Tichys Einblick
Haushaltsdebatte

Grüner Patriotismus und „Es ist nicht alles schlecht“

Robert Habeck fasst sich bei seiner Haushaltsrede kurz und weicht dem wichtigsten Thema aus. Die wirtschaftliche Krise bringt derweil ihre eigenen Blüten hervor: zum Beispiel grünen und linken Patriotismus.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, Rede zur Haushaltsdebatte im Deutschen Bundestag, Berlin, 7. September 2023

IMAGO / Political-Moments

Krisen gehören zu einer lebenden Wirtschaft dazu. Sie regulieren: Unproduktive Zweige sterben ab, Knospen erhalten Platz zum Wachsen. Die aktuelle Krise in Deutschland ist anders. Schon allein, weil das Land sie exklusiv hat: Während die Wirtschaft anderer Industrienationen wächst, schrumpft sie in Deutschland. Die Krise beruht also auf hausgemachten Problemen. Immerhin das räumt „Wirtschaftsminister“ Robert Habeck (Grüne) in seiner Rede zum Haushalt ein.

Zur Haushaltswoche gehört es, dass alle Minister nacheinander den jeweiligen Etat ihres Hauses vorstellen und rechtfertigen. Habeck hält dabei eine der kürzesten Reden: Ja, die Lage sei schlecht. „Das heißt aber nicht, dass alles schlecht ist.“ Der Satz, es sei ja nicht alles schlecht gewesen, hatte in Deutschland schon zweimal Konjunktur. Jetzt benutzt ihn der Vizekanzler. Diese Krise unterscheidet sich von normalen Krisen einer lebenden Wirtschaft.

Die heiklen Punkte lässt Habeck weg. Daran erinnert ihn die Wirtschaftspolitikerin der CDU, Julia Klöckner. Die Ampel habe nicht viel mehr zu bieten als den Hinweis, dass sich zuvor 16 Jahre nichts getan habe: „Das Argument hat sich bereits so abgenutzt.“ Bezeichnend an Habecks Rede sei gewesen, dass er auf die aktuellen Debatten nicht eingegangen sei. Vor allem nicht auf den „Industriestrompreis“. Die Ampel wolle derzeit einen „Deutschlandpakt“ schmieden, um die großen Themen anzugehen – weiche ihnen im Bundestag aber aus. Wobei: „Es hat einen Grund, warum Sie heute nicht über den Energiestrompreis geredet haben“, wie Klöckner sagt.

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In der Tat. Robert Habeck hat vorgeschlagen, für große Industrieunternehmen einen Höchstpreis für Strom festzulegen. Die Differenz zum Marktpreis sollen Bäcker, Verkäuferinnen und Handwerker – kurz: die Steuerzahler – begleichen. Die SPD und die Grünen sind dafür, die FDP und Kanzler Olaf Scholz (SPD) dagegen. Was den „Industriestrompreis“ zum meist verschwiegenen Thema der Haushaltswoche gemacht hat.

Scholz sagte in seiner Rede, er sei den Stillstand leid und wolle Dinge in Bewegung bringen. Eine Führungskraft, die zu dieser Aussage gleichzeitig das wichtigste Thema totschweigt, erzeugt einen Widerspruch zwischen Gesagtem und Realität. Zwischen Politik und Anspruch der Politik. Dieser Widerspruch ist ein Grund dafür, dass diese Krise in Deutschland anders ist als eine normale Krise in einer lebenden Wirtschaft.

Diese Krise verändert Positionen. Linke und Grüne werden plötzlich zu Patrioten: „Herr Scholz, ändern Sie Ihren Kurs, damit Deutschland eine Industrienation bleibt“, fordert zum Beispiel die Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Amira Mohamed Ali. Ihr Wirtschafts-Patriotismus dürfte aber eher Kalkulation statt Gefühlen entspringen. Denn mit der patriotischen Forderung verbindet Ali den Wusch, Scholz solle den „Sparkurs“ der Ampel aufgeben. Was eine bemerkenswerte Formulierung ist angesichts eines Haushalts, der ohne massive Trickserei verfassungswidrig wäre.

Die deutsche Krise hat den Patriotismus hierzulande aber um einen besonders spektakulären Vertreter reicher gemacht: den grünen Abgeordneten Felix Banaszak. Der verwehrt sich gegen die Miesmacherei des Landes. Eine Forderung, die in der Geschichte des besagten Landes ebenfalls schon zweimal Konjunktur hatte. Seinen Wirtschafts-Patriotismus begründet Banaszak mit Worten des Sängers Rio Reiser.

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Der Autor der Zeilen „Autos kaufen, Häuser kaufen, Möbel kaufen, Reisen kaufen, wofür? / Macht kaputt, was euch kaputt macht“ als Kronzeuge für Wirtschafts-Patriotismus. Diesen Stretch kann sich Banaszak mit Reiser nur erlauben, weil der schon fast 30 Jahre tot ist und in Berlin-Schöneberg selig ruht, statt sich gegen die Inanspruchnahme durch den grünen Kriegsbefürworter wehren zu können.

Banaszaks Wandlung ist politischer Opportunismus, der eine 100 auf der Söder-Skala wert ist. Seinen politischen Aufstieg verdankt der heute 33-Jährige seiner Zeit als Vorsitzender der Grünen Jugend. Als solcher war der Wirtschafts-Patriot von heute im Jahr 2014 für den Sticker „Patriotismus? Nein Danke!“ verantwortlich, der den Fußballfans den Spaß an der Weltmeisterschaft in Brasilien vermiesen sollte.

Der Badischen Zeitung sagte der heutige Wirtschafts-Patriot seinerzeit: „Sie (die Fans) vermitteln damit in jedem Fall einen positiven Bezug zur Nation und zu nationalen Symbolen, der aus unserer Sicht eben nicht immer unkritisch ist.“ Und weiter: „Soziologische Untersuchungen legen nahe, dass der Unterschied zwischen Patriotismus und Nationalismus weniger groß ist als behauptet. Viele Aussagen und Ereignisse, die im Rahmen der WM geschehen, haben einen klar nationalistischen Charakter.“ Diese patriotische Spaßbremse von damals verbittet sich heute, die Wirtschaftsnation schlecht zu reden. So eine Krise hat auch ihre lustigen Seiten. Oder wie Robert Habeck sagen würde: „Es ist nicht alles schlecht.“

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