Tichys Einblick
Rechtsstaatlich angemessen?

Hausdurchsuchungen bei „Letzte Generation“: Unter Razzia tun wir’s nicht mehr

Lange hat es gedauert, doch dann ging alles schnell. Die koordinierte Aktion gegen die Letzte Generation schnitt die Klimaextremisten binnen kürzester Zeit von weiten Teilen ihrer Außenkommunikation und von ihren Finanzen ab. In die Freude über das mögliche Ende des Klimakleber-Spuks mischt sich ein herber Beigeschmack.

Etwa 300 Menschen versammelten sich am 24.05.2023 in Leipzig, um gegen die Razzien gegen die Letzte Generation zu demonstrieren

IMAGO / Christian Grube

Nachdem die Letzte Generation die Geduld der Öffentlichkeit seit über anderhalb Jahren auf mehr als eine harte Probe stellte, nachdem Politik und Justiz lange Zeit tatenlos bei Sachbeschädigungen im öffentlichen Raum zusahen und nachdem selbst Museen in einem Anfall opportunistischen Stockholm-Syndroms gemeinsam mit den Extremisten der Letzten Generation „Performances“ durchführten – nach all dem, wurde nun erstmals strukturell gegen die Klimakleber vorgegangen.

Ein Aufschrei der Erleichterung geht durch das Land, nicht nur unter Autofahrern. Die Hoffnung, dass der Druck der Mehrheit die Politik nun endlich dazu bewegte, dem Volkswillen nachzugeben, ist groß. Vielleicht funktioniert Demokratie ja doch? Oder zumindest der Rechtsstaat? Egal, ob und wie man diese Fragen beantworten möchte, die Tatsache, dass der Letzten Generation Einhalt geboten wurde, ist auf jeden Fall positiv zu bewerten.

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15 Hausdurchsuchungen stehen zu Buche, Auslöser waren einerseits Sabotagepläne an einer Pipeline und andererseits die Finanzströme der Letzten Generation. Dabei könnte sich vor allem der Spendenaufruf der letzten Tage noch zu einem Bumerang entwickeln, denn im Gegensatz zum obersten Verfassungsschützer Thomas Haldenwang, der noch vor wenigen Monaten die Letzte Generation eher als vorbildlich demokratisch, denn als extremistisch einstufte, bewertet die Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus der Generalstaatsanwaltschaft München die Letzte Generation nun offiziell als „kriminelle Vereinigung gemäß §129 StGB“, womit auch Spenden an die Letzte Generation „ein strafbares Unterstützen der kriminellen Vereinigung“ darstellen.

Diese Information bekamen Besucher der Webseite der Letzten Generation zwischenzeitlich zu sehen, bevor die Extremisten eine Umleitung auf eine andere Domain veranlassten. Denn die Bayern machten keine halben Sachen. Nicht nur fanden Hausdurchsuchungen statt, auch die Webseite der Letzten Generation wurde vom Netz genommen, ihre Spendenkonten beschlagnahmt und sogar E-Mail-Verteiler blockiert. Ein solcher Eingriff zeigt auch, dass es sich dabei also keinesfalls um einen bayerischen Alleingang handelte, sondern dass dies auch andernorts durchgewunken wurde.

Bestes Beispiel dafür ist die Berliner Justizsenatorin Felor Badenberg, die erst wenige Tage zuvor prüfen lassen wollte, ob die Letzte Generation als kriminelle Vereinigung eingestuft werden könne. In der Heimatarena der Klimakleber mutete dies zunächst befremdlich an, doch angesichts der langfristigen Planung der Hausdurchsuchungen dürfte die Berliner Politik wohl bereits im Bilde gewesen sein.

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Die Letzte Generation weist selbstverständlich alle Vorwürfe von sich und spricht stattdessen lieber weiter über die „Klimahölle“ und den „todbringenden Alltag“, den sie mit ihren Protesten unterbrochen hatte. Die Pressekonferenz in der Reformationskirche in Moabit wurde übrigens von einem Kirchenvertreter eingeleitet, der der Letzten Generation vollste Loyalität versicherte: „Wir sind eine neue Form von Kirche, euch als Aktivist:innen sind wir dankbar für euren Mut und eure Gewaltfreiheit. Die Klimakrise macht zivilen Ungehorsam richtig.“ Es wird interessant sein zu beobachten, ob und inwiefern die Spender und verbalen Claqueure der Letzten Generation im Falle einer Einstufung als kriminelle Vereinigung auch mit rechtlichen Konsequenzen zu rechnen haben werden.
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So begrüßenswert der Beschluss des Rechtsstaats auch ist, nun endlich gegen die Klimakleber vorzugehen, es drängen sich Fragen und Zweifel in die Beurteilung dieser Aktion. Warum erst jetzt? Bereits im Oktober letzten Jahres nannte TE erstmals im deutschen Sprachraum die Namen der Sponsoren des Climate Emergency Fund und selbst auf der Webseite der Letzten Generation wurde dies danach nicht mehr verheimlicht. Auch Spenden erhielt die Letzte Generation bereits seit Anbeginn ihres Bestehens und gab auch nie vor, damit irgendetwas anderes zu beabsichtigen, als die disruptive Störung des öffentlichen Raumes. Während der letzten anderhalb Jahre hielten Politik und Justiz zuverlässig die schützende Hand über die Klimaextremisten, erst in den letzten Monaten wurden in Bayern auch schärfere Urteile gefällt, die im Vergleich zum Strafmaß bei den ebenfalls weit verbreiteten Vergewaltigungsdelikten fast schon disproportional scharf anmuten.

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Es entsteht somit der Eindruck, dass Markus Söder, der bereits im Vorjahr sein durch die Pandemie angeknackstes Macherimage mit kernigen Aussagen über die Letzte Generation aufpolierte, hier ein bayerisches Exempel statuieren wollte. Angesichts der Blässe der CDU-Führung unter Friedrich Merz ein deutliches Zeichen, dass Söder nicht bereit ist, den oppositionellen Raum gänzlich der AfD zu überlassen. Sollte jedoch die Politik hier, nach langem Zuwarten, nun endlich grünes Licht für eine Strafverfolgung der Letzten Generation gegeben haben, erweckt dies den Eindruck einer weisungsgebundenen Justiz, was – obwohl es „die Richtigen“ traf – alles andere als ein gutes Zeichen wäre.

Ebenso drängt sich die Frage auf, ob es immer gleich eine Razzia sein muss? Denn die Machenschaften und Finanzierungsmodelle der Letzten Generation waren in Grundzügen hinlänglich bekannt. Man hätte diesen Aktivitäten bereits vor langer Zeit weitaus geräuschloser beikommen können, votierte stattdessen aber für eine Großaktion mit entsprechender Außenwirkung. Das soll keineswegs als Verteidigung der Letzten Generation verstanden werden, sondern vielmehr als Verteidigung des Rechtsstaates. Das koordinierte und landesweite Eindringen der Exekutive in private Räumlichkeiten gerät in letzter Zeit zunehmend in Mode. Klatschte beim vereitelten „Reichsbürgerputsch“ eine Hälfte der Bevölkerung Beifall, so sieht bei der Razzia gegen die Letzte Generation nun die andere Hälfte Deutschlands der Gerechtigkeit Genüge getan. Dass damit solch disproportionales Einschreiten der Exekutive normalisiert wird, kümmert in diesen Situationen kaum jemanden.

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Es könnte aber genau davon die langfristig größte Gefahr ausgehen. Der Schlag gegen die Letzte Generation machte deutlich, wie schnell und wie effektiv unliebsame Akteure zum Schweigen gebracht werden können. Noch am Morgen wusste die Öffentlichkeit nichts von der Einstufung der Letzten Generation als krimineller Vereinigung, nur wenige Stunden später waren Konten gesperrt, E-Mail-Verteiler blockiert und die Webseite offline. Der Staat bewies, mit welcher Effizienz und Schnelligkeit er die Außenkommunikation selbst bundesweiter Vereinigungen lahmlegen kann, eine Demonstration, die zu Denken geben sollte.

Der Schlag gegen die Letzte Generation war überfällig, aber in seiner Durchführung hat er einen Beigeschmack. Lange Zeit ließ man die Letzte Generation gewähren, weil sie die Speerspitze der „Energiewende” war und somit nützlich für die davon profitierenden Öko-Lobbys. Nun, da man sie nicht mehr gewähren lässt, erweist sie sich ein weiteres Mal als nützlich, diesmal jedoch für einen Staat, der sein Mandat zur Gewaltausübung zunehmend von den Prinzipien rechtsstaatlicher Angemessenheit lösen möchte. Wir sind gewarnt.


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