Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) warnt vor der beabsichtigten Neuregelung im Infektionsschutzgesetz. Der Präsident des Verbandes, Thomas Fischbach, mache sich „große Sorgen um die Auswirkungen“ der geplanten Corona-Maßnahmen auf Kinder und Jugendliche. Zahlreiche geplante Regelungen beträfen nur Kinder und Jugendliche und würden diese „eklatant benachteiligen“.
„So wichtig die Diskussion einer Maskenpflicht in Flugzeugen und in gastronomischen Betrieben sein mag, sehen wir ein augenfälliges Missverhältnis in der öffentlichen Diskussion gegenüber der Wahrung der Bildungs- und sozialen Teilhaberechte von Kindern und Jugendlichen. Wir sehen durch die Benachteiligung von Kindern und Jugendlichen den Gleichheitsgrundsatz unseres Grundgesetzes verletzt“, erklärte Fischbach.
„Wenn ein Kind an COVID-19 erkrankt war und ein negativer Antigen-Test bestätigt, dass die Erkrankung überwunden ist und insofern keine Isolationspflicht mehr besteht, reicht dies nicht mehr aus. Das Kind kann nicht wieder in die Schule oder den Kindergarten gehen, sondern bedarf zukünftig hierfür zusätzlich einer ärztlichen Bestätigung“, erklärte Fischbach. Eine solche „extreme Verschärfung“ könne nach 30 Monaten Pandemie „von keiner Seite ernsthaft gewünscht sein“.
Der BVKJ hatte bereits vor wenigen Tagen eine Stellungnahme zum Gesetzentwurf und den Änderungsanträgen verfasst. Bereits darin hatte der BVKJ auf die verheerenden Auswirkungen der Pandemiepolitik hingewiesen:
„Kindergarten- und Schulschließungen und Einschränkungen bei der Freizeitgestaltung haben gesundheitliche Schäden bei Kindern und Jugendlichen mitverursacht. Zu benennen sind hier u.a. Übergewicht, Suchtverhalten, Probleme beim Sozialverhalten und die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Diese gesundheitlichen Schäden werden Kinder und Jugendliche möglicherweise jahrelang begleiten. Exemplarisch sei auf das extrem hohe Risiko von übergewichtigen Kindern verwiesen, auch im Erwachsenenalter mit Adipositas kämpfen zu müssen. Die damit verbundenen massiven lebenslangen Krankheitsrisiken sind wissenschaftlich hinreichend belegt. Deshalb ist die Tatsache, dass bei 16 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Laufe der Pandemie eine ungesunde Gewichtszunahme zu verzeichnen ist, so besorgniserregend.“
Im weiteren Pandemieverlauf müsse daher „endlich das Kindeswohl prioritär Berücksichtigung“ finden. Der Verband nimmt daher die Erwachsenen in die Pflicht: „Neben der COVID- und Influenza-Impfung sind Erwachsene angehalten, durch besonnenes und rücksichtsvolles Verhalten die Infektionslast insgesamt in allen Altersgruppen, und damit auch von Kindern, zu reduzieren.“ Sollten jedoch tatsächlich weitergehende Maßnahmen nötig sein, dann sollten Kinder und Jugendliche nicht übermäßig belastet werden. Zitat:
„Wenn aufgrund der allgemeinen Pandemielage Schutzmaßnahmen notwendig werden, sollten Maßnahmen, die Kinder und Jugendliche betreffen, niemals härter ausfallen, als die in der übrigen Bevölkerung. Das heißt konkret, wenn beispielsweise Masken am Arbeitsplatz nicht vorgeschrieben sind, sollten sie auch nicht von Jugendlichen in der Schule getragen werden müssen. Wenn Tests bei Kultur- und Freizeitveranstaltungen oder auch am Arbeitsplatz nicht vorgeschrieben sind, dürfen sie auch von Schülerinnen und Schülern nicht erwartet werden.“
Masken- und Testpflichten sollten nur „nachrangig“ vorgesehen werden, wenn diese bereits in anderen Lebensbereichen bestünden. Stattdessen würden Kinder und Jugendliche „gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen in ihrer Lebenswelt hochgradig benachteiligt“. Während der Schulbetrieb in der Corona-Krise massiv gestört worden sei, seien für Erwachsene in ihrem Arbeitsbereich keine vergleichbaren Einschränkungen vorgesehen gewesen. Und:
„Die Schlechterstellung von Kindern und Jugendlichen gegenüber Erwachsenen ist aufgrund des grundgesetzlichen Gleichheitsgrundsatzes unter keinen Umständen zu rechtfertigen, sie ist aber insbesondere aufgrund des niedrigeren Risikos von problematischen Krankheitsverläufen von Vornherein schlechterdings nicht sachgerecht.“
Es ist nicht das erste Mal, dass sich der BVKJ so deutlich zu Wort meldet. Denn schon bei der Verabschiedung der Bundesnotbremse hatten die Ärzte ein kritisches Papier vorgelegt, als es um Schulschließungen und die dafür geltenden Inzidenzen im April 2021 ging. Die Vereinigung räumte damals mit dem Vorurteil auf, Schulen seien Infektionsherde. Der BVKJ sagte dagegen klar, dass Schulen auch in COVID-19-Zeiten geöffnet bleiben könnten: „Schulen sind nicht die Treiber der Pandemie.“
Damals wie heute bleibt der Verband ungehört. Team Wissenschaft zählt eben nur, wenn Team Wissenschaft die richtigen Meinungen liefert. Und einige Experten sind offenbar gleicher als andere.