Tichys Einblick
Haushaltsdebatte

Habecks Energiewende-Erzählung: Erneuerbare als Energie der Freiheit

In der Haushaltsdebatte versucht Wirtschaftsminister Robert Habeck, die Freiheit von russischem Gas mit der grünen Erzählung von der Energiewende zu verknüpfen. Wer darum kämpfe, sich von den fossilen Energien freizumachen, der kämpfe für die Freiheit.

Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) im Deutschen Bundestag in Berlin, 24.3.2022

IMAGO / Political-Moments

Seit Dienstag wird im Bundestag der neue Haushalt beraten. Jedoch dürfte der von Finanzminister Christian Lindner vorgelegte Entwurf in wichtigen Punkten bereits überholt sein. Denn die finanziellen Effekte des russischen Kriegs und die daraus folgenden Kosten für Deutschland fehlen. Darunter die ansteigenden Energiepreise oder die Auswirkungen der Sanktionen gegen Russland. Zwar sind Ausgaben für die humanitäre Hilfe vorgesehen, dagegen nichts für die Versorgung der Menschen, die aus der Ukraine hierher fliehen. Daher sollen nun mit einem Nachtragshaushalt die Kosten für die Versorgung berücksichtigt werden. In diesem werden voraussichtlich auch die Einbußen durch das heute früh angekündigte Energiepreisentlastungspaket abgedeckt.

Adieu Schuldenbremse
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Am Donnerstag stand der Etat von Wirtschaftsminister Habeck auf der Tagesordnung. „Machen wir uns frei von den fossilen Energien, erst aus Russland, dann insgesamt“, so der Kernsatz seiner Rede. Die konkrete Antwort auf den Aggressor Russland soll somit verbal eingepasst werden in die Erzählung von der Energiewende. „Wir befreien uns mit großer Geschwindigkeit von der Abhängigkeit von russischen fossilen Energien. Nicht nur von den fossilen Energien, sondern wir kämpfen gegen eine Infrastruktur, die die Abhängigkeit noch vergrößert hat. Gasprom besitzt den größten Speicher in Deutschland, der über den letzten Sommer geleert wurde. Als Vorbereitung, uns in diesem Winter zu gängeln. Rosneft besitzt eine große Ölraffinerie in Ostdeutschland. Nordstream 2 wurde gebaut. Wir haben all das korrigiert oder sind dabei, es zu korrigieren. … Wenn man sich davon unabhängig machen will, muss man noch für Alternativen sorgen. Das heißt, wir bauen LNG-Terminals und wir kaufen die Rohstoffe ein, die wir brauchen, um diese LNG-Terminals zu betreiben.“

Dass diese Abhängigkeit von russischem Gas nicht zuletzt durch den doppelten Ausstieg aus Kernenergie und Kohleverstromung forciert wurde, ließ Habeck unerwähnt.

„Der qualitative Unterschied,“ so Habeck weiter, „ist nicht das Herkunftsland, der qualitative Unterschied ist, dass wir uns nie wieder in die Hand von nur einem Lieferanten begeben wollen. Das was wir machen ist, die Energieversorgung in unserem Land breiter und sicherer aufzustellen. Der Weg über die Gasbrücke wird immer kürzer werden, je höher die Preise sind. Wir bauen die Wasserstoff-Infrastruktur auf, wir sorgen dafür, dass der Hochlauf von Wasserstoff stattfindet. Dafür bauen wir die Erneuerbaren Energien nach Jahren des Stillstands mit großer Dringlichkeit aus.“

Das Gleiche gelte für die Netze. Und es werde auch zu wenig über Effizienz und Einsparung geredet. Doch es mache keinen Sinn, auch bei den hohen Preisen, dagegen anzusubventionieren. Den Verbrauch zu verringern, die Effizienz zu steigern, sei das Gebot der Stunde. „So geht eine Zeitenwende, so lösen wir uns aus dem Klammergriff, der in den letzten Jahren entweder durch Unwissenheit oder durch strategische Blindheit immer enger gezogen wurde.“ 

"Entlastungspaket"
Entlastungen durch die Vordertür, Belastungen durch die Hintertür
Bemerkenswert, weil durchaus nicht selbstverständlich im politischen Betrieb, war ein Eingeständnis Habecks: Deutschland sei noch nicht in der Lage, ein vollständiges Embargo auf Kohle, auf Öl oder auf Gas aus Russland zu verhängen. Das sei zuzugeben und es sei bitter genug, das zuzugeben. Diese Sätze sind sicherlich auch an die Verbündeten gerichtet, die heute in Brüssel zu einem Dreifachgipfel von EU, Nato und G7 zusammenkommen.

Anschließend hob Habeck darauf ab, ob ein Embargo auf die drei Energieträger zu einem Erfolg führten. Die Indizien anderer Embargos gegen Aggressorstaaten zeigten, dass Maßnahmen, die man ergreifen könnte, zu einem sofortigen Ergebnis führten. „Deswegen ist die Politik der Bundesregierung, nicht unbedacht zu handeln, sondern Schritt für Schritt die Voraussetzungen zu schaffen, dass wir uns außenpolitisch und sicherheitspolitisch freien Raum erkämpfen, um dann die Maßnahmen auch durchzuhalten, die wir ergreifen. Das ist das Gebot der Stunde.“

Erstaunlich für einen grünen Wirtschaftsminister auch seine Feststellung, „dass wir nach 16 Jahren unionsgeführter Regierung eine Übersubventionierung in vielen Bereichen haben … Und darum geht es jetzt: bei hoher Inflation und bei schwächelnder Konjunktur durch die Krise die Kräfte des Marktes zu entfalten. Nicht blind zu entfalten, sondern ihm eine Richtung zu geben. Eine Richtung, die Rohstoffverbrauch und Klimaschutz und Unabhängigkeit kombiniert mit Wachstum und Wohlstand in diesem Land. Das tun wir mit dem vielen Geld, das unserem Haus zur Verfügung gestellt wird, mit den 200 Milliarden für den Klima- und Transformationsfonds. Mit dem Grundhaushalt, der ungefähr 11 Milliarden beträgt.“

Wie auch schon Finanzminister Lindner vor ihm von „Freiheitsenergien“ sprach, verknüpfte auch Habeck: „Heute vor einem Jahr hat das Bundesverfassungsgericht ein wegweisendes Urteil gefällt“, führt Habeck weiter aus. „Es lässt sich zusammenfassen mit dem Satz: wer das Klima schützt, schützt die Freiheit. … Und es ging wie ein Beben durch die politische Landschaft. … Heute muss man übersetzen: wer darum kämpft, sich von den fossilen Energien freizumachen, der kämpft für die Freiheit. Das bedeutet Zeitenwende. Machen wir uns frei von den fossilen Energien, erst aus Russland, dann insgesamt. So kämpfen wir für die Freiheit. So kämpfen wir für die Ukraine, für die Freiheit.“

Die verbale Verbindung der Energiewende mit dem Begriff der Freiheit soll offenkundig das Bindemittel sein, um einerseits der Koalition mit der FDP eine erzählerische Grundlage zu geben, andererseits durch die Gleichsetzung von fossiler mit russischer Energie die Energiewende – die tatsächlich durch den doppelten Ausstieg aus Kohle und Kernenergie die Abhängigkeit von russischem Gas erst forciert hat – in Zeiten steigender Belastungen und Unsicherheit durch den Ukraine-Krieg nicht in Frage zu stellen.

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