Durch einen anonymen Hinweis an die staatliche „Dienststelle Interne Ermittlungen“ (DIE) der Innenbehörde – die Aufgabe der DIE ist es, Korruptionsfälle und anderer schwere Dienstvergehen in Hamburger Behörden aufzuklären – sind nun Beamte der Börde für Inneres gezwungen, pikante Vorwürfe gegen den Innensenator der Hansestadt zu prüfen. Der Vorwurf: Innensenator Andy Grote (SPD) habe per eigenen Textnachrichten zu einem fröhlichen, aber wegen Corona rechtswidrigen „Empfang“ in einer stadtbenannten Bar im Hamburger Hafen eingeladen – zu einer Feier am 10. Juni, die von vielen Beamten und Bürgern an Elbe und Alster längst „Senatoren-Party“ genannt wird.
Die fachlich-rechtliche Überprüfung der Vorwürfe hat die Hamburger „Bußgeldstelle“ übernommen, die sonst haufenweise Bürger mit hohen Bußgeldern belegt, wenn diese Menschen tatsächlich (oder angeblich) gegen die derzeit geltenden Corona-Vorschriften verstoßen. Dass Senator Grote selbst der höchste Vorgesetzte sowohl dieser „Bußgeldstelle“ wie auch der DIE ist, macht die Ermittlungen zu einer auch politisch brisanten Angelegenheit. Drei Parteien fordern bereits den Rücktritt des Senators. Der innenpolitische Sprecher der größten Oppositionspartei, der CDU, Dennis Gladiator, hat das so formuliert: „Der Innensenator klebt an seinem Stuhl. Mit jedem Tag schadet das der Glaubwürdigkeit des Senats.“
Der „Party-Senator“ lädt ein in eine Bar in der HafenCity – trotz Corona
Was war geschehen? Unmittelbar nach seiner kürzlichen (Wieder-)Wahl zum alten und neuen Innensenator hatte Andy Grote – mit persönlichen Textnachrichten – zu einem „Empfang“ geladen. Geladen waren 30 bis 50 seiner engsten Weg-Genossen. Nicht etwa in sein Büro oder in einen großen Konferenz-Saal seiner Behörde. Sondern in eine stadtbekannte Bar in der modernen HafenCity, die in Hamburg als besonders chic gilt.
Nach Bild-Informationen hatte Grote ins „Toni“, der Bar des „Club 20457“ eingeladen. Der von Grote extra bestellte Raum wird anscheinend auch als „Showküche“ genutzt und soll Platz für etwa 80 Personen bieten. Die Behörde erklärte dazu nur, man habe sich „im anliegenden Bereich eines Gastronomiebetriebes“ getroffen. Die Behördenleitung sagt in diesem Zusammenhang aktuell, der Rahmen sei so gewählt worden, dass „alle geltenden Bestimmungen eingehalten werden konnten“.
Selbst unter vielen Polzisten, die angehalten sind, die Einhaltung der Corona-Bestimmungen strikt zu überwachen, ist freilich längst von einer „Corona-Party“ die Rede, zu der „Party-Senator“ eingeladen habe – trotz der geltenden Corona-Regeln.
Ein Event-Manager will die Stadt verklagen – auf Schadenersatz
Nun bekommt Hamburgs Innensenator Andy Grote seit Tagen „verbal Feuer, weil er trotz Corona-Regeln einen Stehempfang organisiert hat“ (Bild-Zeitung). Erst einige Tage nach Bekanntwerden der Feier am Hamburger Hafen sah sich der umtriebige Senator veranlasst, sich für seine fröhliche Feier – bei der wohl rund 30 bis 50 Gäste anwesend gewesen sind, öffentlich zu entschuldigen. Mehr oder weniger überzeugend. Politisch und moralisch habe er sich fehlverhalten. Rechtlich aber angeblich nicht.
Nach wie vor möchte der Innensenator seine Kritiker beschwichtigen: Es habe sich lediglich um einen „Stehempfang“ gehandelt, zu dem die Gäste sozusagen „in Etappen“ erschienen seien. Mehr als 15 Personen auf einmal seien bei dem Event nicht anwesend gewesen. Außerdem beteuert Grote nun reichlich nebulös, „die Zusammenkunft habe rechtlich nur ‚einer gemeinsamen Verabredung zum Besuch eines Gastronomiebetriebs‘ entsprochen“ (Hamburger Abendblatt).
Einer der bekanntesten Event-Gastronomen in der Hamburger Metropolregion ist ob der Grote-Feier wütend: Lars Brinkmann meint, es könne nicht sein, dass sein Gastronomie-Unternehmen alle geplanten Events absagen musste, während ausgerechnet der Innensenator Hamburgs zu einem privaten Event im Hafen einlade. Brinkmann erwägt, gegen den Senat zu klagen. Er fordert Schadenersatz.
Es hagelt Kritik aus der ganzen Stadt
Nach seiner erneuten Wahl zum Bürgermeister und der Bestätigung seines neuen Senats hat Peter Tschentscher (SPD) am Mittwoch in der Bürgerschaft eine – durch Corona verspätete – Regierungserklärung abgegeben (Motto: „Hamburgs Zukunft kraftvoll gestalten“). In der anschließenden „Aussprache durch die Fraktionen“ stellte der CDU-Fraktionsvorsitzende Dennis Thering die Glaubwürdigkeit des rot-grünen Senats insgesamt in Frage. Es sei unverständlich, dass Tschentscher zögere, seinen jetzigen Innensenator zu entlassen. Ein Senator, so der CDU-Politiker, „der seine eigene Corona-Party feiert und vorsätzlich gegen Corona-Regeln verstößt“, sei nicht tragbar.
Die Linke bezeichnet den Rücktritt Grotes als „seit Langem überfällig“. AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann warf dem Senator vor, in „arroganter Selbstüberschätzung über dem vom Senat selbst gesetzten Recht zu stehen“. Grote habe sich damit für dieses Amt disqualifiziert. Die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein sieht das offenbar ähnlich und positioniert sich dabei begrifflich eher unverständlich. Ein „Grenzfallverursacher“ könne „nicht Innensenator bleiben – man denke nur, es müsste bei einer zweiten Corona-Welle erneut strenge Maßnahmen durchsetzen“.
Für den Hamburger CDU-Bundestagsabgeordneten Christoph de Vries ist das Verhalten Grotes nicht nachvollziehbar: „Dass er als ‚Party-Senator‘ von sich reden macht, während Menschen in Pflegeheimen kaum Besuch empfangen können und Familien keine Kindergeburtstage mit Großeltern feiern dürfen, ist ein Schlag ins Gesicht Hunderttausender Hamburgerinnen und Hamburger.“ Indirekt fordert de Vries ebenfalls, der stellvertretender CDU-Landesvorsitzender ist, den Rücktritt Grotes – mit den vornehm-zurückhaltenden Worten: Der Bürgermeister, der stets zur Disziplin mahne, werde wissen, „was zu tun ist“.
Gewerkschaften, Grüne, SPD und der Bürgermeister halten sich noch zurück
Auffällig ist, dass sich die Grünen bisher zur Personalie Grote nicht geäußert haben. Der SPD-Fraktionschef in der Hamburger Bürgerschaft, Dirk Kienscherf, äußerte sich am Montagabend eher sybillinisch. Er übte zwar in seiner Fraktion Kritik an seinem Parteigenossen Andy Grote, „bekundete aber gleichzeitig seine Solidarität“ (Abendblatt). Diese auffällige Zurückhaltung mag damit zusammen hängen, dass nach Informationen der Bild-Zeitung auch einige SPD-Bürgerschaftsabgeordnete an der behördlichen Sause ausgerechnet außerhalb der Innenbehörde teilgenommen haben.
Bei den Polizeigewerkschaften sorgt der Fall Grote intern für Fassungslosigkeit. Da der SPD-Politiker aber insbesondere bei der grundsätzlich zur SPD tendierenden Führung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) bisher eher beliebt ist, hüllt sich die GdP öffentlich in Schweigen. Ebenfalls die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) wollte sich auf Rückfrage von TE in der Hamburger Landesgeschäftsstelle der DPolG zu dem Skandal nicht äußern.
Vielsagend schreibt das gewöhnlich gut informierte Hamburger Abendblatt dazu: „Wegen des geringen Frauenanteils“ habe der Bürgermeister schon kurz nach der letzten Regierungsbildung versprochen, „im Falle von Umbesetzungen in der Wahlperiode eine weitere Frau in den Senat zu holen“.
Jedenfalls zeigt der Fall des „Party-Senators“ Grote exemplarisch, dass ein großer Teil unserer heutigen politischen „Eliten“ in selbstherrlicher Form Wasser predigt, aber selbst – im wahrsten Sinne des Wortes – Wein trinkt. Viel Wein.