Seit Dienstag wird im Bundestag der neue Haushalt beraten. Jedoch dürfte der von Finanzminister Christian Lindner vorgelegte Entwurf in wichtigen Punkten bereits überholt sein. Denn die finanziellen Effekte des russischen Kriegs und die daraus folgenden Kosten für Deutschland fehlen. Darunter die ansteigenden Energiepreise oder die Auswirkungen der Sanktionen gegen Russland. Zwar sind Ausgaben für die humanitäre Hilfe vorgesehen, dagegen nichts für die Versorgung der Menschen, die aus der Ukraine hierher fliehen. Daher sollen nun mit einem Nachtragshaushalt die Kosten für die Versorgung berücksichtigt werden. In diesem werden voraussichtlich auch die Einbußen durch das heute früh angekündigte Energiepreisentlastungspaket abgedeckt.
Dass diese Abhängigkeit von russischem Gas nicht zuletzt durch den doppelten Ausstieg aus Kernenergie und Kohleverstromung forciert wurde, ließ Habeck unerwähnt.
„Der qualitative Unterschied,“ so Habeck weiter, „ist nicht das Herkunftsland, der qualitative Unterschied ist, dass wir uns nie wieder in die Hand von nur einem Lieferanten begeben wollen. Das was wir machen ist, die Energieversorgung in unserem Land breiter und sicherer aufzustellen. Der Weg über die Gasbrücke wird immer kürzer werden, je höher die Preise sind. Wir bauen die Wasserstoff-Infrastruktur auf, wir sorgen dafür, dass der Hochlauf von Wasserstoff stattfindet. Dafür bauen wir die Erneuerbaren Energien nach Jahren des Stillstands mit großer Dringlichkeit aus.“
Das Gleiche gelte für die Netze. Und es werde auch zu wenig über Effizienz und Einsparung geredet. Doch es mache keinen Sinn, auch bei den hohen Preisen, dagegen anzusubventionieren. Den Verbrauch zu verringern, die Effizienz zu steigern, sei das Gebot der Stunde. „So geht eine Zeitenwende, so lösen wir uns aus dem Klammergriff, der in den letzten Jahren entweder durch Unwissenheit oder durch strategische Blindheit immer enger gezogen wurde.“
Anschließend hob Habeck darauf ab, ob ein Embargo auf die drei Energieträger zu einem Erfolg führten. Die Indizien anderer Embargos gegen Aggressorstaaten zeigten, dass Maßnahmen, die man ergreifen könnte, zu einem sofortigen Ergebnis führten. „Deswegen ist die Politik der Bundesregierung, nicht unbedacht zu handeln, sondern Schritt für Schritt die Voraussetzungen zu schaffen, dass wir uns außenpolitisch und sicherheitspolitisch freien Raum erkämpfen, um dann die Maßnahmen auch durchzuhalten, die wir ergreifen. Das ist das Gebot der Stunde.“
Erstaunlich für einen grünen Wirtschaftsminister auch seine Feststellung, „dass wir nach 16 Jahren unionsgeführter Regierung eine Übersubventionierung in vielen Bereichen haben … Und darum geht es jetzt: bei hoher Inflation und bei schwächelnder Konjunktur durch die Krise die Kräfte des Marktes zu entfalten. Nicht blind zu entfalten, sondern ihm eine Richtung zu geben. Eine Richtung, die Rohstoffverbrauch und Klimaschutz und Unabhängigkeit kombiniert mit Wachstum und Wohlstand in diesem Land. Das tun wir mit dem vielen Geld, das unserem Haus zur Verfügung gestellt wird, mit den 200 Milliarden für den Klima- und Transformationsfonds. Mit dem Grundhaushalt, der ungefähr 11 Milliarden beträgt.“
Wie auch schon Finanzminister Lindner vor ihm von „Freiheitsenergien“ sprach, verknüpfte auch Habeck: „Heute vor einem Jahr hat das Bundesverfassungsgericht ein wegweisendes Urteil gefällt“, führt Habeck weiter aus. „Es lässt sich zusammenfassen mit dem Satz: wer das Klima schützt, schützt die Freiheit. … Und es ging wie ein Beben durch die politische Landschaft. … Heute muss man übersetzen: wer darum kämpft, sich von den fossilen Energien freizumachen, der kämpft für die Freiheit. Das bedeutet Zeitenwende. Machen wir uns frei von den fossilen Energien, erst aus Russland, dann insgesamt. So kämpfen wir für die Freiheit. So kämpfen wir für die Ukraine, für die Freiheit.“
Die verbale Verbindung der Energiewende mit dem Begriff der Freiheit soll offenkundig das Bindemittel sein, um einerseits der Koalition mit der FDP eine erzählerische Grundlage zu geben, andererseits durch die Gleichsetzung von fossiler mit russischer Energie die Energiewende – die tatsächlich durch den doppelten Ausstieg aus Kohle und Kernenergie die Abhängigkeit von russischem Gas erst forciert hat – in Zeiten steigender Belastungen und Unsicherheit durch den Ukraine-Krieg nicht in Frage zu stellen.