Hamed Abdel-Samad protestiert im Schloss Bellevue gegen die äußerst Mullah-freundliche Außenpolitik der Berliner Koalition. Ein Stück gelebte Demokratie, als er Frank Walter Steinmeier entgegenrief: "Nicht in meinem Namen!"
Das Telegramm von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum 40. Jubiläum der blutigen Revolution in Teheran schlägt immer noch Wogen. In Steinmeiers Amtssitz kritisierte Hamed Abdel-Samad den Präsidenten; Hamed Abdel-Samad ist prominenter Gegner des radikalen Islam, der auch weltliche Gestaltungsmacht für sich beansprucht. Er muss wegen ständiger Bedrohung permanent von vier Personenschützern bewacht werden. Seine Einlassung:
»Heute war ich im Rahmen einer Diskussion zum Thema „Religion und Demokratie“ im Schloss Bellevue zum ersten Mal eingeladen. Vermutlich auch zum letzten Mal. Ich hätte die Gelegenheit nutzen können, um mich beim Bundespräsidenten zu bedanken, dass er nun doch auch Kritikern wie mir eine Bühne bietet. Doch ich bin kein Untertan von Herrn Steinmeier, sondern ein Staatsbürger und ein kritischer Schriftsteller. Es war kein Eklat wie die Bildzeitung titelt, sondern ein Stück gelebte Demokratie. Ich habe dem Bundespräsidenten wegen seiner Glückwünsche an das iranische Regime anlässlich des Jahrestages der iranischen Revolution kritisiert. Ich war nicht das erste das der tat, doch vermutlich der erste der es dem Bundespräsidenten ins Gesicht sagte. Ich habe ihm gesagt:
Sie haben im Namen aller Deutschen dem iranischen Regime gratuliert, doch das dürfen Sie nicht tun. Als Deutscher Staatsbürger sage ich Ihnen: Nicht in Meinem Namen! Sie haben die falschen Signale sowohl an das Regime im Iran, an die demokratischen Opposition im Land und im Exil, an die zehntausenden Opfer dieses Regimes und ihre Angehörigen, als auch an die deutsche Bevölkerung gesendet. Ans Regime schickten Sie das Signal „Weiter so“, an die Opposition „Ihre Mühe interessieren mich nicht“ und an die deutsche Bevölkerung „Wir nehmen unsere eigenen Werte nicht wirklich ernst. Deshalb wiederhole ich: Nicht in meinem Namen!
#Nicht_in_meinem_Namen«
Steinmeier reagiert äußerlich ruhig.
„Ich finde es schade, dass Sie meiner Rede, in der ich dazu Stellung genommen habe, offenbar nicht zugehört haben“, konterte Steinmeier dem Islamkritiker äußerlich gelassen.
Steinmeier hatte zuvor in seiner Eröffnungsrede sein Glückwunsch-Telegramm verteidigt und das Bundespräsidialamt verwies auf inhaltlich gleichlautende Glückwünsche seiner Vorgänger. Deutschland müsse sich bemühen, den Gesprächsfaden nie völlig abreißen zu lassen, wenn es gehört werden wolle. Das sei keine neue Erkenntnis, sondern spiegele sich in jahrzehntelangen diplomatischen Gepflogenheiten wider. Und dazu gehöre auch ein „höflich formuliertes Glückwunschschreiben“ zum jeweiligen Nationalfeiertag.
Allerdings: Das Regime in Teheran hat seinen mörderischen Charakter über die Jahre eher verstärkt. Das Verhältnis zwischen Iran und den USA ist seit der Geiselnahme von Dutzenden US-Diplomaten im November 1979 nachhaltig gestört. Gerade in den letzten Monaten hatte das islamistische Regime erneut erklärt, Israel vernichten zu wollen. Militärisch ist Teheran in Syrien, im Jemen und im Libanon aktiv und weitet sein militärisches Einflussgebiet aus. Iran gilt als Treiber einer sich radikalisierenden islamistischen Bewegung, die den Frieden global bedroht. Die USA wollen das von Ex-Präsident Barack Obama unterzeichnete Atom-Abkommen mit Teheran nachbessern, weil sie davon ausgehen, dass die Teheraner Machthaber weiter heimlich an der Atombombe bauen, die Israel komplett vernichten soll. So wollen die USA die Frist zwischen der Anmeldung einer internationalen Kontrolle und deren Durchführung drastisch verkürzt werden. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz stärkt Berlin Teheran in dieser Auseinandersetzung demonstrativ den Rücken und zeigte sich besonders herzlich gegenüber den iranischen Regierungsvertretern.
Dass Steinmeier sich jetzt in seinem Amtssitz direkt mit Kritik konfrontiert sieht und vor allen in den sozialen Medien die Gegnerschaft an seiner Mullah-unterwürfigen Politik so laut wurde, dass das Bundespräsidialamt eine Art Rechtfertigungsmeldung veröffentlichen musste, zeigt: Es scheint etwas in Bewegung gekommen zu sein.