Gerade ist die ARD-Sendung über Hannelore Kohl zu Ende. Man sitzt noch fassungslos vor dem Bildschirm, auf dem plötzlich ein völlig unbekanntes Gesicht auftaucht: der Vorsitzende des DGB zum Tag der Arbeit. Worthülsen, die an einem vorbeirauschen. Die Dokumentation über Hannelore Kohl (und natürlich ihren Mann und ihre Söhne) — das kann keinen unberührt lassen. Auch mich nicht. Ich bin froh, es wegen der von Merkel verhängten Islolationshaft allein geschaut zu haben. Die Tränen wären etwas zu viel gewesen für „Zuschauer“. Deshalb ein paar spontane Gedanken:
Ich habe diese ganze Kanzler-Ära hautnah miterlebt. Auch privat. Spiegel und Süddeutsche meinten es damals als existenzvernichtende Häme (das Gegenteil trat ein!), für mich war es ein Ritterschlag: „Peter Hahne ist der Lieblingsmoderator der Kohls.“ Und dennoch habe ich nie den Vorwurf gehört, ich hätte in der Zeit der Spendenaffäre unsachlich, parteiisch oder gar Kohl-verherrlichend berichtet und kommentiert. So wie es heute fast nur noch von jeglicher Distanz befreite Hofberichterstatter der Corona-Ära gibt. Zahllose „Schalten“ in dieser Zeit im ZDF sind Beweis, dass es geht, Persönliches und Berufliches, Sachliches und Emotionales zu trennen.
Das sind eben alles nur unvermeidliche Kollateralschäden. Für Hannelore Kohl war es jedoch nicht nur eine ominöse „Lichtallergie“, darin offenbart der Film für Insider nichts Neues. Es ist dennoch gut, das auch einmal öffentlich zu hören und ein für allemal festzuhalten: Es war auch diese Eiseskälte, die die Mutter zweier Söhne in den Tod trieb. „Wo sind unsere Freunde, denen wir immer geholfen haben? Warum hat nicht einer gesagt: Lasst doch die Frau und ihre Kinder in Ruhe?“ Das alles in einer Partei mit dem „C“ im Namen. Unfassbar! Hannelore Kohl wurde öffentlich und ohne jegliche Verteidigung im geistigen Umfeld von Merkel und Co als „Spendenhure“ bezeichnet, wurde auf der Straße angespuckt.
Noch bitterer der sachlich vorgetragene Vorwurf der Kohl-Söhne gegen die Journaille vor zwanzig Jahren: „Die Medien unterstellten unserer Familie fast alles.“ Alles, was jetzt weinerlich daherkommt von diesen damaligen Schreibtisch- und Kameratätern, sind Krokodilstränen. Nichts sonst. Wo bleibt das posthume Schuldbekenntnis, das man doch von anderen immer fordert. Wo die Bitte um Vergebung?!
Vieles aus der Hannerlore-Kohl-Doku wäre der Erwähnung wert. Alles richtig dargestellt, kann ich aus allernächster Nähe nur bestätigen. Dieser tapferen, intelligenten und sympathischen Frau ist zu recht ein Denkmal gesetzt worden. Ohne Häme, ohne die übliche Überlegenheits- und Verachtungsattitüde der richtenden Links-Journalisten, für die diese normale Bürgerlichkeit der Familie Kohl bis heute ein Grauen ist und bleibt. Gefehlt hat mir dennoch wenigstens ein Nebensatz des Autors Aust, dass er an all dem Hass, dem vernichtenden Spott über die Kohls (Barbie und Birne) geistig nicht unbeteiligt war, auch an dem gezeigten Aufmarsch „Enteignet Springer“ oder dem Spott über den „Cowboy-Schauspieler Reagan“, der sich im Nachhinein – wie Helmut Kohl auch – als großer Staatsmann entpuppte, der zur richtigen Zeit das Richtige tat.
Diese Heuchler und Pharisäer wollen natürlich nie dabei gewesen sein. Ähnlich wie bei der Wiedervereinigung: Kohl wurde niedergemacht als Naivling aus der Pfalz, heute will jeder schon immer auf der richtigen Seite gestanden haben. Das traf Hannelore Kohl am schwersten: Sie wollte als Leipzigerin die Einheit, sie war mit ihrem Mann völlig d‘ accord. Ja, sie wollte unbedingt sehen, wie der letzte russische Panzer Potsdam verließ. Diese Frau hat es fast umgebracht, wenn Salonlinke von Oskar Lafontaine bis zu sozialistisch-sozialisierten Bischöfen die Deutsche Einheit als Fantasterei bezeichneten. Noch schlimmer die von Kohls verhasste (ja: verhasste!) EKD: Das alles sei eine Lebenslüge, sei purer Revanchismus und unchristlicher Antikommunismus.
Für Hannelore Kohl, die mit nur zwölf/dreizehn Jahren das Opfer traumatischer Vergewaltigungen durch russische Soldaten wurde, war dieser Schmerz über diese Art von Vernichtungsfeldzug gegen ihren Mann das Allerschlimmste. Er, der ihren eigenen Traum zu verwirklichen begann. Ohne Hannelore Kohl hätte es dieses beherzte Engagement von Helmut Kohl so nicht gegeben.
Es stimmt: alles ist Biografie. Auch die große Politik. Auch diese ARD-Dokumentation, deren Autor Aust in gewisser Weise Abbitte geleistet hat für all die Verachtung, die man im Dunstkreis des Spiegels in der damaligen „journalistischen“ Arbeit Hannelore und Helmut Kohl entgegengebracht hat. Es ist also viel mehr als „nur“ das Leben der Kanzlergattin, die die Autoren geboten haben. Für den (späten) Respekt gegenüber der Lebensleistung der Kohls: Respekt!
Peter Hahne