Tichys Einblick
Ehemaliger der Universität Potsdam:

„In den Kämpfen an den deutschen Unis geht es um Ideologie, Machtkämpfe und Fleischtöpfe“

Ein geschasster Professor mit seinem ehemaligen Arbeitgeber hart ins Gericht. Diversität, Quote und Gesinnung haben offenbar an der Universität Potsdam höheren Rang als Innovation und Leistung.

MAGO / Stefan Zeitz

Offensiv bunt und mit einem Mann in Frauenkleidern schmückt sich „Portal“, das Potsdamer Universitätsmagazin. Das Cover, das den Zustand der akademischen Kultur in Deutschland passend auf den Punkt bringt, geisterte nicht nur durch die sozialen Medien. Doch die neueste Anekdote von der Diversitätsfront bekam gestern Abend besondere Brisanz.

Grund: Key Pousttchi, der dort von 2015 bis 2020 einen Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Digitalisierung innehatte, nutzte die Gelegenheit, um die internen Vorgänge während seiner Potsdamer Zeit zu kritisieren. „Sieht aus wie lustige Folklore, oder?“, kommentierte Pousttchi das Cover auf Twitter. „Ist es aber nicht. Wer – wie ich – an der Uni Potsdam gearbeitet hat, weiß das.“

— Key Pousttchi ?? (@keypousttchi) May 12, 2022

Der Wirtschaftsinformatiker führte danach mehrere Beispiele in seiner Universitätslaufbahn auf, die das „bunte Treiben“ an der Potsdamer Hochschule belegten. Schon ein Treffen mit dem damaligen EU-Digitalkommissar Günther Oettinger stieß bei den Kollegen auf Kritik. Dass ein Professor, der seinen Universitätsstandort auf den Bereich Digitalisierung spezialisieren will, sich mit dem zuständigen EU-Kommissar trifft, sollte nicht unüblich sein; doch in Potsdam sorgte das für Ärger.

„Gegrummel unter einigen Kollegen: ganz falsche Partei“, erinnert sich Pousttchi. „Obwohl ich in gar keiner bin. Und mich mit dem Landesfinanzminister und seiner Staatssekretärin (beide Linkspartei) sogar häufiger ausgetauscht habe.“ Dass es dem Forscher um die Sache ging, war an der Uni Potsdam unvorstellbar. Er bezeichnete es als „bösen Denkfehler“, geglaubt zu haben, dass das alles keine Rolle spielte. Man bekommt den Eindruck: Distanzeritis, selbst gegenüber EU-Behörden, wenn jemand rechts der Grünen sitzt.

Ein anderes Beispiel. „Einmal reichte ich einen Top-Studenten zum Absolventenpreis der Fakultät ein. Männlich, aus Leipzig, Thema Digitalisierung, Bank. Abgelehnt. Frau, aus Palästina, Thema Flüchtlinge und Handys? Ausgewählt. Eine volle Notenstufe schlechter und geringerwertige Publikation? Egal.“ Folgt man dieser Erzählung, dann bestätigt sich in Potsdam das Vorurteil, dass Gesinnung, Geschlecht und Herkunft über das Fortkommen eine größere Bedeutung haben als die eigene Innovations- und Leistungsfähigkeit.

Im Gegenteil: Offenbar sind im Wissenschaftsbetrieb Leistungs- und Innovationsbereitschaft mittlerweile verpönt. Als Pousttchi einen Elite-Studiengang für Digitale Transformation aufgebaut habe, meldeten sich Studenten von anderen Top-Universitäten in Potsdam. Doch universitätsintern wehte dem Projekt ein kalter Wind entgegen. „Zur Eröffnung war das Fernsehen da. Die Kollegen nicht.“ Diese hätten den Studiengang „massiv torpediert“.

Dafür war auch die Zuordnung des Fachs verantwortlich. Denn der Lehrstuhl gehörte der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät an. Der Dekan hatte demnach Einwände. Der Studiendekan (Soziologe) fand, man könne Leute, die Technikgrundlagen nicht lernen wollten, ja nicht durchfallen lassen. Studenten müssten ‚durchs Studium mäandern können‘. Wörtlich. Erklärte alle für bestanden.

Der nächste Fall zeigt die Deutungshoheit der Ideologien auf. Pousttchi sorgte für einen hohen Frauenanteil unter seinen Studenten; so lag dieser bei rund 40 Prozent. Damit setzte er einen Gegentrend zum häufig lamentierten Frauenmangel in den technischen und naturwissenschaftlichen Fächern? Anerkennung? Zero. Im Gegenteil: Seine Kollegen kämpften gegen das Projekt an.

Pousttchi resigniert angesichts solcher Vorgänge. „Gegen solche Leute gewinnt man übrigens nicht: Am Ende haben sie mich durch rechtswidrige Manipulation aus der Uni gedrängt.“ Hintergrund: Die Professur an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät war vom Softwarekonzern SAP finanziert worden. Als die Finanzierungsphase endete, schrieb die Fakultät die Stelle neu aus, aber die Bewerbung Pousttchis wurde abgelehnt. Der Geprellte zog deshalb vor das Verwaltungsgericht – und bekam Recht.

Dass er trotzdem nicht auf seinen Posten zurückwollte, ist bei diesen Vorgängen nachvollziehbar. Sein Fazit: „Hier geht es niemandem um ‚Diversität‘. In den Kämpfen an den deutschen Unis geht es um Ideologie, Machtkämpfe und Fleischtöpfe – nicht nur bei diesem Thema. Kein Zufall, daß sie zu den wichtigen Zukunftsthemen unserer Gesellschaft erschreckend wenig beizutragen haben.“ Von „Berufsschule 2.0“ oder „politischem Aktionsraum“ halte er nichts. Die Universität müsse „Denkraum und Ort der Begegnung“ sein.

Freiheit der Wissenschaft? Nur, wenn man den ungeschriebenen Kodex der Diversen befolgt. Sonst ist man ganz schnell auf der Abschussliste – da kann man sich um seine Universität noch so sehr bemühen. Der Fall Key Pousttchi steht stellvertretend für den Niedergang der akademischen Kultur in Deutschland.

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