Der „worst case“ ist eingetreten: Ein Milliardär, egozentrisch und ohne jede politische Erfahrung, steht demnächst an der Spitze der Vereinigten Staaten. Auch wenn das Duell zwischen „crazy Donald“ und „crooked Hillary“ keine Sternstunde der Demokratie war, müssen die Amerikaner mit dem Ergebnis leben – und der Rest der Welt muss es auch.
Verloren haben in Amerika nicht nur die Democratic Party und ihre Kandidatin. Ebenfalls verloren haben die Meinungsforscher, die bis zur letzten Minute einen Sieg Clintons vorhergesagt hatten. Verloren haben zudem die Medien, die im Vertrauen auf die Demoskopen die ehemalige First Lady vorzeitig zur Siegerin erklärt haben.
Was am Wahltag in den USA passiert ist, war ein Aufstand der Zukurzgekommenen und der, die sich so fühlen, gegen die Eliten in Politik und Medien. Aus Wutbürgern wurden Wutwähler. Die interessierte nicht, was Trump kann und was nicht, ob er ein übergriffiger Macho ist oder nicht, ob er ein latenter Rassist ist oder nicht: Sie wollten es denen da oben zeigen. Je schärfer das politische Establishment gegen Trump schoss, je gnadenloser die Medien über ihn herzogen, umso sicherer wurden die „little guys“, die „vergessenen Bürger“, dass Trump ihr Mann ist.
Das Misstrauen vieler Amerikaner im unteren Drittel der sozialen Skala gegenüber dem „System“ und „Washington“ dürfte auch dazu geführt haben, dass potentielle Trump-Wähler den Meinungsforschern ihre wahre Absicht nicht verrieten. Gut möglich auch, dass manche Pollster ihre Rohdaten so gewichtet haben, dass Clinton stärker erschien als sie war. Entgegen mancher Hoffnung hat Trumps Rückstand in den Umfragen seine Wähler nicht demotiviert. Weil ihnen der Protest wichtig genug war, gingen sie trotzig zur Wahl, obwohl ihr Mann angeblich kaum eine Chance hatte.
Die großen Verlierer der US-Wahl sind die amerikanischen Meinungsforscher und Medien. Die meisten deutschen Medien, allen voran die öffentlich-rechtlichen Anstalten stehen ebenfalls nicht gerade glänzend da. Sie haben begeistert an einem Bild von Amerika als einem Land gemalt, das exotisch genug ist, einen Außenseiter wie Trump als Kandidaten hervorzubringen, aber zu vernünftig, ihn zu wählen. Da wunderte sich in der Wahlnacht mancher deutsche Kommentator, dass die Amerikaner anders wählten als er es sich gewünscht hätte.
Zu den Verlierern zählen ferner Europa und die Bundesrepublik. All die latent antiamerikanischen Deutschen, am linken wie am rechten Rand, werden sich noch wundern, was es für uns bedeutet, wenn die USA ihre Wirtschaft vor Importen abschirmen und sich lieber auf sich selbst konzentrieren, denn als Weltpolizist aufzutreten. Die Bundesrepublik allein braucht den Kampf gegen den internationalen Terror erst gar nicht aufzunehmen: Ohne Unterstützung der amerikanischen Sicherheitskräfte und der US-Streitkräfte stehen wir auf verlorenem Posten. Wer geglaubt hatte, TIPP wäre die größte Bedrohung für unsere Volkswirtschaft, wird sich eines Tages nach einem solchen Handelsabkommen sehnen.
In der Wahl Trumps spiegeln sich Einstellungen wider, die uns – bei allen Unterschieden – in Europa und in Deutschland wohl bekannt sind:
– ein weit verbreitetes Unbehagen über die Allmacht von Bürokraten, in Washington wie in Brüssel;
– Sparzwänge und geschrumpfte Verteilungsspielräume;
– steigende Kriminalität;
– die Sorge, den eigenen Kindern werde es eher schlechter gehen als einem selbst;
– eine unterschwellige Angst vor dem eigenen wirtschaftlichen Abstieg;
– die Sorge, ob berechtigt oder nicht, vor Überfremdung;
– die Einstellung, die eigene Regierung solle sich in erster Linie um das eigene Land kümmern und nicht um die Probleme anderer Länder.
Deshalb sollte sich niemand täuschen: Trumps Erfolg ist Wasser auf die Mühlen der Radikalen und Populisten in Europa – für den Front National in Frankreich, für die FPÖ in Österreich, für Geert Wilders in den Niederlanden und für die AfD bei uns. So könnten ausgerechnet die, die den Antiamerikanismus von rechts befördern, Nutznießer dieses dramatischen Rechtsrucks in den USA werden. Amerika als „last best hope“, wie Abraham Lincoln 1862 es formulierte – das war einmal.