Gerhard Schröder hat auf dem SPD-Bundesparteitag den verstorbenen Altkanzler Helmut Schmidt als “wahrlich großen Kanzler“ gewürdigt. Zu Recht: Schmidt hat dem Land zu Zeiten des RAF-Terrors Sicherheit gegeben, er hat gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Valerie Giscard D‘Estaing Europa vorangebracht, er bei der umstrittenen Nato-Nachrüstung die Interessen Deutschlands über die der SPD gestellt. So weit, so ehrenvoll.
Wahlsiege, die keine waren
Schröder lobte Schmidt unter anderem auch dafür: Er habe „unsere Partei zu zwei großen Wahlsiegen geführt, 1976 und 1980.“ Und: Helmut Schmidt habe die SPD „als eine Partei der wirtschaftlichen Vernunft in der Mitte der Gesellschaft verankert.“
Schauen wir uns mal wir die „großen Wahlsiege“ näher an. Mit Schmidt als Spitzenkandidat verlor die SPD 1976 3,2 Prozentpunkte, während Helmut Kohl und die Union mit 48,6 Prozent nur knapp die absolute Mehrheit verfehlten. Das Duell des Staatsmanns Schmidt gegen den als Provinzheini verspotteten Kohl hatte einen klaren Verlierer – Helmut Schmidt.
Und 1980? Im Kampf gegen den nördlich des Mains äußerst unpopulären Kanzlerkandidaten Franz Josef Strauß (CSU) steigerte Schmidt das SPD-Ergebnis um mickrige 0,3 Prozentpunkte auf 42,9 Prozent. Dass er Kanzler blieb, verdankte er allein der starken FPD. Wahlsiege sehen anders aus.
Inflation plus Arbeitslosigkeit
Über Schmidts „Besser 5 Prozent Inflation“-Theorie schrieb sein enger Mitarbeiter Otto Schlecht später, er habe Schmidt damals gesagt: „Herr Minister, was Sie gestern Abend gesagt haben und heute Morgen in den Zeitungen steht, ist falsch!“ Den Versuch einer Begründung habe Schmidt mit folgender Antwort unterbrochen: „Dass dies fachlich falsch ist, weiß ich selbst. Aber Sie können mir nicht raten, was ich auf einer Wahlveranstaltung vor zehntausend Ruhrkumpeln in der Dortmunder Westfalenhalle zu sagen für politisch zweckmäßig halte.“
Also: Große Wahlsiege? Wirtschaftliche Vernunft? Schröders Hymne auf Schmidt wurde bei der SPD heftig beklatscht. Allein: Manches stimmte nicht. Doch sollten Fakten auch bei der „Heiligsprechung“ nicht außen vor bleiben.