Tichys Einblick
Ist »deutsch« jetzt schon extrem?

Und Heino darf doch einen »deutschen Liederabend« in Düsseldorf ausrichten

Der Intendant der Düsseldorfer Tonhalle störte sich an einem Plakat, auf dem ein Heino-Konzert als »deutscher Liederabend« angekündigt wird. Am Ende bemühte die Tonhalle sogar einen Stadtratsbeschluss gegen »Hetze« im öffentlichen Raum. Der Sänger findet all das absurd, unlogisch und dumm.

IMAGO / Future Image

Am Ende waren es dann doch zwei Welten, die da aufeinanderstießen. Da ist zum einen der als Heino bekannte Interpret von volkstümlichen Schlagern, Volksliedern, inzwischen auch Rock- und Hardrock-Gesängen, geboren als Heinz Georg Kramm. Zum anderen die Tonhalle seiner Heimatstadt Düsseldorf und deren Geschäftsführer und Intendant Michael Becker. Schon seit dem letzten Jahr plant der Sänger eine Tournee mit dem Titel »Heino goes Klassik«, vor kurzem schickte er dem Düsseldorfer Konzerthaus den Plakatentwurf zu der Veranstaltung zu.

Da ereignete sich der Kulturschock. Denn die Plakate sahen etwas anders aus als die Bebilderung des Konzerttermins auf der Website der Tonhalle, wo Heino im Smoking neben dem russisch-österreichischen Geiger Yury Revich erscheint. Auf den Plakaten trägt Heino sein inzwischen schon zur Marke gehörendes schwarzes Rocker-Outfit, dazu eine Kette mit dem ersten Ring der Hölle um den Hals (wo manchmal auch ein großes Kreuz prangt), während hinter ihm formatfüllend die Nationalfarben flattern. Man weiß zwar nicht, was die Verantwortlichen der Tonhalle am meisten an diesem Plakat gestört hat, aber eines kann es schon einmal nicht gewesen sein: der Untertitel »ein deutscher Liederabend«.

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Dieser Untertitel stand nämlich schon längst auf der Tonhallen-Website und hatte dort bis vor kurzem anscheinend niemanden gestört. Tatsächlich gehören zu dem geplanten Programm Werke von Johann Sebastian Bach und anderen deutschen Komponisten, darunter volkstümliche Lieder wie Goethes »Heidenröslein« (vertont unter anderem von Franz Schubert) und das berühmte Wiegenlied »Guten Abend, gut’ Nacht« von Johannes Brahms. Warum nun sollte man dies nicht einen »deutschen Liederabend« nennen? Die Tonhalle mochte sich jedenfalls nicht damit arrangieren und bot dem Management des Künstlers die kostenfreie Stornierung der Saalbuchung an. Mieteinnahmen braucht man offenbar auch im zweiten Jahr nach Corona nicht besonders dringend. Die Mutterstadt zahlt ja.

Was stimmt nun aber eigentlich nicht an dem Untertitel? Der Tonhallen-Intendant begann mit einer wahrhaft kabbalistischen Auslegungskunst. »Wir werden den Abend mit diesem Titel nicht bewerben, da er fachlich und politisch nicht korrekt gewählt ist«, ließ Becker wissen. Mit dieser Wortverbindung rücke sich Heino »in eine ungemütliche Ecke«. Ein »deutscher Liederabend« sei, so geht die Rosenkreuzer-Mystik weiter, ein letztlich »imaginäres Konzertformat«. Also imaginär und ungemütlich zugleich. Ist gut. So weit die »fachliche« Begründung.

Nebulöser Stadtrats-Beschluss »Kein Raum für Hetze«

Später schob der Geschäftsführer eine weitere – wirklich politische – Begründung nach. Es gebe da nämlich eine neue Richtlinie der Stadt Düsseldorf. Tatsächlich handelt es sich laut dem Bayerischen Rundfunk um einen Grundsatzbeschluss des Stadtrats unter dem Titel »Kein Raum für Hetze«, der noch keineswegs praktisch ausgearbeitet ist. Das Ziel dieses städtischen »Auftrags« sei, dass von der Stadt bezuschusste Unternehmen keine Räume für Veranstaltungen bereitstellen sollen, die »rassistische, antisemitische, salafistische, antidemokratische, sexistische, gewaltverherrlichende oder andere menschenfeindliche Inhalte vertreten oder verbreiten«. Da hat der Tonhallen-Intendant sich nun aber wirklich eine feine Gesellschaft für die deutsche Volkslied- Ikone ausgesucht… Offenbar gibt es in Beckers Kopf keine Grenze zwischen Salafismus, Rassismus, Antidemokratismus und der Idee, dass man einen Abend mit deutschen Liedern als »deutschen Liederabend« bezeichnen könnte.

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Anderntags behauptete der Intendant allerdings, dass auch er »deutsch prima« finde. Das deutsche Lied stelle sogar einen »wissenschaftlich verbürgten Begriff« dar, allerdings sei »deutscher Liederabend« eben nicht richtig, nicht korrekt. Man sieht, wie hier einer versucht, sich in die Buchstabenwelt und wissenschaftliche Terminologie zu retten, weil ihm die Welt der Symbole fremd ist und sich am Ende nun einmal nichts gegen die deutschen Farben einwenden lässt, die Heino sowieso rund um die Uhr mit sich herumträgt: strohblonde Haare, rosiger Gesichtston, schwarze Rockerkluft.

Und wenn Becker so weiterredet, versteht man am Ende, dass er glaubt, es handle sich quasi um einen Abend ausschließlich für Deutsche. Splendide Phantasie eines Intendanten. Man ahnt: Der Untertitel in der gewählten Form ist ihm nicht fein, nicht divers und bunt genug für sein Haus. Laut dem Management des Sängers hat kein anderer der insgesamt 17 Veranstaltungsorte – darunter namhafte Institutionen wie das Leipziger Gewandhaus und die Bremer Glocke – Probleme mit Untertitel oder Plakat bekundet.

Eventuell störte den Intendanten aber doch vor allem das Plakat: Mit der genannten Doppelung deutscher Farben wirkte es vielleicht schlicht zu bunt-irritierend für das Vorstandsmitglied in einem Düsseldorfer Club namens »Lobby für die Demokratie«. Der eingetragene Verein setzt sich gegen Rassismus ein, befürwortete die BLM-Demonstrationen im Sommer 2020 und vertreibt selbst einschlägige Plakate.

Hat Becker nun die politische Linie seines Vereins als Intendant der Düsseldorfer Tonhalle aufdrücken wollen? Das ließe an seiner Neutralität zweifeln, die man bei einem städtischen Angestellten eigentlich voraussetzen möchte. Mehr noch zweifelt man allerdings am Urteilsvermögen. Denn der Zusammenhang zwischen Heinos Liederabend und den im Stadtratsbeschluss genannten Extremismen bleibt vollkommen nebelhaft.

Heino fragt: Ist »deutsch« jetzt auch schon rechtspopulistisch?

Heino zeigte sich gegenüber Bild entsetzt über die Verknüpfung seiner Person mit dem Stichwort »Hetze«: »Geht’s eigentlich noch? Soll das Wort ›deutsch‹ jetzt auch schon rechtspopulistisch sein? Das entbehrt doch jeglicher Logik und jedes klaren Verstandes!« Der Sänger gilt zwar seit langem als Konservativer, um nicht zu sagen Rabenschwarzer. Doch zur AfD hielt er zumindest 2019 im Kölner Treff eindeutig Distanz, sprach sich sogar für ein Verbot rechter Parteien aus. Allerdings hatte er noch 1977 »zu Bildungszwecken« alle drei Strophen des Deutschlandlieds eingesungen. Das machte den Sänger natürlich für einige für immer suspekt. Heute beharrt Heino demonstrativ auf dem von ihm gewählten Untertitel: »Ich bin und bleibe ein deutscher Sänger, der deutsche Lieder singt und die deutsche Sprache liebt.«

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Am Ende ließ der Düsseldorfer OB Stephan Keller (CDU) mitteilen, dass er keine »nationalistischen oder ähnlichen Tendenzen« an Heino und seiner Musik feststellen könne und auch die Formulierung »deutscher Liederabend« untadelig findet. Die Plakate können also benutzt werden, der Sänger an seinem Auftrittsort festhalten. Der Manager des Musikers, Helmut Werner, fand die Debatte und ihren Abschluss wichtig: »Wir dürfen das Wort ›deutsch‹ nicht in die Nähe von Hetze rücken. Heino hat deswegen enorm viel Zuspruch erhalten und freut sich auf das Konzert in seiner Heimatstadt.«

Zuallerletzt zeigt sich auch hier wieder, dass an fast allem, was heute schiefläuft, die Pandemie schuld ist. Denn eigentlich hätte der Titel der Tourneekonzerte »Heino goes Klassik – mit großem Orchester & Chor« lauten sollen. Geplant waren sie schon für den letzten Herbst. Doch Konzertreisen mit vollem Orchester und Chor zu organisieren, ist in diesen Zeiten schwierig geworden. So kam man zu dem neuen Untertitel, an den sich diese unerwartete Gemme einer Debatte anschloss.

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