Neun Jahre lang galt es als unmöglich, die deutschen Grenzen gegen unerlaubte Einreisen zu schützen. Einzige Ausnahme war die bayrisch-österreichische Grenze, und auch da gingen die Einreisen auf Zuruf wieder los, sobald man in Wien genug Migranten zu haben glaubte. Grenzübertritte wurden dabei nie konsequent unterbunden. Erst war es Angela Merkel, die das für unmöglich erklärte und „unschöne Bilder“ vermeiden wollte. Dann wurde diese Entscheidung weitergeführt von Nancy Faeser und Konsorten. Und das bedeutete: jährlich neue Einreisen mit neuen Belastungen für die Haushalte, für die innere Sicherheit und den kulturellen Zusammenhalt des Landes.
Überwölbend war dabei immer der Glaube, dass Deutschland eine moralische Verpflichtung dazu hatte, der Welt und den EU-Partnern ihre „Flüchtlinge“ abzunehmen, egal ob diese nun aus Syrien zu stammen schienen oder aus Afghanistan. Immer lagen fünf und mehr sichere Staaten zwischen Deutschland und den Herkunftsstaaten. Trotzdem beherbergt die Bundesrepublik inzwischen fünf Prozent der syrischen Bevölkerung und ein Prozent aller Afghanen.
Dieser Glaube an die deutsche humanitäre Sendung in der Welt ist erschüttert, vor allem durch die wiederkehrenden Messerattentate, die Privatleute und öffentliche Feste zuletzt trafen. Da war das Mannheimer Messerattentat Ende Mai, durch das ein Polizist starb und mehrere Islamkritiker schwer verletzt wurden, weil ein afghanischer Attentäter es so wollte. Dann ein Terroranschlag in Solingen, bei dem drei Besucher des „Festivals der Vielfalt“ getötet wurden, weil ein syrischer Terrorist wahllos auf sie einstach.
Erschütterter Glaube an die deutsche Sendung
Auch seitdem ruhte der islamistische Terror nicht: In München fielen am vergangenen Donnerstag Schüsse in der Nähe des NS-Dokumentationszentrums sowie des israelischen Generalkonsulats, abgegeben durch einen 18-jährigen „Österreicher“, der tatsächlich aber ein radikaler Muslim war und bei diesem Angriff erschossen wurde. Im rheinland-pfälzischen Linz versuchte ein Albaner, mit einer Machete bewaffnet und „Allahu akbar“ rufend, eine Polizeiwache zu stürmen.
Nun hat Nancy Faeser als „Morgengabe“ an die Union Kontrollen an allen deutschen Grenzen eingeführt – einfach so, obwohl sie diese Kontrollen doch erst nach der Fußball-EM auslaufen ließ. Zudem hat sie der Union angeblich einen Vorschlag gemacht, wie Zurückweisungen an deutschen Grenzen zu erreichen seien – in welcher Zahl und in welcher Vollständigkeit ließ sie wohlgemerkt offen. Aber das BMI raunte etwas von einem „Modell für europarechtskonforme und effektive Zurückweisungen“, von dem allerdings noch nicht einmal der grüne Koalitionspartner Genaueres weiß.
Bundespolizei erfasst ohnehin weniger als die Hälfte der illegalen Einreisen
Überhaupt muss ja gesagt sein, dass der Bundespolizei ohnehin beim derzeitigen Kontrollmodus – an den Grenzen nach Polen, Tschechien usw. – mehr als die Hälfte der unerlaubten Einreisen „durch die Lappen gehen“. Diese tauchen nämlich in der Bundespolizei-Statistik nicht auf, wohl aber in derjenigen des Bundeskriminalamts und – noch wichtiger – in der amtlichen Asylstatistik.
Wenn die Aufgriffe durch die Bundespolizei, die zu Einreisen führen, aktuell im Schnitt wohl etwas über 7.000 pro Monat liegen, kam Deutschland bei den Asylanträgen weiterhin auf rund 20.000 im Monat. Die rund 13.000, die dazwischenliegen, müssen also unerkannt ins Bundesgebiet eingereist sein – unter anderem weil die Bundespolizei nur an wenigen Grenzübergängen kontrolliert, die grüne Grenze aber weitgehend sich selbst überlassen bleibt. Es bräuchte also zunächst gewaltige Investitionen in die Bundespolizei, um diese überhaupt personell und technisch fit zu machen für umfassende und umfassend wirksame Grenzkontrollen.
Um das zu erreichen, bräuchte es nicht nur mehr Beamte, sondern auch Infrastruktur, etwa physische Barrieren und eine durchgehende Überwachung, etwa durch Kameras, um das pünktliche Eintreffen der Grenzschutzbeamten sicherzustellen. Derzeit ist viel von Zurückweisungen die Rede, aber wie wirksam sie nach einem eventuellen Beschluss werden, hängt auch von der praktischen Ausgestaltung ab. Man weiß ohnehin nicht, wie weit die Union bei der Sache gehen will: Will sie alle der mehr als 200.000 zu erwartenden Asylbewerber abweisen oder nur die an den Hauptgrenzübergängen, die vielleicht die Hälfte ausmachen? Die Ausweitung der Kontrollen auf alle Grenzen wird bei gleichbleibender Personaldecke logischerweise zur Ausdünnung der Grenzposten führen.
Inzwischen drang aus Regierungskreisen heraus, dass Faeser letztlich keine „Notlage“ nach Merz ausrufen wird. Das gilt als EU-rechtlich zu riskant. Stattdessen will Faeser angeblich den alten Vorschlag der Anker-Zentren nach Horst Seehofer wieder hervorholen – obwohl er mit konsequenten Zurückweisungen rein gar nichts zu tun hat: Asylbewerber sollen demnach ihren Antrag stellen können, aber darauf soll ein Schnellverfahren in Grenznähe folgen, und das Aufnahmezentrum kann danach direkt als Abschiebezentrum dienen. Auch diese EU-rechtskonforme Maßnahme hätte Faeser lange vorher ergreifen können. Dass sie es jetzt tut, zeigt, dass sie es aus Kalkül tut – wegen der Union und der Wahlergebnisse.
Spahns Widerworte: Wir lassen sie einfach nicht rein
Derweil hat der österreichische Innenminister Gerhard Karner von der CDU-Schwesterpartei ÖVP verlauten lassen, dass Österreich keineswegs „Personen entgegennehmen“ werde, „die aus Deutschland zurückgewiesen werden“. Das wäre so weit nichts Neues, auch in Polen nimmt kein Grenzschutzbeamter die zurückgewiesenen Migranten ab. Karner sieht aber so gar „keinen Spielraum“ für solche Maßnahmen und beharrt auf dem untüchtigen Dublin-Recht der EU. Das hat an dieser Stelle einen Mechanismus der „Prüfungen“ eingesetzt, der letztlich Rückführungen von Migranten in andere EU-Länder verhindert. Karner besteht auf diesem formellen Verfahren, offenbar weil es ihm nützt: „Ich habe den Bundespolizeidirektor deshalb angewiesen, keine Übernahmen durchzuführen.“
Damit hat Spahn noch einmal die alte Grundforderung der Union für ein Gespräch mit der Ampel befestigt. In der MerzMail Nr. 216 hieß es: „Wir kontrollieren dauerhaft an den deutschen Grenzen, weisen dort konsequent zurück und setzen die Regeln der Dublin-Verordnungen wieder in Kraft.“ Das aber offenbar aus eigenem Rechtsverständnis heraus, unabhängig von der bisherigen Dublin-Praxis. Nun müssten „Olaf Scholz und die Ampel beantworten, ob sie das auch wollen und vor allem, ob die Grüne Partei mit im Boot ist“, meint Spahn abschließend. Danach könne man dann auch über „sichere Herkunftsstaaten, Sozialleistungen etwa auch für abgelehnte Asylbewerber“ oder deren Streichung reden.
Wilders begeistert – Maaßen skeptisch
Auch Sahra Wagenknecht (BSW) fordert nun, dass „nur diejenigen in Deutschland noch ein Asylverfahren und auch Anspruch auf Leistungen haben, die nicht aus einem sicheren Drittstaat einreisen“. Die Beweispflicht dafür müsse beim Antragsteller liegen.
Durchaus begeistert reagierte auch Geert Wilders, dessen Partei an der Spitze der neuen niederländischen Regierung steht. Eigentlich hatte er davon gesprochen, die Grenzen zu Deutschland zu schließen und alle Migranten abzuweisen. Nun scheint Deutschland ihm zuvorgekommen zu sein. In einem Tweet vom Montag schreibt er: „Gute Idee, müssen wir auch machen!“ Seine Asyl- und Migrationsministerin Marjolein Faber sagte, diese Maßnahme schließe bei ihren eigenen „ Ambitionen zur Stärkung der Grenzkontrolle“ an und seien „sehr verständlich“.
Aber alles deutet darauf hin, dass es vermutlich bei der laxen Zurückweisungspraxis bleiben wird. Nancy Faeser hat schon gesagt, dass die Äußerung eines Schutzersuchens (Asylersuchen) eine Zurückweisung verhindern wird. Ihr Ministerium sammelt die nötigen mit dem weitgehend obskuren, unbekannten EU-Recht unterfütterten Gegenargumente. Das sind im Grunde nur Stopp-Schilder für eine andere Politik. Und am Ende steht dann vielleicht ein kleiner Formelkompromiss, dass man die Zurückweisungen ganz leicht ausweiten will.
Hans-Georg Maaßen, Chef der Werteunion, warf derweil Markus Söder in einer Pressemitteilung vor, eine Fortsetzung des Unrechts an deutschen Grenzen erlauben zu wollen, wenn der bayrische Ministerpräsident sich noch immer illegale Einreisen von etwas unter 100.000 pro Jahr vorstellen kann. Söder habe damit eine neue Obergrenze proklamiert, die dieselben Probleme hat wie die alte: Sie kann weder nach unten noch nach oben abgesichert werden. „Nach der derzeitigen Rechtslage kämen wir ohnehin nur auf ein paar Tausend Asylberechtigte im Jahr. Als Jurist bestehe ich darauf, dass das Recht auch angewandt wird.“ Auch Söder formuliere aber „eine Obergrenze, die gegen geltendes Recht verstößt“.