Wissen ist Macht, dieses Diktum soll vor etwa vierhundert Jahren Francis Bacon geprägt haben. Noch genauer kann man sagen: Wer das Wissen kontrolliert, übt Macht aus. Deshalb üben totalitäre Regime wie das kommunistische China auch eine strikte Kontrolle und Zensur über das Internet aus.
Im Westen holen sich zunehmend viele Leute ihr Wissen aus der stetig wachsenden Internet-Enzyklopädie Wikipedia mit bislang schon über sechs Millionen Einträgen. Hunderte Millionen Nutzer steuern die Seite immer wieder an. Geschrieben wird Wikipedia von mehreren hunderttausend Personen; in Deutschland sind geschätzt 20.000 Nutzer mehr oder weniger aktiv, die in einer gewissen hierarchischen Ordnung stehen. Es gibt das Fußvolk und jene, die durch sehr häufige Mitarbeit eine Stellung als „Sichter“ (mit höheren Editierrechten) oder als herausgehobene „Administratoren“ erringen. Knapp 200 Administratoren gibt es in der deutschsprachigen Wiki, sie können Nutzer blocken oder Artikel sperren. Durch Quantität steigt man auf. Gründer Jimmy Wales meinte, „Fake News“ hätten auf Wiki praktisch keine Chance, weil ja tausende und abertausende Augen darüber wachten.
Wie problematisch es ist, Wikipedia als neutrale Enzyklopädie anzusehen, wurde schon oft nachgewiesen. Gerade bei politisch, historisch oder sozial heiklen, umstrittenen Themen, gibt es oft eine klare Tendenz und regelrechte „Edit-Wars“ – also Kämpfe darum, was in die Artikel hinein darf und was nicht, wie der Tenor der Einleitung sein soll etc.. Schon ein flüchtiger Blick über Wikipedia-Einträge zeigt, dass es eine spürbare linke Übermacht unter den Autoren gibt, die mit Argusaugen über den „richtigen Tenor“ wachen. Wie generell unter jüngeren Akademikern ist auch unter Wikipedia-Autoren zweifellos die Überzahl politisch eher links, grün und „progressiv“ eingestellt.
Die hessische Grünen-Ministerin Angela Dorn, zuständig für Kultur und Wissenschaft in der schwarz-grünen Koalition in Wiesbaden, will nun weiter gehen. Sie will mehr Feminismus in die Online-Enzyklopädie injizieren. „Wikipedia soll weiblicher werden“, heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung ihres Ministeriums. Hessen wird 50.000 Euro ausgeben, um „Wikipedia-Einträge von und über Frauen“ zu fördern und damit eine „Gender Knowledge Gap – die Lücke im Wissen um die Rolle von Frauen“ zu schließen, so die Ministerin.
Konkret gibt das Ministerium nun das Geld der Steuerzahler zwei Vereinen („Kinothek Asta Nielsen“ sowie „FIM – Frauenrecht ist Menschenrecht“), die dann offenbar Schreiber von Wiki-Artikeln bezahlen. Das hält Kulturministerin Dorn für wichtig und förderungswürdig. „Derzeit sind nur knapp zehn Prozent der Wikipedia-Einträge von Frauen geschrieben, nur 16 Prozent der biografischen Einträge in der deutschsprachigen Wikipedia behandeln Frauen. Wissen ist Macht – und selbst im Jahr 2020 ist dieses Wissen noch sehr männlich dominiert“, sagt Dorn.
Ihre Aussage und das Quotendenken ist auf so vielen Ebenen unsinnig, dass man kaum weiß, wo man anfangen soll. Wissenschaftstheoretiker können die Augen rollen. Dass Wissen „sehr männlich dominiert“ sei, findet Dorn. Was aber soll „männliches Wissen“ sein?
Vom CDU-Koalitionspartner war kein kritischer Mucks zu hören, auch die FDP schwieg zu den 50.000 Euro für feministische Wikipedia-Schreiber.
Die Ministerin hat zwei konkrete Beispiele für „staatlich geförderte“ Wiki-Artikel gegeben: In einem Artikel über das Prostitutionsschutzgesetz seien „die Leistungen hessischer Frauen“ hervorgehoben worden und an anderer Stelle „das Wirken von Frauen für die Film- und Kinokultur“.
Der Bund der Steuerzahler wird in seinem nächsten Schwarzbuch zur Steuergeldverschwendung vielleicht diese mit 50.000 Euro recht üppig geförderten Artikelchen genauer anschauen. Aber auch die Wikipedia-Foundation könnte kritische Fragen stellen. Denn eigentlich ist es unter Wikipedia-Autoren verpönt, im bezahlten Auftrag zu schreiben.
Die hessische Grünen-Politikerin liefert einen gefährlichen Präzedenzfall, der die Wikipedia-Enzyklopädie als „freie“ und halbwegs verlässliche Informationsquelle beschädigen kann. Denn wenn der deutsche oder hessische Staat einmal beginnt, einzelne Artikel umzuschreiben zu lassen, damit sie den ideologischen Vorlieben einer (grünen) Ministerin entgegenkommen, dann wird damit legitimiert, dass staatliche Stellen generell beginnen, Wikipedia in ihrem Sinne umzuschreiben (und nach Wikipedia was?). Was sagte Wiesbaden dann, wenn auch Moskau oder Peking bezahlte Wiki-Autoren losschickt? Die Machthaber in Moskau und Peking könnten argumentieren, das Wissen sei „zu westlich dominiert“…
Man darf natürlich nicht so naiv sein zu glauben, dass nicht schon längst staatlich-politische Stellen genau wie private Interessen oder Lobbyisten dabei sind, die heiklen Themen in der vermeintlich freien Enzyklopädie zu manipulieren, doch so offen und angekündigt wie Ministerin Dorn dies tun will, geschieht es bislang nicht. Sie verletzt das Grundprinzip der Enzyklopädie. Man darf gespannt sein, ob die Grünen-Ministerin bei ihrem Vorhaben noch Gegenwind erfährt.