In der ARD sieht man das Bekanntwerden des Framing Manuals womöglich als Betriebsunfall, doch zeigt sich in diesem Vorgang, und zwar in den Gedanken, die zu Manual und Workshops führten, wie wenig der öffentlich-rechtliche Rundfunk noch öffentlich-rechtlich ist. Bezeichnend ist auch, dass Rainer Meyer bei WELT und TE sich dieses Themas annehmen mussten, während viele andere Zeitungen lieber die Augen vor dem Skandal verschlossen, was den Anschein von Kumpanei erweckt. Erklärt sich diese seltsame Reserve aus dem Umstand, dass man die politischen Grundüberzeugungen teilt und deshalb lieber wegschaut?
Die Debatte, als wirkliche und nicht als Scheindebatte geführt, liegt nicht zuletzt im Interesse des öffentlich-rechtlichen Rundfunks selbst, im Interesse der vielen – und auch das muss einmal gesagt werden – fähigen und professionellen Mitarbeiter, die eine ausgezeichnete Arbeit leisten, oft auch unter Schwierigkeiten. Niemand will auf die Arbeit der Orchester, auf die Hörfunkprogramme, die zuweilen zwar allzu einseitig daherkommen, dennoch einen bedeutenden kulturellen und informativen Beitrag leisten, verzichten. Ich warne also davor, das Kind mit dem Bade auszuschütten, doch müssen wir, um im Bilde zu bleiben, über die Bademeister sprechen.
Wenn die ARD zugibt, dass sie 120.000 Euro für das Manual und für m.E. die Einübung in Techniken der Manipulation an Gebührengelder an Elisabeth Wehling zahlte, dann liegen die Kosten dennoch höher. Ganz abgesehen davon, ob Nebenkosten wie Unterbringung und Fahrgeld angefallen sind, dürfte man die Arbeitszeit entsprechend des Gehaltes der zuschulenden Mitarbeiter der ARD dazurechnen, sprich den Arbeitsausfall. Die Reaktion der ARD auf das Bekanntwerden des Skandals war zunächst Schweigen, dann ein Interview mit der Generalsekretärin Susanne Pfab, in dem Pfab demonstrierte, wie gut sie Wehlings Lehre und die Technik des Framings bereits verinnerlicht hat, und das ansonsten nur durch Arroganz bestach. Die gleiche Arroganz übrigens, die überbezahlte ARD-Hierarchen wie der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm, der vormals Merkels Regierungssprecher war, soviel zur angeblichen Staatsferne, oder der Chefredakteur Rainald Becker an den Tag legen, wenn sie die „Aufregung“ über das Framing Manual als „übertrieben“ hinstellen.
So schreibt die WELT: „Die Aufregung um das Papier halte ich für völlig übertrieben“, teilte der ARD-Vorsitzende und Intendant des Bayerischen Rundfunks, Ulrich Wilhelm, am Dienstag mit. Die Initiative, sich mit Sprache und ihrer Wirkung eingehender zu beschäftigen, reicht nach Angaben von Vorsitz und Generalsekretariat der ARD zurück in die Zeit vor rund zwei Jahren, als Medien generell stark kritisiert worden seien.“
120.000 Euro – mindestens – Gebührengelder wurden also nicht dafür ausgegeben, um den Ursachen der Kritik auf den Grund zu gehen und als öffentlich-rechtlicher Sender die Kritik zu bewerten und Missstände abzustellen, sondern es wurde in bester Wagenburgmentalität nach Abwehrmaßnahmen gegen die öffentliche Kritik gesucht. Die Kritiker wurden zu Feinden erklärt und die Mitarbeiter in Techniken geschult, wie der Gebührenzahler bei Laune gehalten werden kann.
Die Gehälter sind keine Marktpreise. Journalisten wie Claus Kleber oder Anne Will, die bekannt durch ihre Sender geworden sind, nutzen diese Bekanntheit aus, gründen eigene Firmen, um durch sie die Ware Bekanntheit, die auf öffentlich-rechtliche Kosten entstanden ist, an die gleichen öffentlich- rechtlichen Sender zu verkaufen. Ganz abgesehen, dass sie an Büchern verdienen, die nur aufgrund ihrer Bekanntheit, die sie dem Sender und letztlich den Gebührenzahlern zu verdanken haben, zustande kommen. Müssten nicht auf die Gewinne dieser Firmen und der Buchproduktion eine Art Agglomerationsabgabe gelegt werden, damit der Gebührenzahler Anteil am Erfolg haben, den sie mitermöglichten?
Wie ist denn die Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gewährleistet, wenn der früherer Regierungssprecher Ulrich Wilhelm nun Intendant des Bayrischen Rundfunks ist und der aktuelle Regierungssprecher vom ZDF kommt, und ihm möglicherweise ein Rückkehrrecht zum Sender eingeräumt wurde – als künftiger ZDF-Intendant, wenn Thomas Bellut 2020 oder 2021 in den Ruhestand geht – vielleicht?
Dass Rainald Becker im Nachhinein meint, dass man das Framing Manual selbst hätte veröffentlichen sollen, weil man nichts zu verbergen hätte, belegt nur die Bürgerferne und die unglaubliche Arroganz in den Chefetagen der Öffentlich-Rechtlichen. Wenn man es gewollt hätte, hätte man es tun können, allein man wollte nicht, denn man hat es nicht getan. Hatte man am Ende doch etwas zu verbergen?
Die Framing-Manual-Affäre und der Umgang mit dem Skandal zeigen, wie reformbedürftig die öffentlich-rechtlichen Sender sind. Die Rundfunk- und Fernsehräte sollten wissen, dass die Reform nicht mehr mit den derzeitigen Senderführungen ins Werk zu setzen ist. Sie tragen Verantwortung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der sie nun gerecht werden müssen. Eine Reform an Haupt und Gliedern ist notwendig, die nicht nur strukturell, wie bisher angedacht, sondern auch inhaltlich in Angriff genommen werden muss. Es ist höchste Zeit, die Uhr steht auf 2 Minuten vor Zwölf. Hierfür tragen die Rundfunk- und Fernsehräte direkt und persönlich die Verantwortung.