Auf einer langen Bahnfahrt telefonieren? Wer das schon mal probiert hat, weiß: Das ist keine gute Idee. Ständig bricht die Verbindung ab. Das Funkloch ist der treueste Reisebegleiter. Und auch sonst beschwert sich nahezu jeder hin und wieder über seine Internetverbindung. Manche beschweren sich sogar offiziell: So haben zwischen Dezember 2021 und März 2023 knapp 3.500 Bürger der Bundesnetzagentur eine „Unterversorgung“ gemeldet, wie es im Beamtendeutsch heißt. Oder wie es die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Union schreibt: „behauptet“. Denn in deutlich mehr als der Hälfte dieser Meldungen habe die Netzagentur keine Unterversorgung festgestellt. In ihren Untersuchungen kamen sie also zu dem Schluss: Da war Internet. Die Realität für die Bürger sah aber anders aus. Aber wenn auf dem Papier steht: Da war Internet, dann ist die Bundesnetzagentur aus dem Schneider.
Die Bundesregierung ist nach einer Verordnung aus dem letzten Juni sogar dazu verpflichtet: nach der sogenannten „Telekommunikationsmindestversorgungsverordnung“ (TKMV). Mit dieser haben Bürger erstmals einen individuellen Rechtsanspruch auf ausreichenden Internetzugang erhalten. Konkret heißt das: „Die Download-Geschwindigkeit muss mindestens 10 Megabit pro Sekunde betragen und die Upload-Rate muss bei mindestens 1,7 Megabit pro Sekunde liegen. Die Latenz, also die Reaktionszeit, soll nicht höher als 150 Millisekunden sein“, so schreibt es das Bundesministerium für Digitales.
Man möchte meinen, diese Verordnung könnte helfen, dass die Regierung die Internetversorgung schneller ausbaut. Immerhin sagte Klaus Müller (Grüne), Präsident der Bundesnetzagentur, im Juni 2022 zu dem TKMV-Beschluss: „Wir befassen uns nun zügig mit den Fällen, in denen Menschen noch ohne ein Mindestangebot an Telekommunikationsdiensten sind.“ Dem ist aber nicht wirklich so: Seit Juni 2022 bis Mitte April 2023 gingen eher mehr als weniger Meldungen zu Unterversorgungen bei der Bundesnetzagentur ein. In den sechs Monaten von Dezember 2021 bis Ende Mai 2022 gab es knapp 1.000 Meldungen von Unterversorgungen. In den elf Monaten danach gab es hingegen zweieinhalb mal so viele. Würde die Versorgung schneller ausgebaut, dann sollte es ja eher weniger Beschwerden geben. Aber laut Bundesregierung sind diese Beschwerden zu Unterversorgungen ja auch nur „Behauptungen“.
Wenn die Regierung in dem Tempo weitermacht, könnte es knapp werden mit ihrem Ziel, bis zum Jahr 2030 eine Telekommunikations-Infrastruktur flächendeckend auszubauen. So wolle sie gleiche Lebensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet herstellen, heißt es aus dem Ministerium für Digitales. Dieser Ausbau liege aber „vorwiegend in der Hand der Telekommunikationsunternehmen“, heißt es weiter. Der Hintergrund dazu: 2019 führte die Bundesnetzagentur eine sogenannte „5G-Frequenzauktion“ durch, bei der unter anderem die Netz-Marktführer Telekom, Vodafone und Telefonica (O2) teilnahmen. Die Bundesnetzagentur hat dort Frequenzen versteigert, die an ambitionierte Versorgungsauflagen gekoppelt sind.
Beispielsweise waren Telekom, Vodafone und O2 verpflichtet, bis Ende letzten Jahres in 500 bisherigen „weißen Flecken“ neue Funkstationen zu bauen. Weiße Flecken sind Gebiete, in denen weder 4G-, LTE- noch 5G-Funksignale empfangen werden. Nach einer Sitzung der Bundesnetzagentur sagte Beiratsmitglied Reinhard Houben (FDP) allerdings: In dieser Pflicht sei keiner der drei Marktführer „wirklich zu hundert Prozent erfolgreich gewesen“. Für die Netzbetreiber bedeutet das: Bußgelder. Für die Bewohner der weißen Flecken bedeutet das: Auch weiterhin kein Netz. Und für die Bahnfahrer bedeutet das ebenfalls weiterhin: Telefonieren auf der Fahrt kann man dann gleich lassen.