Unser tägliches Brot gib uns heute. Das ist die zentrale Bitte in einem der wichtigsten Gebete des Christentums. Und auch schon vor Jesu Geburt, in der Antike, beschäftigte der Kampf ums Essen die Menschen. Bis hinein in die Hochliteratur. Würde man die gemeinsamen Mahlzeiten aus der Odyssee streichen, ließe sich Homers Text um ein Drittel kürzen. Warum Nahrung ein wichtiges Thema für Menschen ist, muss man eigentlich nicht erklären – außer vielleicht in einem Land, in dem die Entscheider satt sind.
So, wie in Deutschland. In diesem Land beschäftigt sich die Politik damit, Andreas schneller zu Andrea werden zu lassen; den Diebstahl von Regenbogenfahnen vom Staatsschutz verfolgen zu lassen; das Rauchen von Haschisch zu legalisieren und die Qualität noch härterer Drogen staatlich prüfen zu lassen, damit die Süchtigen ihre Persönlichkeit gesundheitsbewusst zerstören können. Dass die Preise für Lebensmittel weggaloppieren, ist indes kaum ein Thema in der politischen Debatte – außer vielleicht in Nebensätzen von gut abgehangenen Sonntagsreden.
„Die Nahrungsmittel sind nach wie vor der stärkste Preistreiber“, räumt Ruth Brand ein. Sie ist die Präsidentin des Statistischen Bundesamtes, das die Zahlen zur Inflation ermittelt. Käse, Fleisch und das besagte täglich Brot sind demnach im Juni im Schnitt um 13,7 Prozent teurer gewesen als im Juni 2022. Das Brot ist für sich allein genommen um 18,3 Prozent teurer geworden, Gemüse um 18,8 Prozent und Molkereiprodukte sogar um 22,3 Prozent. Ohne die Teuerung der Nahrungsmittel läge die Inflationsrate bei „nur“ 5,8 Prozent.
Insgesamt ist die Inflation damit aber im Juni im Vergleich zum Mai um 0,3 Prozent gestiegen. Im Vergleich zum Juni 2022 sind die Preise heute folglich durchschnittlich um 6,4 Prozent höher. Bremsend auf die Inflation wirken sich die Energiepreise aus. Vorläufig. Das liegt zum einen daran, dass wir uns nicht in der Heizperiode befinden. Und zum anderen wirkt sich noch das dritte „Entlastungspaket“ der Bundesregierung aus. Das könnte im Winter anders werden. Für weitere „Entlastungspakete“ fehlt dem Bund das Geld und über den vergangenen Winter halfen uns noch die letzten drei bestehenden Atomkraftwerke. Kommt es im Winter wieder zu einer längeren Dunkelflaute, müssen wir auch wieder verstärkt Gas verstromen.
Der Vorwurf, dass die Politik sich gar nicht mit den teureren Lebensmitteln beschäftige, stimmt übrigens nicht. Sie trägt dazu bei: Zum 1. Dezember verdoppelt die Ampel die LKW-Maut nahezu. Dass die Spediteure die höheren Kosten an die Supermärkte weitergeben und diese wiederum die Preise erhöhen müssen, leuchtet jedem mit einfachsten wirtschaftlichen Kenntnissen sofort ein. Das bedeutet: In Olaf Scholz’ (SPD) Kanzleramt dürfte sich die Erkenntnis so ab Januar breitmachen, in Robert Habecks (Grüne) Wirtschaftsministerium – nun, er wird es uns wissen lassen.