Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) kneift und fällt wieder einmal um. Er verzichtet auf eine berechtigte Strafanzeige gegen eine Kampagne-Journalistin der linken Tageszeitung taz wegen eines unsäglichen Kommentars, in dem die Autorin deutsche Polizisten auf der Müllhalde entsorgen will. Laut linker taz-Aktivistin sollten Polizisten „streng genommen … nicht einmal in die Nähe von Tieren“ gelassen werden. Sie gehörten auf „die Mülldeponie“, wo sie „von Abfall umgeben sind“ und sich „unter ihresgleichen … bestimmt auch selber am wohlsten“ fühlten. Stattdessen lädt Seehofer jetzt die Chefredaktion des Linksblatts ein, um mit ihr die „Wirkung des Textes“ zu besprechen. Von einer eigenen Strafanzeige ist nicht mehr die Rede. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zuvor mit ihm gesprochen und ihren Minister wieder einmal auf Linie gebracht. Pressefreiheit statt Pressekodex wird vorgeschützt. Seehofer hat sich als oberster Vertreter seiner Polizei erneut als Feigling präsentiert. Er hat seine Beamte nach den brutalen Angriffen in Stuttgart im Stich gelassen.
♦ Als Amtschef für Inneres hatte Seehofer bereits seinen Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen eiskalt geopfert und fallen lassen, weil der Verfassungsschützer die zweifelhafte Ansicht von Kanzlerin Merkel nicht bestätigen wollte – in Chemnitz hätte es angeblich Menschenjagden auf Migranten gegeben. Dabei wurde zuvor der 35-jährige Daniel H. auf dem Chemnitzer Volksfest am 26. August 2018 von zwei Asylbewerbern – ein jetzt verurteilter 23-jähriger Syrer und ein noch flüchtiger 22-jähriger Iraker – mit zahlreichen Messerstichen brutal ermordet. Die Kanzlerin startete nach Chemnitzer Bürgerprotesten ein Ablenkungsmanöver über angebliche Menschenjagden auf Migranten, in dem sie sich auf ein Video der linksradikalen Plattform „Antifa Zeckenbiss“ stützte. Die dubiose Herkunft des Videos ist hier auf Tichys Einblick nachzulesen. Seehofer versetzt Maaßen nach mehreren kritischen Äußerungen an Merkels These im November 2018 in den einstweiligen Ruhestand. Das Bundeskanzleramt konnte später außer dem 19-sekündigen, linksradikalen Video von „Antifa Zeckenbiss“ keine Beweise für Menschenjagden vorlegen.
♦ Selbst in der Asylpolitik fällt Bundesinnenminister Seehofer ständig um und weicht den einst harten CSU-Kurs auf. Nach Gesprächen mit „Lifeline“-Kapitän Claus-Peter Reisch sprach sich Seehofer im Sommer 2019 dafür aus, wieder Bootsflüchtlinge aufzunehmen. Er überraschte im Juli mit der Ankündigung, Deutschland werde 40 aus dem Mittelmeer gerettete Flüchtlinge beherbergen – „im Geiste der europäischen Solidarität“. Seehofer will künftig dabei sogar eine „Koalition der Hilfsbereiten“ anstreben, bei der die EU-Länder zusammenarbeiten sollen, die sich zur Aufnahme von Asylbewerbern bereit erklären.
♦ Seehofers Schwanken in der Asylpolitik ist eine einzige Blamage, obwohl er die ungezügelte Migration einmal als „Mutter aller Probleme“ bezeichnete.
♦ Auf dem CSU-Parteitag im November 2015 hielt Seehofer seiner damaligen Gegnerin in der Asylpolitik noch eine Standpauke. 13 Minuten musste die Kanzlerin wie ein Schulmädchen neben Seehofer stehen, der eine Begrenzung der Zuwanderung fordert. Im Gegensatz zu ihr erntete er großen Beifall.
♦ Auf der Klausur in Wildbad Kreuth im Januar 2016 legte sich Seehofer zum ersten Mal auf eine konkrete Obergrenze von maximal 200.000 Flüchtlinge pro Jahr fest. Ende Januar schickte die bayerische Staatsregierung einen Brandbrief ans Kanzleramt: Die Bundesregierung möge dringend ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik ändern. Der Brief schließt mit der Drohung, Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Flüchtlingspolitik einzureichen. Nichts davon ist passiert.
♦ Im Juli 2017 beschließen CDU und CSU ihr Programm für die Bundestagswahl 2018 einstimmig – die von Seehofer und der CSU großspurig geforderte Obergrenze fehlt.
♦ Anfang Juli 2018 kündigte Seehofer während einer Sitzung der erweiterten CSU-Parteiführung überraschend an, den Parteivorsitz und sein Ministeramt in Berlin aufzugeben. Wenig später ruderte er wieder zurück, und rettete seine politische Zukunft mit einem klassischen Umfaller durch Einschwenken auf die CDU-Linie von Kanzlerin Merkel im Asylstreit. Seehofers Ansicht, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, hat er heute zur Worthülse degradiert.
♦ Seehofer drehte und wendete sich auch in seiner Zeit als bayerischer Ministerpräsident.
♦ Um 2016 lehnte Seehofer noch den geplanten Bau von zwei Stromtrassen in Bayern ab, obwohl er im Vorfeld diesen Projekten seine Zustimmung gegeben hatte. Denn die beiden Stromtrassen sollen Windstrom von der Nord- und Ostsee in den stark industrialisierten Süden Deutschlands bringen. Dennoch legte Seehofer den Schalter um auf Stopp. Nach langen Verhandlungen konnte er zwar deren Bau nicht verhindern, allerdings mussten die Leitungen komplett unterirdisch verlegt werden.
♦ Noch im Juli 2010 befürwortete Seehofer als bayerischer Ministerpräsident eine unbegrenzte Laufzeitverlängerung für die 17 deutschen Kernkraftwerke. Ausschließlich die Sicherheit des einzelnen Kernreaktors solle Richtschnur für zukünftige Laufzeiten sein. Zusätzliche Belastungen für Stromkonzerne lehnte er ausdrücklich ab. Nach dem Nuklearunglück von Fukushima 2011 kippte Seehofer mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gemeinsam schnell um. Plötzlich war er für die sofortige Abschaltung der ältesten Kernkraftwerke und einen schnellstmöglichen Kernenergieausstieg. Bayerns ältestem Kernkraftwerk Isar 1 ließ der Umfaller im Sommer 2011 sofort die Betriebserlaubnis entziehen.
♦ Ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl 2005 bezeichnete Horst Seehofer bei einer Buchvorstellung ausgerechnet von Oskar Lafontaine die Hartz-IV-Reformen „als politisch wirkungslose Maßnahmen“. Dabei hatte die Union diese Arbeitsmarktreformen im Bundesrat mit der SPD ausgehandelt. Seehofer hat sie dann als Bundesminister in zwei Kabinetten unter Kanzlerin Merkel brav umgesetzt.
♦ Was zu beweisen wäre – q.e.d. Seehofer hat sich sein Image als Wendehals bei der politischen Konkurrenz selbst verdient: „Das ist Horst Drehhofer – was stört mich mein Geschwätz von gestern“, charakterisierte einst Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel den bayrischen Ministerpräsidenten beim politischen Aschermittwoch 2012.