Heribert Prantl, der für seine Pro-Grundrechtshaltung bekannte Journalist der „Süddeutschen Zeitung“, hat einen Gastkommentar für den österreichischen Standard geschrieben. Darin rechnet er mit der schleichenden Aushöhlung der Grundrechte ab. „Grundrechte sind keine Belohnung, keine Gratifikation, kein Bonus, kein 13. Monatsgehalt. Sie sind einfach da, jeder hat sie, jeder darf sie in Anspruch nehmen“, schreibt Prantl. Sie gelten auch unabhängig vom Impfstatus.
Im „Staat der Pandemie“ sei das jedoch anders: „Da ist man nicht von vornherein und für immer mit Grundrechten geimpft, da wird man für seine Grundrechte geimpft.“ Wer sich nicht impfen lasse, werde zwar nicht „festgehalten und zwangsgespritzt“, aber eben doch gedrängt und gegängelt. Das Motto sei „wer nicht hören will, muss fühlen“: Weil man sich nicht ‚solidarisch‘ verhalte, werde man aus der Solidargemeinschaft verstoßen. Doch die solidarische Gesellschaft sei nicht nur für die da, die angeblich alles richtig machten, meint Prantl: „Sie ist auch für die da, die echt oder angeblich einiges falsch machen. Solidarität hängt nicht davon ab, dass der, der Hilfe braucht, sich so verhält, wie es sich die anderen erwarten.“ Aktuell verabschiede sich die Gesellschaft jedoch von dieser Solidarität, die sie ausmachen sollte.
Das „Corona-Denken“, wie Prantl es nennt, sei dabei, die Individuellen Grundrechte zu vergemeinschaften und einer „Volksgesundheit“ unterzuordnen. „Die Individualrechte werden kollektiviert. Der einzelne Mensch und seine Rechte treten zurück hinter dem Großen und Ganzen, hinter kollektiven Werten. Ein freiheitsfeindlicher Zeitgeist diskreditiert Grundrechte als Egoistenrechte.“ Das sei falsch, schreibt er – „es sind schlicht Rechte, die vorraussetzungslos gelten, für jeden; man kann und muss sie nicht erwerben, auch nicht durch eine Impfung. Sie gelten für Geimpfte und Ungeimpfte.“
Die Menschen, so Prantl, würden durch die Pandemiepolitik daran gewöhnt, dass heftige EInschränkungen der Grund- und Bürgerrechte zu den Bewältigungsstrategie einer Krise gehörten – und dass das Unverhältnismäßige als Verhältnismäßig gelte. Immer begleitet von dem Gerede, dass man sich seine Grundrechte ja durch ein bestimmtes Verhalten könne. „Die Individualgrundrechte werden aber auf diese Weise nicht nur eingeschränkt, sie verändern auch komplett ihren Charakter.“
Er sei für das Impfen, aber gegen eine Impfpflicht, schreibt der SüZ-Journalist. Diese sei „kein probates Mittel , um Menschen vom Sinn einer Impfung zu überzeugen“ – zumal dann nicht, wenn die Politik monatelang versichert hätte, dass sie nicht komme. „Mit Haudrauf, Bedrängen, Beschimpfen und Beleidigen gelingt das Werben für das Impfen auch nicht. Das gelingt mit kluger Aufklärung“, ist Prantl überzeugt. Die stattdessen stattfindende Dämonisierung, das Impf-Shaming und der massive soziale Druck sei falsch: „Wer eine Impfung aus irrationalen Ängsten heraus ablehnt, der ist deswegen kein Verfassungsfeind. Es ist auch derjenige kein Verfassungsfeind, der einem paternalistischen Staat misstraut, der also befürchtet, dass die Fürsorglichkeit des Staats obsessiv und dauergrundrechtsbedrängend werden könnte.“ Mehr Zwang führe nicht zu mehr Ergebnissen, sondern sei kontraproduktiv. Deswegen schließt Prantl mit dem Ruf nach rhetorischer „Abrüstung in der Corona-Debatte“. Für die nächsten Monate fordert der Autor eine „3-A-Regel“: „Abrüstung, Aufklärung und Achtung der Grundrechte.“
Prantl sagt: „Man kommt geimpft auf die Welt. Man kommt auf die Welt und ist von da an und zeitlebens geimpft mit Grundrechten.“