„Das ist ein bedeutender Tag für Hamburg!“ – so äußerte sich Umweltminister Jens Kerstan (Grüne) erfreut, als am Sonntag die beiden Schornsteine des ehemaligen Kraftwerks Moorburg gesprengt wurden. Für den Vielflieger Kerstan, der zu seinen Flügen in sein Ferienhaus auf Mallorca einst sagte: „Es wäre nicht authentisch, für ein Amt auf Zeit meine Urlaubsplanung und Familientradition komplett zu verleugnen“, scheint die Sorge der Hamburger Industrie um Versorgungssicherheit wenig Gewicht zu haben. Sein Hauptziel scheint die Umstrukturierung der Energieversorgung zu sein.
Das Kraftwerk Moorburg, 2015 in Betrieb genommen, galt weltweit als eines der modernsten Steinkohlekraftwerke und erreichte mit einem Wirkungsgrad von 46,5 Prozent außergewöhnliche Effizienzwerte. Die beiden Blöcke mit einer Kapazität von jeweils 800 MW wurden für insgesamt 3,5 Milliarden Euro errichtet und sollten ursprünglich bis mindestens 2038 Strom produzieren – zuverlässig und kostengünstig. Doch bereits im Dezember 2020 gab die Bundesnetzagentur unter grüner Führung die Stilllegung beider Blöcke frei, und am 7. Juli 2021 wurde das Kraftwerk endgültig abgeschaltet.
Moorburg spielte eine zentrale Rolle in der Stromversorgung des Nordens, insbesondere für die Wirtschaftsregion Hamburg und Umgebung, mit Großabnehmern wie dem Hafen, metallverarbeitenden Betrieben und Airbus. Offen bleibt, wie künftig die Fernwärmeversorgung sichergestellt werden soll, die einst Moorburg abdecken sollte – ein Ersatzplan fehlt bislang.
Die Grünen in Hamburg hatten sich seit Langem für die Stilllegung starkgemacht, und die rot-grüne Stadtregierung erschwerte Vattenfall den Betrieb, bis das Unternehmen letztlich aufgab. Auch Umweltverbände wie der BUND und Greenpeace setzten sich gegen das Kraftwerk ein und warben gleichzeitig um Spenden („Der Einsatz des BUND für den Klimaschutz darf nicht an den Kosten scheitern“).
Der schwedische Betreiber Vattenfall verlor zusehends das Interesse an der Anlage und entschied sich schließlich zum Verkauf an die Hamburger Energiewerke. Nun soll auf dem Gelände ein Wasserstoffprojekt entstehen, das allerdings von vielen als ambitioniert und als nur schwer umsetzbar betrachtet wird. Geplant ist der Einsatz von Elektrolyseuren, die Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufspalten sollen. Die Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) sagte optimistisch: „Wir befinden uns mitten im Umbau zu einer klimafreundlichen Wirtschaft und Industrie. Auch künftig werden wir auf eine verlässliche und bezahlbare Energieversorgung angewiesen sein und weiterhin ein Industriestandort bleiben. Deshalb setzen wir auf eine Importstrategie und die Produktion von Wasserstoff vor Ort.“
Allerdings bleibt offen, wie die enormen Strommengen für die geplante Wasserstoffproduktion bereitgestellt werden sollen. Die Abhängigkeit von Wetterbedingungen wird besonders in Zeiten ohne Wind und Sonne – sogenannten Dunkelflauten – problematisch. In den letzten Wochen hätte es kaum ausreichend Strom für Elektrolyse-Anlagen gegeben: Das trübe Herbstwetter verdeutlicht die Herausforderung der Versorgungssicherheit. Was feindliche Truppen durch gezielte Sabotage der Energieinfrastruktur anrichten könnten, hat die rot-grüne Politik gewissermaßen vorweggenommen.
In drei Jahren soll die Wasserstoffproduktion starten, doch die benötigten gigantischen Strommengen lassen Zweifel an der Realisierbarkeit aufkommen. Tatsächlich gehen bei der Umwandlungskette Windkraft – Strom – Wasserstoff – Rückverstromung bis zu 80 Prozent der ursprünglichen Energie verloren, was den Prozess extrem ineffizient und kostspielig macht.
Für die Anlage sind mehr als fünf Tonnen Wasserstoff als Vorrat vorgesehen – eine Menge, die im Falle eines Unfalls beträchtliche Schäden verursachen könnte. Aus diesem Grund unterliegt das Projekt der Störfall-Verordnung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz. Die Genehmigung wurde bisher jedoch nicht beantragt, und eine Antragskommission muss noch eingerichtet werden. Die damit verbundenen rechtlichen und sicherheitstechnischen Herausforderungen sind erheblich.
Geplant ist eine Elektrolyse-Anlage mit einer Leistung von 100 MW – weit entfernt von den 1.654 MW, die das ehemalige Kohlekraftwerk für die Versorgung Hamburgs bereitstellte. Eine beträchtliche Versorgungslücke ist daher absehbar.
Kernkraft-Experte Manfred Haferburg bezeichnete diese Entwicklungen in einem Gespräch mit TE als „klare Sabotage“. TE hat wiederholt auf die Versorgungsengpässe und die rapide steigenden Strompreise hingewiesen.
Der NDR erwähnte in seinem Bericht zur Sprengung lediglich, dass es sich um eine „Bilderbuch-Sprengung“ handelte – ohne ein Wort über die wachsende Versorgungslücke und die zunehmend hohen Energiekosten zu verlieren.