Stationen des politischen Niedergangs der FDP: Am Montagvormittag sitzt ihr Chef Christian Lindner in der Pressekonferenz zur Kindergrundsicherung. Dort verkündet er, dass es gelungen sei, Anreize zu verhindern, nicht in Arbeit zu gehen. Am Dienstagmorgen verkündet Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD): Die Ampel erhöht zum Jahreswechsel das „Bürgergeld“ auf 563 Euro. Zwölf Prozent zusätzlich als Inflationsausgleich für Menschen, die nicht arbeiten.
Bevor die Klausur der Ampel in Schloss Meseberg losging, sprach Kanzler Olaf Scholz (SPD) warme Worte. Ihm nahestehende Medien transportierten die Botschaft, dass er ein Signal der Geschlossenheit aus Brandenburg ausstrahlen will. Doch genau vor der Sitzung haut sein Parteifreund Heil den Hammer mit dem Bürgergeld raus. Entweder ohne das Wissen Lindners. Dann hat der Sozialdemokrat den Finanzminister düpiert. Oder mit dem Wissen Lindners. Dann ist der nicht mehr als ein wehrloser Dampfplauderer – und letztlich auch düpiert.
Was auch immer am Ende der Klausur verkündet wird – vermutlich ein Versprechen, die Ampel arbeite künftig harmonisch zusammen –, es wird nicht aufrichtig sein. Es wird nicht stimmen. Warme Worte, wertlose Worte. Scholz ist fest entschlossen, Dinge schön zu reden. Vor der Klausur spricht er von der „Tatsache, dass unsere Konjunktur noch mehr Wachstum verkraften kann“. Noch mehr? Im zweiten Quartal war das Wachstum in Deutschland bei null, davor ging es zweimal in Folge zurück. Scholz hätte gerne „noch mehr“ davon.
Auch will Scholz „den Bürokratieabbau voranbringen“. Zuletzt sei der Verwaltungsaufwand massiv gestiegen, klagt am gleichen Tag die Deutsche Industrie- und Handelskammer von Berlin aus. Wenn Scholz in diesem Zusammenhang „Bürokratieabbau voranbringen“ will, ist das übelstes PR-Sprech, an den Nöten der Wirtschaft vorbei. Scholz ist zu warmen Worten entschlossen – koste es, was es wolle.
Koste es, was es wolle, ist ohnehin der rote Faden der Politik des Finanzministers und Kanzlers, unter dem sich die Bundesrepublik so stark verschuldet hat wie nie zuvor. Mit 2,4 Billionen Euro steht der Staat laut Statistischem Bundesamt in der Kreide. Noch vor dem Beginn der Klausur haut Scholz’ Parteifreund Heil aber raus, dass das Bürgergeld um 61 auf 563 Euro erhöht wird. Dieses Jahr gibt der Staat voraussichtlich 42 Milliarden Euro für das Bürgergeld aus, nächstes Jahr sind es dann 46 Milliarden Euro. Vorausgesetzt, die Zahl der Empfänger steigt nicht weiter – wie zum Beginn dieses Jahres. Die Ampel setzt die Politik des hemmungslosen Geldausgebens weiter fort.
3,7 Millionen erwerbsfähige Menschen waren 2022 im Schnitt Empfänger von Hartz IV, dem Vorgänger des Bürgergelds. 3,9 Millionen erwerbsfähige Menschen waren es bereits im Februar 2023. Innerhalb von nur einem Jahr hat die Ampel die Bezüge von zur Arbeit fähigen, aber nicht arbeitenden Menschen um 25,4 Prozent erhöht. Das sind Lohnsteigerungen, von denen selbst Piloten und Fluglotsen nur träumen können. Von Kellnern, Verkäuferinnen oder Pflegern ganz zu schweigen. Nur bezahlen dürfen sie das „Bürgergeld“ für 3,9 Millionen erwerbsfähige Menschen, die nicht arbeiten.
Deutschland hat ein Arbeitskräfteproblem. Etwa in der Pflege, dem Handel oder der Gastronomie. Wer in diesen Bereichen arbeitet, zahlt seit Jahresbeginn mehr für die Krankenkasse, seit Sommer mehr für die Pflege und zum Jahreswechsel wieder mehr für die Krankenkasse. Nicht arbeitende Menschen bekommen dafür dann 563 Euro und eine gratis Wohnung. Menschen mit schlechten Gehältern müssen nachrechnen, ob es sich dann noch für sie lohnt zu arbeiten. Lautet die Antwort nein, verschärft sich der Arbeitskräftemangel – aber die Ampel löst halt keine Probleme. Das geht nach Meseberg so weiter. Was sich zeigte, noch bevor Meseberg losging.