Für die Hamburger Stadtkasse erwiesen sich Corona-Bußgeldbescheide als üppige Einnahmequelle. Das geht aus einer Antwort auf eine Anfrage der AfD-Bürgerschaftsfraktion hervor. Demnach verschickte die Hansestadt bisher insgesamt 47.076 Bußgeldbescheide wegen oft geringfügiger Verstöße gegen die häufig wechselnden und widersprüchlichen Auflagen, und kassierte auf diese Weise über 8 Millionen Euro.
Ein Fall, der in Hamburg für große Aufmerksamkeit sorgte, betraf ein Rentnerehepaar. Sein Vergehen: Die 87-jährige Dame, die unter Demenz leidet, hatte das Bedürfnis nach einer Toilette verspürt, als beide in der Stadt unterwegs waren. Beide gingen deshalb in eine Bäckerei – und versäumten es dort, den Kontaktbogen vollständig auszufüllen. Ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes, der zur Kontrolle vorbeikam, entdeckte den Verstoß.
Die Folge: Das Seniorenpaar erhielt einen Bußgeldbescheid über 357 Euro. Immerhin hob ein Richter jetzt den Bescheid gegen den Rentner auf. Das Verfahren gegen die Frau läuft noch, soll aber laut Gericht eingestellt werden. Der Richter stellte fest, dass die Corona-Verordnung des Senats überhaupt nicht festgelegt hatte, in welchem Zeitraum der sogenannte Kontaktbogen auszufüllen sei.
In Hamburg gewinnt das kleinliche Vorgehen der Justiz selbst gegen eine demente Rentnerin eine besondere Brisanz, weil die gleiche Behörde vor Kurzem entschied, nach einer Anzeige des renommierten Strafrechtsanwalts Gerhard Strate gegen Kanzler Olaf Scholz gar nicht erst zu ermitteln. Strate hatte den Bundeskanzler am 15. Februar 2022 wegen des Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung und der Falschaussage angezeigt. Es ging dabei um die Cum-Ex-Geschäfte des Hamburger Bankhauses Warburg, die im rechtlichen Graubereich stattfanden und mittlerweile als illegal gelten. Hamburgs Finanzverwaltung hatte von der Warburg-Bank deshalb eine Steuernachzahlung von 47 Millionen Euro gefordert.
Nach insgesamt vier Gesprächen leitender Bankiers mit dem damaligen Ersten Bürgermeister Olaf Scholz nahm die Finanzbehörde die Forderung zurück. Einen möglichen Tatbestand der Beihilfe durch Scholz, schrieb die Staatsanwaltschaft an Strate, könne sie nicht erkennen – und auch keinen Verdacht der Falschaussage. Scholz hatte vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss angegeben, er könne sich an den Inhalt seiner Gespräche mit den Warburg-Bankern nicht mehr erinnern.
Erinnerungslücken, meint dagegen die zuständige Oberstaatsanwältin damals in ihrem Begründungsschreiben zur Nichtaufnahme eines Ermittlungsverfahrens, seien „ein häufig diagnostiziertes Problem“.