Ein Ergebnis des Baugipfels überraschte. Nicht das eigentliche Paket des Kanzlers Olaf Scholz (SPD): Ein wenig mehr Subventionen hier, ein wenig mehr staatliche Kredite dort. Dazu ein paar Auflagen aufgehoben und andere aufgeschoben. Das war so wenig, dass es in den Schlagzeilen der Ampel-Medien bald wieder nach unten rutschte.
Das Überraschende ist, was auf dem Baugipfel nicht passiert ist: Scholz konnte der Versuchung widerstehen, den Niedergang der Baubranche mit dem nächsten „Doppelwumms“ stoppen zu wollen. Dabei ist dieser Niedergang eine doppelte Katastrophe für seine Ampel: Zum einen macht die Wohnungsnot für alle sichtbar, wie blauäugig die deutsche Einwanderungspolitik unter dem Kanzler und davor Vizekanzler Scholz war. Zum anderen zieht die Baubranche die allgemeine Konjunktur nach unten. Eine Wirtschaft, in der die Baubranche niedergeht, kann nicht wachsen – und die deutsche ist dann ja auch die einzige bedeutende Wirtschaft, die aktuell schrumpft.
445 Milliarden Euro umfasst der Haushalt des Bundes im kommenden Jahr. Das ist weniger als die Summe der Schattenhaushalte, die Scholz im vergangenen Jahr angelegt hat. Knapp 17 Milliarden Euro nimmt Finanzminister Christian Lindner (FDP) im kommenden Jahr an Schulden auf. Offiziell. In Wirklichkeit dürfte es durch die Schattenhaushalte das Vier- bis Sechsfache werden. Doch wie viel von dem Geld tatsächlich ausgegeben ist, können eigentlich nur noch die Experten im Finanzministerium exakt sagen – und der Zweifel wächst, ob wenigstens die das so genau wissen.
Als Scholz im vergangenen Jahr den „Doppelwumms“ von 200 Milliarden Euro verkündet hat, um für die Bürger die Folgen der verfehlten Energiepolitik abzumindern, hatte das zwei Vorteile für ihn: Zum einen konnte der Sozialdemokrat strunzen, er habe 200 Milliarden Euro für soziale Zwecke ausgegeben. Zum anderen stimmte das so nicht. Er hat lediglich einen Topf mit einem entsprechend hohen Kreditrahmen angelegt. Mit dem Geld, das übrigbleibt, kann er weniger populäre Entscheidungen finanzieren oder die Kosten verfehlter Politik begleichen. Etwa in der Einwanderung.
Das Handelsblatt hat nun berichtet, dass 3 Milliarden Euro in Lindners Entwurf fehlen und es zähe Verhandlungen geben werde, bis im November der Haushalt tatsächlich steht. Doch angesichts der Schattenhaushalte ist das nur ein Nebenschauplatz. Einer, der von den eigentlich wichtigen Themen ablenkt. Die finanziellen Forderungen, die öffentlich gut ankommen, wird die Ampel locker bezahlen können – über die vielen unter Getöse verkauften aber nicht ausgeschöpften Nebenhaushalte. Etwa den „Wirtschaftsstabilisierungsfonds“.
Aber die Politik der Nebenhaushalte, mit der sich Scholz durch das Jahr 2022 gemogelt hat, ist ausgeschöpft. Das hat spätestens der Baugipfel gezeigt. Wenn der Kanzler bei diesem wichtigen Thema nicht das Geld rausbuttern will, dann wird er es auch künftig nicht mehr tun. Er hat selber bereits mehrfach öffentlich erklärt, dass er solche Ausgabenorgien nicht mehr will – und dass Deutschland sie sich auch nicht mehr leisten kann.
Damit verlassen wir den einstelligen Bereich. 30 Milliarden Euro kostet es, wenn sich „Wirtschaftsminister“ Robert Habeck (Grüne) doch noch durchsetzt und der Industriestrompreis kommt. Mit einer ähnlichen Hausnummer ist bei den Zuschüssen zu rechnen, mit denen Habeck die Wirkung seines Heizhammers abmindern will. So üppig wie versprochen fallen die allerdings nicht aus. Nachdem sich die Ampel von ARD, ZDF, Süddeutsche und Co für die Zuschüsse hat abfeiern lassen, hat sie nachträglich Klauseln eingebaut, die diese Auszahlungen deutlich mindern werden – so hat es Olaf „Bazooka“ Scholz schon mit seinen Versprechen anlässlich der Corona-Hilfen gehalten.
So oder so werden die Trostgelder für Habecks Heizhammer Lindners offiziellen Haushalt nicht belasten. Sie laufen über den „Klima- und Transformationsfonds“, über den im Wesentlichen Habeck verfügt. Der ist bis 2027 mit deutlich mehr als 200 Milliarden Euro gefüllt. Damit kann der „Wirtschaftsminister“ für grüne Lieblingsprojekte mehr Geld ausgeben, als Lindner den anderen Ministern über seinen offiziellen Haushalt an Geld für Investitionen bereitstellt.
Für die Traumtänzereien des Kinderbuchautors ist damit das Geld da, das Deutschland an mehreren Stellen fehlt. Zum Beispiel bei den Investitionen. Nun gilt es als umstritten, wie sinnvoll staatliche Investitionen sind. Manche versprechen sich von ihnen eine dauerhaft belebte Wirtschaft, andere warnen, solche Investitionen brächten nur ein Strohfeuer mit sich. Dass sie aber einen kurzfristigen, positiven Effekt auf die Konjunktur haben, gilt als unumstritten. Oder vielmehr: Es galt. Bisher.
Denn umso bemerkenswerter ist die deutsche Situation 2023: Das Land hat ein Jahr hinter sich, in dem der Staat so viele Schulden wie noch nie gemacht hat, um zu investieren. Trotzdem schrumpft die Wirtschaft. Anders als in China, den USA, Frankreich, Italien – oder sogar in Russland. Das zeigt, dass die deutschen Probleme nicht konjunkturell bedingt, also vorübergehend, sind, sondern grundsätzlicher Natur.
Eigentlich müsste Deutschland zudem die Steuern senken. Sie sind zu hoch, mahnt unter anderem die Organisation für Internationale Wirtschaftliche Zusammenarbeit, OECD, seit Jahren an. Das erstickt zum einen das Binnenwachstum und lässt den Deutschen zum anderen zu wenig Spielraum, in die eigene Altersvorsorge zu investieren.
Lindner erkennt die Forderung der OECD als richtig an, dass Deutschland die Steuern senken müsste. Doch das Gegenteil passiert. Die Ampel erhöht die LKW-Maut um mehr als 80 Prozent, die CO2-Steuern um 25 Prozent und auch die Krankenversicherung wird schon wieder teurer, vor allem weil die Kassen die Einwanderungspolitik und das Bürgergeld mit 10 Milliarden Euro querfinanzieren müssen. So viel zahlt der Bund zu wenig für die Gesundheitsversorgung von Transferempfängern.
40 Milliarden Euro kostet den Bund der Zinsdienst schon jetzt im Jahr. Da seine Schulden ebenso steigen wie die allgemeinen Zinsen, könnte diese Summe exponentiell wachsen. Also auf Deutsch: rasend schnell. Bei vielen ist das noch nicht angekommen. Sondervermögen fürs Soziale schreien die einen, Sondervermögen für die Schulen die anderen. Für den Bau, für das Klima, den „Kampf gegen Rechts“ und so weiter. Scholz ist in Sachen Geld ausgeben in der Realität angekommen, anderen steht der Schock noch bevor: den Abgeordneten des Bundestags ebenso wie den Gewerkschaften, Kirchen, Sozialverbände, NGOs und wer sonst alles noch beim Staat die Hand aufhält.
Die Haushaltsberatungen zu beobachten, wird weniger interessant werden. In dieser Debatte verhandeln die Abgeordneten Summen, die sich leicht aus den diversen Schattenhaushalten decken lassen. Zwei, drei Streitthemen bauen Scholz und die Ampel bis November auf, um sie dann kurz vor Weihnachten aufzulösen. Mit der Botschaft: Wir sind stark, einig und handlungsfähig. Die offiziellen Haushaltsberatungen sind nur Schaulaufen – der Finanzminister ist nur ein Statist.
Scholz hat Lindner zum Schatzmeister der Portokasse degradiert. An den eigentlichen Geldtöpfen sitzen er und sein Vizekanzler Habeck. Noch sind die gefüllt, noch erlauben sie der rot-grünen Regierung mit gelbem Anhang einen gewissen Handlungsspielraum. Doch spätestens der Baugipfel hat etwas bewiesen, das sich schon länger anbahnte: Einfach weitere Schattenhaushalte kreieren kann Scholz nicht. Es ist nicht die „Schuldenbremse“, die ihn daran hindert. Die ließe sich leicht umgehen. Deutschland fehlt die Kraft für eine weitere Hauruck-Politik. Die Ära, in der das Land seine Probleme mit Geld zuschütten konnte, nähert sich dem Ende.