Was mir von Helmut Kohl bleibt, ist zunächst einmal eine späte persönliche Erinnerung: 2006 war ich Gast der Premiere des Films „Dresden“, der auch Kohl beiwohnte. Er in der ersten Reihe, ich irgendwo unter ferner liefen oben im Rang, wo man die Schreiberlinge hinsetzte.
Kohl kam auf den letzten Drücker. Quälend langsam schleppte er sich zum zentralen Mittelplatz, seine zarte zweite Frau im Schlepptau. Dann Licht aus und auf der Leinwand brach die Hölle über Dresden los. Infernalische Lautstärke, die in der ersten Reihe auf eine Weise körperlich spürbar gewesen sein musste, um die ich dort vorne niemanden beneidete. Noch weniger, wenn man körperlich so überproportioniert war, wie Helmut Kohl dort an der Dresdner Kinofront kurz vor dem leeren Orchestergraben.
Spät am Abend gab es noch einen Empfang in der Gläsernen Manufaktur von Volkswagen. Und da kam er dann mit dem Phaeton vorgefahren und durch die weit geöffneten silberfarbenen Tore, in entgegen gesetzter Richtung der voluminösen Oberklasse Volkswagen, die hier sonst alltags in großer Inszenierung hinausschwebten dem neuen Besitzer entgegen – wie fliegende Panzer.
Der Phaeton ist längst Geschichte, Kohl war es damals schon: einerseits ein von der Spendenaffäre selbstbeflecktes Denkmal und andererseits eben unwidersprochen Macher der Einheit. Beides in Personalunion.
Ich denke heute manchmal, in Helmut Kohls Großtat war der Abgesang auf Deutschland schon programmiert: Eine Bundesrepublik, wie wir sie wider Willen lieben gelernt hatten. Erst fiel die D-Mark, dann die Grenzen. Dann kam Angela Merkel als Gerichtvollzieherin.
Nun ist „Der Kanzler“ tot, denn das wird wohl zukünftig sein Titel sein. Alle anderen verblassen. Mit Kohl stirbt endgültig auch diese Bundesrepublik, wie wir sie kannten. Er hatte diesem vergangenen Deutschland der sozialen Marktwirtschaft eine letzte strahlende Supernova beschert und sie damit leider gleichzeitig zu Grabe getragen.
Merkels neues deutsches Wirtschaftswunder war schon eines der Eliten, hier saßen Millionen schon am Katzentisch. Bei Kohl saßen sie noch im Nacken in Gestalt der Sozialdemokraten, die diesen Namen damals noch irgendwie verdient hatten. Sie meinen auch, die Lorbeeren für die Einheit wird Kohl keiner mehr nehmen können? Nein, seine Nachfolgerin hat schon zu Kohls Lebzeiten begonnen, Kohls offene Rechnungen zu begleichen.
Nein, dieser Helmut Kohl war leider nicht gut für Deutschland. Aber wer wäre besser gewesen? Und vielleicht wollte er tatsächlich nur das Beste. Viele sehen es heute so. Ruhe er in Frieden. Ein komisches Bauchgefühl, dass alles noch viel schlimmer kommt, wird ihn auf seinem letzten Gang begleiten.