Tichys Einblick
Bettina Röhl direkt zu dem Jubel um den Nobelpreisträger, den alle lesen mussten

Günter Grass ist tot!

Der alte Danziger hat die Geschichte der Bundesrepublik 60 Jahre lang zwischen Hellsichtigkeit und Irrtum, gleichsam zwischen der CIA und KGB, zwischen Gruppe 47 und 68 und immer stramm ganz oben schwimmend beeinflusst. Als literarisch womöglich überschätzter Nobelpreisträger war Grass in den letzten Jahrzehnten zur moralischen Instanz geworden, die mit der spät (2006) enthüllten Mitgliedschaft in der Waffen-SS (als 17-jähriger am Ende des Krieges) ein paar Kratzer erfuhr.




Seine Kritiker, Marcel Reich-Ranicki und der mit ihm befreundete Fritz J. Raddatz, haben Grass literarisch über all die Jahre hin immer wieder auf das literarische Maß reduziert und ihn an anderer Stelle wohl zu Recht hochgelobt, insbesondere die Sprache von Günter Grass und dessen Kunst, seine eigenen Werke vorzutragen. Der Charme seiner manchmal gewaltigen Auftritte zog viele Menschen in seinen Bann.

Günter Grass war für ganze Schülergenerationen Pflichtlektüre. Auch ich habe die Blechtrommel in der Schule gelesen. Später habe ich im Rahmen einer Geschichte über Danzig für das Magazin Cicero einige der Spuren des jungen Günter Grass verfolgt.

Ich bin Grass ein paar Mal auf Geburtstagsfeiern und anderen Veranstaltungen von Schriftstellerkollegen begegnet, habe ihm aber nur einmal die Hand gegeben und ihm in die Augen gesehen. Ich war immer beeindruckt wie ehrfurchtsvoll und sogar ein bisschen unterwürfig ihm die Kollegen und Journalisten seiner Generation begegneten, während er selber im Raum saß, an seiner Pfeife zog und einfach Günter Grass war.

Mit dem Tod von Günter Grass wird ein Stück der Geschichte der alten Bundesrepublik endgültig zur Geschichte.

P.S. Vor drei Jahren hat Grass gesagt, „Was gesagt werden musste“. Mit diesem letzten Aufreger hatte sich Grass endgültig auf sein Altenteil gedichtet.
Damals, 2012, habe ich meinen kleinen „Nachruf“ auf das Werk von Grass geschrieben:

Günter Grass, rechts oder links?

Zuerst einmal ist festzuhalten, dass Günter Grass seinen Nobelpreis – vollkommen zu Recht – für Networking und Intrigantentum bekommen hat. Leider haben die Preisverleiher die Nobelplakette unter der Überschrift “Literatur” verpackt. Ein großer Literat indes ist Grass nicht. Er ist ein guter Rhetoriker, das macht ihn gelegentlich gefährlich. Und er kann – selten genug – wortgewaltig formulieren, aber ihm fehlt der Inhalt, ihm fehlt die Substanz.

Nehmen wir sein wichtigstes Werk, die Blechtrommel. Der Sache nach eine höchstgradig manierierte Idiotengeschichte über einen Dreijährigen, der sein weiteres Wachstum erfolgreich verweigert.
Aber: Grass ist ein geradezu genialer Verkäufer seiner eigenen Person und des großen Unsinns oder der großen Banalität seiner Werke. Grass zockt allerdings viele Menschen psychologisch an, in dem er meist unschöne Sexszenen in seine Machwerke einspengselt. Und ebenso substanzlos wie seine Literatur es zumeist ist, sind auch seine politischen Eskapaden. Politisch war Grass fast immer ein wortmächtiger Irrläufer und er war, anders als ihn seine linken Mainstream-Jünger sehen, ein grenzenloser, aber geschickter Opportunist.

Als es in jungen Jahren opportun schien SS-Mann zu werden, war es Grass recht. Als es Anfang der fünfziger Jahre opportun war, ein konservativer Antikommunist zu sein, schloss Grass sich der Gruppe 47 an, einem Literatenverein, den die CIA,  wie man in den letzten Jahrzehnten aus verschiedenen Quellen häufiger unwidersprochen lesen konnte, über Tarnorganisationen finanziell unterstützte. (Siehe hierzu auch mein Buch „So macht Kommunismus Spaß, S. 478 im Kapitel „Die Creme der Kritiker“) Grass kam aus kleinen Verhältnissen, und Geld stinkt nicht. Grass gelang es die in Deutschland wichtige Literatenveranstaltung die Gruppe 47 zusammen mit ein paar anderen unter seine Kontrolle zu bringen, so hart darf man es wahrscheinlich sagen.  Und dann Anfang der sechziger Jahre, kurz nach dem Erscheinen seiner Blechtrommel, nahm Grass die Witterung der linken Morgendämmerung im Westen auf. Er marschierte gemeinsam mit anderen hochprivilegierten Literaten wie Hans Magnus Enzensberger, die ebenfalls über Nacht zu Revolutions-Genossen mutierten – noch voll im antikommunistischen Establishment integriert  – in das Lager der New Left. Grass war also ein früher 68er, allerdings einer der höchst privilegierten Sorte und einer von denen, die die Linksextremisten, die das Demonstrationsgeschehen damals in Deutschland beherrschten, hoffähig machten.

Ab Ende der sechziger Jahre hatte sich Grass zu einer Wahlkampflokomotive Willi Brandts und zu einem Propagandisten der damals sogenannten neuen Ostpolitik von Brandt, Egon Bahr und co. gemacht. Seither ist Grass in fast allen Bundestagswahlkämpfen als Unterstützter der SPD aufgetreten und schwimmt demnach seit über vierzig Jahren als Fettauge oben im linken Mainstream obenauf.
Grass ist im Zweifel weder links noch rechts. Er ist ein Opportunist mit narzisstischen und egomanischen Anwandlungen. Ob er intelligenzmäßig wesentlich mehr als Mittelmaß auf die Waage bringt, mag man bezweifeln. Wie gesagt, substanziell gibts von ihm kaum mehr, als das, was der durchschnittliche 68er-Lehrer seit vierzig Jahren in seinem Schulunterricht repetiert. Aber Grass ist ein Intuitionsmensch und ein großes rhetorisches Talent, um es noch einmal zu wiederholen. Und er ist eine Eichgröße der furchtbaren politischen Korrektheit in Deutschland und das verwechseln viele mit moralischer Kompetenz.

Dieser urwüchsiger Grass ist inzwischen 85 Jahre alt, zehrt zunehmend vom Ruhm seiner Vergangenheit und so kam es wohl, dass er sein inzwischen wohl beinahe weltweit diskutiertes sogenanntes Gedicht als Leserbrief an die süddeutsche Zeitung schickte, in dem er nach dem Vorbild des “Empört Euch” – Greisen Stéphane Hessel über den Staat Israel sich also “empört” und, mindestens de facto, das iranische Streben nach einer Atombombe als Reaktion auf nukleare Kapazitäten Israels bezeichnet.

Grass gehört zu jenen, die den Anti-Israelismus des linken Lagers in Deutschland und im Westen und auch den dortigen linken Antisemitismus bestens kennen und er weiß auch, dass das linke Lager stets geschickt genug war, Ausschwitz den anderen Deutschen anzuhängen und sich selber als Israel-Freund zu verkaufen, während man gleichzeitig die anti-islamischen, sozialistischen und gelegentlich kommunistischen Kräfte im arabischen Raum im Wege einer einvernehmlichen und bestens funktionierenden Arbeitsteilung unterstützte. Der Moskautreue Nasser in Ägypten und der linksrevolutionäre Jassir Arafat in Palästina, um nur zwei Beispiele zu nennen, erhielten aus Moskau die Kalaschnikow und von der Westlinken die propagandistische Unterstützung. Man darf wohl als Beispiele Ex-Bundesaußenminister Joschka Fischer und seinen “Zwillingsbruder” Daniel Cohn-Bendit als sehr frühe Beispiele für die geschilderte Schizophrenie gegen Israel hier hervorheben.

Grass weiß also, dass er mit seinem Gedicht ganz opportun nur westlinken Mainstream wiederkäut.  Genauso wie die Alt-68er es an ihren Stammtischen massenweise tun. Grass weiß, dass linker Antisemitismus im gesellschaftlichen Urteil moralisch korrekt ist und dass rechter Antisemitismus diametral anders behandelt wird. Der trickreiche Grass verkauft sich jetzt als Widerstandskämpfer gegen den von ausgemachten Kriegstreiber Israel – gegen den “Weltzionismus” zog bekanntlich ein Anderer zu Felde. Und das ganze Manöver sich selbst Publicity zu verschaffen ist peinlich und durchsichtig und niederträchtig und, wie gesagt, 40 Jahre abgestandenes Zeug. Aber der Erfolg gibt ihm recht. In Deutschland arbeiten sich die Medien an dem mediokrenen Patriarchen Grass zum tausendsten Mal wieder ab.
Bevor Grass den Löffel abgibt, hat er noch einmal eine für ihn typische Seifenblase in die Luft geschickt, die völlig unangemessen Beachtung findet.




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