Tichys Einblick
Ausschuss zum Gebäudeenergiegesetz

Heizungsgesetz: „Verfahren nicht akzeptabel“

Bei der Anhörung zum Heizungsgesetz gibt es niemanden, der mit dem Entwurf zufrieden ist. Die Mängel und Probleme sind zahlreich. Es ist ein schlechtes Gesetz mit langer Vorankündigung. Nicht einmal ein Termin steht auf der Tagesordnung.

IMAGO / Political-Moments

Selten wird eine Anhörung mit diesen Worten flankiert: „Wir wollen das nicht wiederholen.“ Die Ampelparteien bitten um Verzeihung, weil nun alles Schlag auf Schlag gehen soll. Erst Freitagmittag stand der Gesetzentwurf fest, die eingeladenen Sachverständigen durften also die Herkulesarbeit bewältigen, nicht nur die 111 Seiten Gesetzentwurf zu lesen und zu bewerten, sondern auch noch mit anderen Mitgliedern zu beraten und pünktlich zum Montagmorgen schriftliche Stellungnahmen vorzulegen. Anforderungen, die für die Bundesregierung nie zu bewältigen wären.

Das erinnert an die heutige Meldung, dass die Bundesregierung im Grunde auch nicht weiß, was für Kosten sie den Ländern aufbürdet, wenn die Schulen auf Wärmepumpen modernisiert werden müssen. Der Bund gibt die ideologische Linie vor, wie diese in der Realität durchzusetzen sind, den Rest müssen andere regeln, ob nun Länder und Gemeinden oder Mieter und Vermieter.

Neuerlich: „Wir wollen das nicht wiederholen“? Wie viel gilt so ein Ampelwort, wenn etwa bei der Vorbereitung des Wahlgesetzes kurz vor Verabschiedung im Bundestag plötzlich die Grundmandatsklausel gestrichen wurde? Auch damals eine Wende, kurz vor der Ziellinie. Auch damals die Bitte der Opposition, mehr Zeit zu geben. Auch damals ging die Bundesregierung nicht darauf ein. Die Ampel regiert, so es nicht zum Bruch kommt, noch zwei Jahre. Es ist also gerade einmal Ampel-Halbzeit, da bleibt genügend Platz für Wiederholungen.

Ein Kuriosum fällt zu Beginn der Sitzung auf. Die Deutsche Umwelthilfe oder eine vergleichbare Organisation waren nicht anwesend. Stattdessen ist mit Axel Gedaschko ein Vertreter der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland dabei. Zur Abwechslung wird also das Lager der Betroffenen gestärkt. Der Ton in der Sachverständigenrunde ist dieses Mal etwas gereizter als vorher. Es sei „unmöglich“, das Gesetz seriös zu beraten, sagt Andreas Jung (CDU) bei seiner ersten Frage. Das Heizungsgesetz dürfe diese Woche nicht auf die Tagesordnung.

Die Meinung teilen nicht nur Oppositionspolitiker. Das Verfahren habe „am Vertrauen genagt“, sagt Kerstin Andreae. Andreae ist Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft. Früher war sie stellvertretende Fraktionschefin der Grünen. Heute sitzt sie im Rat der Agora Energiewende. Aber selbst Andreae, die demnach eine Vorgeschichte hat, sieht zwar Verbesserungen im Entwurf, übt aber Kritik. Man spüre „ein gewisses Misstrauen im Hinblick auf die Wasserstoffnutzung im Wärmemarkt“.

Andreae ist nicht die einzige Sachverständige, die auf das Verfahren eingeht. Deutlicher wird Markus Staudt, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Heizungsindustrie. In der Frist, die gesetzt worden sei, sei es kaum möglich gewesen, eine Stellungnahme zu stemmen. Die Kommunikation, die dem Gesetz voran ging, hätte zu einer massiven Verunsicherung am Heizungsmarkt geführt, auch bei Heizungsbauern. Man sehe „erste Bremsspuren“ beim Kauf, obwohl es zuvor positive Entwicklungen auf dem Heizungsmarkt gegeben hätte. Die potenziellen Kunden spekulierten nun auf Förderungen. Damit könnten man die angestrebten Verkaufszahlen bei der Wärmepumpe für nächstes Jahr verfehlen.

Letzterem stimmt auch Martin Sabel zu, der als Geschäftsführer des Bundesverbandes Wärmepumpe ebenfalls Mängel am Gesetz aufzeigt. Die Wärmepumpe sei zwar die Technologie der Zukunft. Demzufolge warnt er davor, nicht neuerlich den Anschluss bei einer „Schlüsseltechnologie“ zu verpassen. Dennoch habe die in Aussicht gestellte Förderung bereits jetzt Negativeffekte. Die Gefahr bestehe, dass der „Attentismus“ dazu führe, dass er sich in den nächsten Monaten negativ auf den Wärmepumpenverkauf auswirken könnte. Verbraucher, die zu früh kauften, würden „bestraft“.

Nur kurzes Lob, dann heftige Einwände folgten von Sebastian Bartels vom Berliner Mieterverein. Zwar gebe es nun einen besseren Mieterschutz als im ersten Entwurf – das liege aber vor allem daran, dass es im ersten Entwurf gar keinen Mieterschutz gegeben hätte. Es handele sich immer noch um einen sehr schwachen Mieterschutz. Kritik übte er wie schon in der letzten Sitzung an der dauerhaften Modernisierungsumlage. Die Eile des Verfahrens führe außerdem dazu, dass der Justizausschuss nicht zu Rate gezogen werden könne. Auch Kay Ruge vom Deutschen Landkreistag nannte das Verfahren „nicht akzeptabel“.

Helmut Bramann vom Zentralverband Sanitär Heizung Klima lobte zwar die verbesserte Technologieoffenheit am Entwurf, machte jedoch Zweifel bezüglich der Expertenberatung beim Einbau geltend. Diese müsste „wesentlich vereinfacht“ werden, denn Berater gebe es nicht in Unmengen. Die Klausel könne zu einem „Hindernis für den Modernisierungspfad“ werden. Christine Wilcken vom Deutschen Städtetag bat um eine Fristverlängerung bei der Wärmeplanung, diese sei bis 2026 bzw. 2028 nicht realistisch umzusetzen.

Eine ganze Reihe von Fehlern und Problemen führte Axel Gedaschko von der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland auf. Mieter und Vermieter seien nicht in der Lage, das Geforderte umzusetzen, insbesondere nicht im Zusammenspiel mit der von der EU beschlossenen Gebäudeeffizienz. In der Mehrzahl der Fälle würde die Finanzierung der Umstellung schlicht nicht funktionieren. Vermieter, die mit niedrigen Mieten arbeiteten, würden auf Dauer nicht in der Lage sein, diese zu stemmen. Wenn der Staat ein Investitionsrisiko schaffe, könne der Vermieter nicht haftbar gemacht werden.

Gefördert werde zudem nur die Wärmepumpe, nicht jedoch die damit weiter einhergehenden Kosten beim Umbau. „Es ist nicht das technische Problem, es ist definitiv die Refinanzierung“, so Gedaschko. Wobei auch hier Abstriche nötig sind. Später erklärte Gedaschko: „Wir haben heute schon Riesenprobleme. Wir haben in Dortmund schon 60 Wärmepumpen eingebaut, die nicht betrieben werden können. Das Netz gibt es nicht her.“

Jutta Gurkmann, Geschäftsbereichsleiterin Verbraucherpolitik Verbraucherzentrale Bundesverband, schloss sich dem Ruf nach einer umfassenderen Förderung an. Auch die „Gebäudehülle“ müsse gefördert werden, nicht nur die Wärmepumpe als solche. Kai Warnecke von Haus & Grund Deutschland kritisierte den aktuellen wie schon den letzten Entwurf scharf. Zudem sollte das Gesetz erst beschlossen werden, wenn das Fördergesetz und die Wärmeplanungen klar seien und mitverabschiedet werden könnten. 66 Prozent der Vermieter seien Privatpersonen, die – anders als die Wohnungsgesellschaften – nicht wüssten, wie sie mit den Härtefallregelungen für Mieter umgehen sollten.

Fritz Söllner von der TU Ilmenau stellte den Endzweck des Gesetzes als solches und den Entwurf damit prinzipiell infrage. Dieser würde keine Emissionsreduktion nach sich ziehen. Das Gesetz sei demnach überflüssig, weil „ökologisch ineffektiv“. Ein fünftes Rad am Wagen werde nicht weniger überflüssig, wenn es poliert werde, es gehöre stattdessen „abgeschraubt“. Die Angaben der Bundesregierung in der Begründung zum Gesetzentwurf seien mit Vorsicht zu genießen. Zudem veranschlage die Ampel die Kosten der Umstellung viel zu niedrig. Die Berechnung des energiepolitischen Sprechers der FDP, Michael Kruse, der von 2,5 Billionen Folgekosten ausgeht, sei deutlich realistischer.

Der zweistündige Austausch zeigte vor allem eins: keine Seite zeigte sich völlig zufrieden mit dem Schlussresultat, nicht einmal die von der Ampel bestellten Sachverständigen. Zwar lag nun wenigstens ein Entwurf vor, über den man sprechen konnte – aber einer, der üblicherweise nur die Rohfassung eines späteren Gesetzesentwurfes hätte sein können. Eingedenk der Tatsache, dass die Sachverständigen zumindest eine Woche Vorlaufzeit hätte gegeben werden müssen, um den Entwurf gründlich zu prüfen, und die Nachbesserungen wieder Tage in Anspruch genommen hätte, wäre das Heizungsgesetz allein aufgrund verfahrenstechnischer Gegebenheiten frühestens in zwei Wochen für den Weg in den Bundestag bereit.

Doch da es bei der ganzen Angelegenheit längst nicht mehr um Inhalte, nicht einmal mehr um Klimapolitik geht, sondern Parteipolitik, muss das Gesetz vor der Sommerpause durch. Das einzige Argument der Ampel lautet dabei: man wolle Sicherheit schaffen. Schließich gebe es derzeit eine große Unsicherheit, wie es weitergehe, welche Heizung man einbauen darf oder nicht, wie es mit der Wärmepumpe steht, welche Förderungen greifen.

Eine Unsicherheit, die man bezeichnenderweise selbst erst geschaffen hat. Neuerlich klingen die Worte nach: derlei wolle man nicht wiederholen. Für manchen erscheinen aber solche Worte eher als Auftakt, denn als Entschuldigung. Das Heizungsgesetz ist ein Gesetz voller bekannter und unbekannter Fallstricke, an der die unrühmliche Causa Graichen hängt, die man mit der Verabschiedung endgültig loswerden will. Für die parteipolitischen Spiele der Grünen müssen die Existenzen von Hausbesitzern, Mietern und Vermietern hintenanstehen.

Dabei gäbe es auch für diejenigen, die sich sonst als Gegner der grünen Politik in Szene setzen, mindestens zwei Möglichkeiten, um Habecks missglückte Heizungsmontage zu verhindern. Die FDP könnte mit der Union, den Linken und der AfD im Bundestag dagegen stimmen. Und im Bundesrat, der unter dem Fristendruck der Ampel ebenso leidet wie die Sachverständigen und sich an die „Leine gelegt“ fühlt, könnte das Gesetz mit den unionsgeführten Ländern ebenso verhindern.

Doch hinter dem Gerede über „Sicherheit“, die man den Bürgern vermitteln will, steckt eher die Angst vor der AfD. Ein Scheitern des Gesetzes würde, so das unausgesprochene, aber bekannte Wort, der „AfD nützen“. Also muss dieses Gesetz, von dem nicht einmal feststeht, wann es verabschiedet wird, durch das Parlament. Lieber schlecht regieren, als gar nicht regieren.

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