Die Teuerungsrate in Deutschland lag im April 2022 bei 7,4 Prozent, gibt das Statistische Bundesamt am Mittwoch bekannt. „Die Inflationsrate erreichte damit im zweiten Monat in Folge einen neuen Höchststand im vereinigten Deutschland“, sagt dessen Präsident Georg Thiel. Im März 2022 war die Inflationsrate (immer im Vergleich zum Vorjahresmonat) sprunghaft auf 7,3 Prozent gestiegen, insbesondere infolge der Preisentwicklung der Energieprodukte. Auffallend sind im April 2022 die überdurchschnittlichen Preissteigerungen bei den Nahrungsmitteln. Aber warum steigen diese derart stark?
„Das neue Gold“, so bezeichnet ein Facebook-Nutzer die Preissteigerungen bei Lebensmitteln. Das passt. Denn Gründe, weshalb die Preise durch die Decke gehen, sind zwar zu finden, jedoch umstritten und schon gar nicht überzeugend. Lieferschwierigkeiten sollen es sein, Rohstoffmangel, Ukraine-Krieg.
Apropos Ukraine-Krieg. Preise für Milch und Milchprodukte steigen und steigen. Werden die Kühe denn in den umkämpften Gebieten gemolken und es kommt deshalb zu Verknappungen in Deutschland? Oder sind „Lieferschwierigkeiten“ mittels Milchtankwagen aus der Ukraine dafür der Grund? Stichwort: Rohstoff Milch.
Beim Discounter Lidl kostet ein Kilo deutsche Bauerngurken 4,65 Euro. Laut Prospekt von Anfang Mai steht da zwar ein Preis von 3,49 Euro, die sind aber bezogen auf 750 Gramm – damit es nicht so sehr auffällt; unterm Strich sind es dennoch 4,65 Euro pro Kilo.
Milch und Käse könnten künftig noch teurer werden, titelte am 7. Mai die Zeit: „Preise für Milchprodukte können in den kommenden Wochen um bis zu 20 Prozent ansteigen, warnt der Molkereiverband.“ Und weiter: „Bei Milchprodukten mit längeren Kontraktlaufzeiten sind die Preissteigerungen im Laden teils noch nicht wirklich angekommen, das wird erst in den kommenden Wochen und Monaten geschehen.“ Am Ende sei der genaue Preis aber Verhandlungssache zwischen Molkereien und Handelsunternehmen. Diesmal wird er mit höheren Ausgaben für Energie, Futter oder Düngemittel begründet.
Verknappung bei Sonnenblumenöl oder Hamsterkäufe beim Mehl waren der vorletzte Hit – aber bestimmt nicht der letzte. Verteuertes Mehl rührt daher, weil in der Ukraine kein Weizen mehr angebaut werden kann, zumindest ist das der Subtext der Begründung. Dass der aktuell verfügbare Weizen nach wie vor in Silos gelagert ist und damit (noch) rein gar nichts mit Nichtanbau in der Ukraine zu tun hat – geschenkt.
Teuerungen bei Sonnenblumenöl, Mehl, Mineralwasser, Kaffee, Softdrinks, Müsli, Nudeln, Knödel, Tiefkühlpizza, Kloßteig – alles ist Lieferschwierigkeiten, Rohstoffmangel und dem Ukraine-Krieg geschuldet. Oder schlechten Ernten sonstwo auf der Welt.
Bereits im Herbst 2021 lag die Inflation bei 4,1 Prozent. Im November 2021 verzeichnete das Statistische Bundesamt bei Nahrungsmitteln eine Steigerung um 4,5 Prozent. Wiederum zu Beginn des Jahres 2022 wurden weitere Preissteigerungen erwartet.
Und wieder soll es der Ukraine-Krieg sein. „Ob Spaghetti, Tagliatelle oder Rigatoni – Pastafans müssen jetzt ganz stark sein. Aufgrund des Krieges in der Ukraine und schlechten Ernten kommt es zu Preiserhöhungen von Nudeln, wie Hersteller und der Verband der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft (VGMS) mitteilen. Das sind die Gründe, weshalb Kunden in Supermärkten und Discountern wie Aldi, Lidl und Edeka in Zukunft tiefer in die Tasche greifen müssen“, hieß es Mitte April. Der Ukraine-Krieg mache der Teigwaren-Industrie schwer zu schaffen. Also nicht etwa Nestlé, Danone und Unilever.
Auch für Brot werden die Verbraucher in Zukunft mehr Geld ausgeben müssen, berichtet RTLnews. Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks warne in der Bild: „Die Preise für Backwaren werden deutlich nach oben gehen.“ Es wird mit einer Steigerung von 25 bis 30 Prozent gerechnet.
„Angesichts des Ukraine-Kriegs steigen die Rohstoffpreise weiter – und mit ihnen auch die Preise für Lebensmittel. Die Ernährungsindustrie befürchtet eine Lebensmittelknappheit und fordert Landwirtschaftsminister Özdemir zum Handeln auf“, schreibt die Tagesschau. Christian von Boetticher, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, fordert von Özdemir ein „Aktives Krisenmanagement“. Besonders die Lebensmittelbranche sei von steigenden Energie-, Rohstoff- und Personalkosten betroffen. Essen dürfe „kein Luxus sein“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks.