Na gut, es wäre nun eine billige Posse, eine Wiederholung von „Hart aber Fair“ zu fordern, weil das beim letzten Mal so urkomisch gewesen ist. Sie erinnern sich, Birgit Kelle hatte – so zumindest sah es eine bestimmte Klientel – die besseren Argumente, als es bei Plasberg um Ampelmännchen, Gender und Co ging. Also forderte man als Mittel der Wahl neue Diskussionspartner für die Publizistin, die sich nach eigenem Bekunden für einen „neuen Feminismus abseits von Gender-Mainstreaming und Quote“ stark macht.
Nun weiß, wer es geschaut hat, dass Durchgang Zwei auch kein negativeres Bild von Kelle abgeben wollte. Durchgang Drei und Vier steht nun noch aus, auch wenn Plasbergs Sender damit eher an Recep Erdogans Techniken erinnern würde, der ja bekanntlich einfach mal neu wählen lässt, wenn ihm das Wahlverhalten seines Volkes nicht passt.
„Modell Kelle“ – senden, bis es passt?
Nun könnte man meinen, das Team um Plasberg hätte was daraus gelernt, wenn man nach Kelle eine Frauke Petry, Vorsitzende der AfD einlädt und zum Thema „Vom Wutbürger zum Brandstifter – woher kommt der rechte Hass?“ referieren lässt. Oder wollte man das vielleicht gar nicht? Und anfangs sah das ja auch recht Erfolg versprechend aus: eine 1:4 Situation bedeutet, vier Angriffe mit vier Verteidigungen kontern zu müssen. Die Auswahl der weiteren Diskutanten ließ an der Stoßrichtung eigentlich keinen Zweifel. Ein guter Plan, wenn jeder Einzelne immer drei Durchgänge Zeit hat, Luft zu holen, bis man sich wieder frisch und erholt auf die AfD-Bundessprecherin stürzt.
Aber Mist, denn die taffe Politikerin mit der sexy Kurzhaarfrisur – darf man das sagen? Wahrscheinlich nicht, zum einen ist das Prädikat „taff“ viel zu positiv besetzt und zum anderen ist „sexy“ natürlich sexistisch, also ein No-go – also diese Frauke Petry muss entweder einen guten Tag erwischt oder die besseren Argumente oder beides gehabt haben. Eine Wiederholung der Sendung erschien also nach 75 Minuten und ein paar Überziehungszerquetschten noch unvermeidbarer als noch in der Gender-Diskussionrunde, die Birgit Kelle für sich nach Hause geholt hatte.
Naserümpfen über die gefühlte Siegerin
Aber bevor wir zur Sendung selbst kommen: woran liegt das eigentlich, dass die meisten Zeitungen zwölf Stunden nach Ausstrahlung so entsetzt die Nase rümpfen? So eine TV-Diskussion sollte doch zunächst einmal ein ergebnisoffenes Ende haben dürfen. Dennoch stellt beispielsweise t-online fest: „Frauke Petry sprengt Plasbergs „hart aber fair“; die WELT schreibt ziemlich uncharmant, „Quassel-Petry redet einfach alle nieder“ und web.de sah gestern „(e)ine Sendung ganz für die AfD“ und das läge „vor allem an AfD-Parteichefin Frauke Petry, die es immer wieder schafft, die Diskussion zu lenken.“
„Keine AfD-Sendung erwünscht“
Frank Plasberg muss es geahnt haben, als er rechtzeitig anzumahnen versuchte, dass das nun aber bitte „keine AfD-Sendung“ werden soll. Diese positionssichernde Abmahnung muss man sich erst einmal im Kontext der geladenen Gäste vorstellen: Da waren immerhin der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius, die versierte Journalistin Dunja Hayali, Joachim Lenders, ein Polizeigewerkschaftler mit CDU -Parteibuch und last and least, Georg Mascolo, der als Chefredakteur bei Spiegel wegen diverser Rivalitäten in Ungnade fiel und jetzt einen neu geschaffenen Rechercheverbund NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung leitet, was immer man sich darunter vorzustellen hat. In dieser Funktion wurde er übrigens jüngst als „Journalist des Jahres“ ausgezeichnet. Spaßig ist hier ein Teil der Begründung: Weil Mascolo als „sachkundiger, unaufgeregter Analytikers der Rechercheergebnisse in etlichen politischen (TV-)Diskussionen (…) glänzt“.
Darf man diese preisausgezeichnete Fähigkeit gleich nach der Preisverleihung für immer ablegen? Oder muss der so fahrig wirkende Kollege den Preis heute früh an Frau Petry abgeben? Nein, denn zum Einen ist Petry keine Journalistin und zum anderen der Preis kein Wanderpokal. Leider auch keine Verpflichtung, wie Mascolo bei Plasberg eindrucksvoll unter Beweis stellte.
Also sitzen da für ihre angeblichen Talk-Show-Fähigkeiten ausgezeichnete und ausgewählte Diskutanten um Frauke Petry – also der AfD – mal den Schneid abzukaufen, aber die Sache geht noch gründlicher schief, als schon diese Genderposse mit Birgit Kelle daneben ging.
Besonders süffisant gerät die Abmoderation von Plasberg, angesichts des Misslingens einer Anti-AfD-Show – sogar solche vernichtenden Einspieler wie Björn Höckes 1000-jährigem-Deutschland-Schwachsinn konnte Petry unbeschadet abbügeln. Plasberg bittet Petry zum Schluss, zuzugeben, dass sie hart aber fair behandelt wurde, weshalb man also doch wohl nicht von Lügen- oder Pinocchiopresse sprechen könne. Dass es nicht dazu kam, lag einzig an Frauke Petry, die diese 1:4 dotierte Anti-AfD-TV-Wette eindeutig für sich entscheiden konnte, wie der Pressespiegel am Morgen danach verschnupft und beleidigt feststellen musste.
Einzig Spiegel Online wollte und konnte sich damit nicht gut abfinden. So ließ man Christoph Twickel schreiben, was man nach dieser Pleite nun mal meinte schreiben zu müssen: „Die Hauptzeternde ist Petry selbst, die sich gar nichts vorwerfen lassen will.“ Das muss man erst einmal nachmachen: einzufordern, dass jemand an einer Talkshow teilnimmt, um sich doch bitte klaglos etwas vorwerfen zu lassen. Vorwurfsquote wohlgemerkt im Verhältnis 1:4.
Demokratie heisst Aushalten
Aber weil das nun auch noch jeder Leser seltsam neben der Spur finden könnte, wird’s bei SPON richtiggehend unappetitlich, wenn man Frauke Petry attestiert, sie würde beleidigt auflachen, hätte einen immer erstaunt-spöttischen Blick und zeige Zornesfalten bei angeblichen(!) Verunglimpfungen. Das Gegenteil wäre die Nachricht; schließlich hat man zustimmend zu nicken, wenn man angegangen wird, oder?
Über den Auftritt von Mascolo natürlich kein Wort, ist ja auch der frühere Chef. Da hätte man dann nämlich, wenn man wirklich diesen fiesen SPON–Sound kopieren möchte, Folgendes festhalten müssen: Ein für einen Talkshow-Preisträger geradezu mittleidserregender, ein durchgestammelt verworrener Auftritt. Aber wenn SPON meint, dass so etwas guter Stil sei, dann kann man sich solche Talkshows in Zukunft auch gleich ganz sparen. Wobei Plasberg das Verdienst zukommt: Er hat das Tabu der Ausgrenzung durchbrochen. Politik in D. funktioniert ja immer weniger nach dem Prinzip „Wettbewerb der Ideen“ sondern „Wen trifft die Nazi-Keule heute?“. Man mag ja über die AfD in der ARD denken wie man will, Demokratie ist, wenn man auch dort andere Meinung anhören muss, statt nur darüber herzuziehen. Das ist ja nicht so die Stärke des derzeitigen Mediensystems und schon gar nicht der glatt gebügelten Talkshows mit ihren immergleichen Stamm-Sitzern. Aber vielleicht sollte man Plasberg dafür gar nicht loben, es sei denn, man will ihm schaden.
Sollte man vielleicht auch, denn so ist einer Frauke Petry leider definitiv nicht beizukommen. Diese Sendung also unbedingt NICHT wiederholen, wenn man nicht öffentlich-rechtlicher Wahlhelfer für die AfD sein möchte.