TikTok“. Er führt weiter aus, dass die Social-Media-Seite Themen rund um den Klimawandel gezielt pushen wollte. Den Teilnehmern bringt er bei, wie sie effektiv eine Kampagne auf TikTok machen könnten. „Es geht darum, aus der Bubble herauszubrechen“, erklärt Wegener. „Wir müssen die erreichen, die nicht voll on track sind, (…) die noch einen kleinen Tritt in den Arsch brauchen.“ Die Teilnehmer des Seminars sollten vor allem auf Quantität wert legen. Ein weiterer Tipp Wegeners an seine Zuhörer: „Langweile nicht mit Fakten“.

Mittlerweile scheint die Gruppe ihre Aktivität heruntergefahren zu haben: Nachdem die SPD die CDU in den Wahlumfragen überholte, wurde der Kanal immer inaktiver. Gegen Scholz will oder kann man offensichtlich keine Kampagne machen.

Anfragen unter anderem an Jonas Wegener, Luisa Neubauer und Jakob Blasel blieben bis heute früh unbeantwortet: Gerne hätten wir Ihnen Raum für ein Statement gegeben. So bleiben Fragen offen: zum Beispiel, wie solche Aktivitäten eigentlich mit der im Mai feierlich erklärten „Selbstverpflichtung“ der Grünen zu einem fairen Wahlkampf zusammenpassen. In der steht: „Wir wollen unsere Demokratie stärken und verteidigen sie deshalb gegen intransparente Beeinflussungsversuche (…) Das gilt insbesondere für einen vorrangig digitalen Wahlkampf.“

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