Habecks Offenbarungseid: „Unkontrollierte“ Meinungsvielfalt „nicht mehr akzeptabel“
Anna Diouf
Statt die schier unbegrenzte Informationsfülle und Pluralität der digitalen Welt als Chance zu begreifen, ist sie für Robert Habeck eine Bedrohung: Unverhohlen prangert er die Meinungsfreiheit als Gefahr für die Demokratie an – und erweist sich damit selbst als antidemokratisch und freiheitsfeindlich.
Die unüberschaubare Meinungsvielfalt in der digitalen Welt – sie ist vor allem jenen ein Dorn im Auge, denen daran gelegen ist, möglichst unbeobachtet herumstümpern zu können; namentlich Ampelpolitikern, die sich angesichts ihres totalen Versagens selbst eine nur ansatzweise kritische Presse nicht leisten können.
Allerdings tun die gegenwärtigen Protagonisten der Öffentlichkeit den Gefallen, sich freiwillig selbst zu demaskieren, auch ohne dass ihnen Investigativjournalisten auf die Pelle rücken. Schockierend freimütig etwa gab Robert Habeck bereits am 17. Oktober bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) seine Haltung zur Meinungsfreiheit zu Protokoll: Die „unregulierte Form von diesen sozialen Medien“ sei „nicht mehr akzeptabel“, sagt er mit Blick auf X. Man müsse darauf achten, die Algorithmen transparent zu machen und „schärfer und konsequenter“ so zu regulieren, „dass nicht der Raum der Demokratie (…) unmöglich gemacht wird“.
Die „unkontrollierte“ Meinungsvielfalt, also das, was in Form der Meinungs- und Pressefreiheit grundgesetzlich garantiert ist – und jede freiheitliche Gesellschaft auszeichnet, die will Robert Habeck nicht hinnehmen. In seinem Beitrag prangert er Einflussnahme durch „amerikanische Millionäre, die Trump unterstützen“, oder „durch China“ an. Die chinesische Technik würde ja in China selbst auch reguliert, fügt er an: China als Vorbild?
Ein autokratischer Staat reguliert den Informationsfluss, und Habeck will dem nacheifern, um die „liberale Demokratie“ zu schützen? Das ist wohl die sinnfälligste medienpolitische Manifestation der Redewendung, den Bock zum Gärtner machen zu wollen. Und es offenbart eben auch die illiberale, antidemokratische Haltung Habecks: Im Namen der Freiheit soll die Freiheit nicht nur eingeschränkt, sondern empfindlich beschnitten, letztlich ausgehebelt werden.
Dem Bürger ist offensichtlich nicht zuzutrauen, dass er Informationen kompetent einordnen kann. Nun: Sollte dies der Fall sein, sollte sich Habeck an die Bildungsminister im Land wenden. An „Paketen“ ist die Regierung ja nicht arm, warum nicht noch gleich ein Medienkompetenz-Paket schnüren, wenn man schon dabei ist, Milliarden, die man nicht hat, zu verschenken. Womöglich ist aber gerade die Kompetenz des Bürgers eben Teil des Problems, und nicht der Lösung – in Habecks Augen zumindest.
Elon Musk, der hier auf einer Ebene mit China angegriffen wird, hat dagegen mit X ein Forum geschaffen, das sich der Kontrolle und Meinungshegemonie entzieht: Durch die dezidierte Einbeziehung der Kompetenz der Nutzer in Form von „Community Notes“, also Anmerkungen der Online-„Gemeinschaft“, das heißt durch den Rückgriff auf das gesammelte Wissen der X-Nutzer und ein zensurarmes Umfeld werden sowohl umfassende Information als auch Diskurs gefördert und zugleich die schnelle Offenlegung von Falschinformationen sichergestellt. X macht vor, wie Information im digitalen Zeitalter so zuverlässig wie möglich funktioniert.
Dadurch leistet X einen Beitrag gegen die von Habeck als Schreckgespenst an die Wand gemalte Polarisierung, die der Destabilisierung der Gesellschaft diene. Echokammern und „Bubbles“ sind naturgemäß ein Problem algorithmusgesteuerter Kommunikation, aber man kann ihnen eben nicht begegnen, indem man Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit einschränkt. Effektivster Treiber der zunehmenden gesellschaftlichen Polarisierung ist ja gerade nicht die auf X herrschende „Anarchie“, sondern der Versuch seitens der Politik und der Mainstreammedien, allen voran des ÖRR, einen tendenziell regierungsfreundlichen, ideologisch linksgerichteten Meinungsrahmen vorzugeben, der in den Menschen die Gewissheit bestärkt, belogen, oder zumindest nur selektiv informiert zu werden.
Habeck hingegen hängt einer Vergangenheit an, die er auch durch die von ihm geforderte „schärfere Anwendung des DSA“ nicht wiederherstellen wird: Wir leben nun einmal in einer Welt, in der jeder mit einem Konto in den sozialen Medien potentiell zum Publizisten und Medienschaffenden wird. Eine grenzenlose Pluralität, die nicht dadurch entwertet wird, dass sie „von Millionären“ ermöglicht wird.
Sicher: Die Funktion einzelner Investoren und Besitzer von Online-Plattformen stellt für sich eine Herausforderung dar. Es ergeben sich viele Fragen in Bezug auf Teilhabe, auf die Auswirkungen digitalmedialer Entwicklungen auf die „reale“ Welt, und grundlegender, inwieweit sich beide Bereiche überhaupt noch trennscharf voneinander abgrenzen lassen. All das aber sind Fragen, die sich am besten im freien und freimütigen Meinungsaustausch verhandeln lassen.
Und sie gehen weit tiefer als Habecks Schielen in Richtung autokratischer Absicherung der eigenen Machtbasis durch Einschränkung der Informationsfreiheit. Ein Offenbarungseid, mit dem sich Habeck zu einer Bigotterie und Heuchelei bekennt, die ihresgleichen sucht, und die in einer tatsächlich freien, demokratischen und pluralen Gesellschaft keinen Platz hat.
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