Grünen-Chef Robert Habeck hält ein „Grundrecht auf Wohnen“ für legitim. Und er hält dieses Grundrecht für vereinbar mit der Marktwirtschaft, und zwar „unbedingt“, so jedenfalls sagt er es der WELT am Sonntag. Denn, so Habeck weiter: „Der Markt soll dem Gemeinwohl dienen. Das tut der Wohnungsmarkt aber nicht mehr. Der Markt versagt. Die enormen Spekulationsgewinne der letzten Jahrzehnte finden keine gesellschaftliche Akzeptanz mehr, und eine Politik, nicht nicht wirksam gegen die Wohnungsnot vorgeht, auch nicht. Die Politik muss eingreifen und die öffentliche Hand wieder stärker Wohnraum selbst besitzen, damit das Recht auf Wohnen eingelöst werden kann.“
Kritik sogar von den Getreuesten
Das haben sogar die klar auf Grün-Kurs fahrenden Journalisten der Süddeutschen Zeitung bemerkt. Es erstaunt sehr, ist aber tatsächlich so: Kurt Kister findet gegenüber dem bei seinem Blatt fast Heiligenstatus genießenden Habeck zu einer Spur von Ironie, wenn er schreibt: „Robert Habeck, aktueller Pandabär der deutschen Politik, weiß tatsächlich, wie man populär bleibt. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass man keine Verantwortung trägt, jedenfalls nicht in dem Sinne, dass man das, was man gerade vertritt, vielleicht auch gleichzeitig in der Regierung umsetzen muss. Eine andere wichtige Voraussetzung besteht darin, so zu reden, dass möglichst viele den Eindruck haben: Der Habeck sieht das so wie ich.“ Wohlgemerkt – Kister kommentiert hier Habecks aktuelle Enteignungsphantasien.
Grüner Sozialismus auf kleiner Flamme
Knapp 30 Jahre nach dem Sturz der SED-Regierung in einem Teil Deutschlands ist sie wieder da, die Debatte um eines der großen Themen des Kommunismus: die Enteignung der Bürger. Roger Willemsen zitierte in seiner posthum veröffentlichten „Zukunftsrede“, die er wenige Wochen vor Merkels Grenzöffnung hielt, im Juli 2015, den italienischen Philosophen Giambattista Vico wie folgt: „Zuerst fühlen die Menschen das Notwendige, dann achten sie auf das Nützliche, darauf bemerken sie das Bequeme, weiterhin erfreuen sie sich am Gefälligen, später verdirbt sie der Luxus, schließlich werden sie toll und zerstören ihr Erbe.“ Und Willemsen, der dies geistige Vermächtnis unter den Titel „Wer wir waren“ stellte, setzt hinzu: „Der Genuss einer Tollheit, der Genuss der Zerstörung, der Genuss einer Sprache, die so zerstört! Wir hören sie und fühlen in ihr die Wucht der gläubigen Barbaren, die mit dem Vorschlaghammer im Weltkulturerbe stehen, um es zu zertrümmern.“
Fast drängen sich die Bilder von den IS-Kämpfern im Irakischen Nationalmuseum auf, die mit dem Preßlufthammer die knapp 3.000 Jahre alte, überlebensgroße Marmoskulptur eines geflügelten Stiers zermörsert, doch es geht auch eine Nummer kleiner: Die bürgerliche Gesellschaft, die gewachsene, ausgewogene Beziehung zwischen Hauseigentümern und ihren Mietern, das funktionierende, mehrheitlich konservative Milieu einer städtischen Gesellschaft: hier lohnt es aus Sicht von Habeck wohl auch, den Vorschlaghammer der Enteignung anzusetzen.
Vielleicht machen die Bürger ja diesmal mit, nachdem es ab 1919, nach 1933 und sogar ab 1946 nicht so recht klappen wollte. Angesichts der aktuellen Massendemonstrationen wäre es aber interessant, herauszufinden, wie viele derjenigen, die sich hinter dem Banner mit der Enteignungsforderung versammelten, den Artikel 14 des Grundgesetzes im Wortlaut aufsagen können. Ach, man darf nicht zuviel verlangen: sinngemäß, wenigstens den ersten Satz, das würd’ schon helfen. Denn allzu viel darf man nicht mehr verlangen im Deutschland des Jahres 2019.