Was sollte das sein, eine egomane Form der Selbstgeißelung? Der Versuch, jenen Platz in der Umweltdebatte einzunehmen, den beispielsweise Monitor-Moderator Georg Restle schon für sich zum Thema Migration eingenommen hat?
Kommentator Lorenz Beckhardt nervte nun in den Tagesthemen mit einem Vortrag, irgendwo angesiedelt zwischen Kirchentagspredigt und einem Treffen der AA, wenn der offensichtlich u.a. öffentlich-rechtlich recht gut bezahlte Beckhardt seine Zuschauer mit seinem privaten Problemen belästigt, wenn er sich outet: „Ich bin Konsum-Junkie.“
Gut, das wären sicher viele gerne, so wie der eine oder andere Beckhardt möglicherweise auch gerne auf seinen Tauchtrips (er erzählt davon live im Tagesthemenkommentar) an die Korallenriffs dieser Erde begleiten würde oder mit ihm dicke Steaks vom Grill essen, was Beckhardt freimütig in den Tagesthemen erklärt, öfter zu machen – uh, wie böse! Aber mal ehrlich: Wer will das von Lorenz Beckhardt überhaupt wissen und vor allem, wer möchte anschließend das unangenehme Völlegefühl mit dem Journalisten teilen, der sich offensichtlich maßlos überfressen hat und nun darüber jammernd ein ganzes Weltproblem daraus machen will. Aber lesen Sie selbst im O-Ton seines Tagesthemenkommentars:
„Schon wieder so ein lästiges Umweltthema: Erdüberlastungstag. Hatten wir doch schon letztes Jahr und im Jahr davor und davor und so weiter … immer die gleiche Predigt, von wegen die Menschheit lebt über ihre Verhältnisse, wir verbrauchen die Ressourcen der Erde schneller als sie nachwachsen können. Und wir in den Industrieländern verbrauchen mehr, als die Leute aus Afrika.
Ok, verstanden. Und jetzt? Ich hatte heute Abend ein schönes Stück Fleisch auf dem Grill. Das habe ich öfter. Und wenn ich beruflich reise, nehmen ich zwar die Bahn, aber privat steige ich oft ins Auto oder ich fliege um den Globus, weil ich gerne tauche und Korallenriffe liebe. Ich werfe zwar keine fast neuen Klamotten weg und brauche nicht alle zwei Jahre ein neues Smartphone, aber wenn ich jetzt mit einem Finger auf Sie zeige, zeigen drei Finger auf mich zurück.
Ich bin Konsum-Junkie. Und wenn Sie zufällig keiner sind, seien sie einfach froh. Die Frage ist, warum ich mich nicht schäme? Vielleicht, weil konsumieren Spaß macht. Weil es Belohung ist, Genuss. Lust. Und weil es fast alle machen. Und dann kommen dauernd so Nachrichten wie heute, das wir Konsumsüchtigen uns auf diesem Planeten benehmen, wie die Axt im Walde.
Jeder weiß: Süchtige brauchen Hilfe. Das Problem ist, das kein Arzt umweltschädliche Konsumsucht heilen kann. Das könne nur mutige Politiker. Deshalb die Bitte: „Macht Fleisch, Auto fahren und fliegen so verdammt teuer, dass wir davon runter kommen. Bitte! Schnell! Dann wählen wir auch Euch alle!“
(Es gilt das gesprochene Wort.)
Wir sprechen dazu mit Bernd Thränhardt, Filmemacher, Autor, Suchtexperte und professioneller Suchtberater in Köln. Für ihn ist der Suchtbezug von Lorenz Beckhardt falsch: „Das ist Nonsens, weil der Begriff „Sucht“ hier inflationär gebraucht wird. Sucht kommt von Krankheit, von siechen, nicht von suchen. In den Tagesthemen wurde das verharmlost. Eine Suchtkrankheit zu bewältigen ist eine existentielle Lebensaufgabe und nicht der Verzicht auf ein paar Luxusprodukte. Aber selbst wenn man diesem falschen Bild der Sucht folgen würde, dann wäre die Konsequenz falsch: Denn selbst die Prohibition in den USA konnte die Alkoholabhängigkeit nicht reduzieren. Was da also im Kommentar zur besten Sendezeit zu hören war, dass war pastorale Kanzelrede und Schulfunk für Zwölfjährige.
Und denken Sie doch einmal nach, wie haben mittlerweile über sieben Milliarden Menschen auf der Erde, die es zu versorgen gilt. Und es werden täglich mehr. Natürlich greift auch das die Ressourcen an. Anders ginge es doch gar nicht.
Wenn hier neuerdings Volkserziehung und elitäres Blasendenken zusammenkommen, dann ist das eine unheilige Mischung. Wenn Brecht sagt: Erst kommt das Fressen, dann die Moral, dann frage ich mich, warum es plötzlich umgekehrt sein soll. Nein, durch den gehobenen Zeigefinger ist noch niemand geheilt worden. Aber möglicherweise hat sich hier jemand mit einer steilen These ein paar Glückshormone durch Aufmerksamkeit an prominenter öffentlich-rechtlicher Stelle abgeholt.