Tichys Einblick
Das Hamburger Votum ist typisch deutsch

NOlympia war ein Ja zur Schrebergarten-Idylle

Die Hamburger haben nicht nur einer abgehobenen, teilweise korrupten Funktionärs-Kamarilla und der Politik die rote Karte gezeigt. Es geht tiefer.

© Fotolia

Ach, man möchte so gerne glauben, die Hamburger hätten allein aus nachvollziehbaren, rationalen wie emotionalen Gründen Nein zu Olympischen Spielen in ihrer Stadt gesagt. Denn man kann das alles nicht abstreiten:

So weit so gut oder so schlecht – je nach Betrachtungsweise. Doch das Nein zu „Hamburg 2024“ offenbart auch einen Charakterzug der deutschen Wohlstandsbürger: ihre Ablehnung jeglicher Veränderung in ihrer näheren Umgebung, ja ihre Angst davor, in ihrem Schrebergarten könnte plötzlich das große Durcheinander ausbrechen. Denn von einem darf man ausgehen, die Mehrheit der Hamburger hätte nichts dagegen, wenn „die Jugend der Welt“ in Berlin oder München zusammenkäme. Hauptsache, weit weg von der eigenen Haustür. Und natürlich werden die Nein-Sager von Hamburg und ihre Claqueure im Rest der Republik mit Spannung verfolgen, wie der olympische Geist an Orten weht, in denen eine diktatorische Obrigkeit das Volk erst gar nicht fragt, was es will. Das stört den deutschen Olympia-Muffel überhaupt nicht. Hauptsache „wir“ holen viele Medaillen und das Bier reicht für die Live-Übertragung.

Das Hamburger Referendum passt zum neuen Deutschland der Selbstgefälligkeit und Bräsigkeit, zum Volk der Nörgler und Schwarzseher, zur Heimat von „le waldsterben“ und „German Angst“, zur allseits spürbaren schlechten Laune. Das Motto lautet: Ja keine Veränderung, ja keine Baustellen, lasst alles, wie es ist: „Für mich reicht’s“. Deshalb ist es so schwer, in diesem Land noch irgendein Großprojekt in Angriff zu nehmen, dessen Fertigstellung mit Unannehmlichkeiten verbunden und dessen Nutzen nicht unmittelbar zu spüren ist. Einige Beispiele gefällig?

Die Hamburger haben eben nicht nur einer abgehobenen, teilweise korrupten Funktionärs-Kamarilla die rote Karte gezeigt. Die Hamburger haben einen Blick in die Seele des deutschen Michel erlaubt:

Der scharfzüngige, leider zu früh verstorbene Publizist Johannes Gross schrieb schon vor einem Vierteljahrhundert: „Die Deutschen sind ein übel gelauntes Volk, dem es gut geht.“ Inzwischen geht es diesen Deutschen noch besser – und ihre Übellaunigkeit ist noch größer. „NOlympia“ ist das Synonym dafür.

Die mobile Version verlassen