Tichys Einblick
Baden-Württemberg

Kretschmann will Asyl-Erstaufnahmen gegen den Bürgerwillen errichten

In Baden-Württemberg will die grün-schwarze Regierung gesetzliche Abwege ausprobieren, um zu neuen Erstaufnahmeeinrichtungen zu kommen. Der Zustrom der Asylbewerber werde nicht abnehmen, gibt sich der Grüne Kretschmann überzeugt. Doch der Protest der Schwaben und Badener hat es in sich.

IMAGO / imagebroker

„Kretschmann erhöht den Druck auf Kommunen“, „Streit um Unterbringung von Geflüchteten“ – so heißt es nun in unverdächtigen Gazetten im ganzen Land. Und das genannte Thema steht an vielen Orten auf der Tagesordnung, in Baden-Württemberg aber ganz besonders, weil dessen ordentliche Bürger gerade genug von Landeserstaufnahmen (kurz LEA) in ihrer näheren Umgebung haben.

Es geht um die Unterbringung von Migranten, Neuankömmlingen, Menschen, die gerade erst in illegaler Manier die deutschen Grenzen überschritten haben, von der Bundespolizei nach Fingerabdrücken und Eurodac-Eintrag ausgewertet wurden und nun dem Land Baden-Württemberg zugewiesen werden oder sich wohl ohnehin schon dort befinden. Denn die Grenze zur Schweiz ist nicht mehr so ruhig, was das angeht, wie sie einmal war.

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Am Dienstag sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann vor der versammelten Landespresse, dass solche Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber „als letzte Möglichkeit“ auch gegen den Willen von Städten und Gemeinden entstehen können müssten. Das Land mache die durchgängige Erfahrung, dass der Bau von Unterkünften nicht populär sei, sagte Kretschmann laut Stuttgarter Zeitung, die ausführlich auch über die Anti-LEA-Demonstration in Tamm berichtet hatte.

Gegenüber der Schwäbischen Zeitung sagte Kretschmann außerdem: „Diese Überlegung schwirrt jetzt nicht in meinem Kopf, sondern diese Überlegungen werden ganz konkret verfolgt.“ Es ist der exakte Ort des Übergangs von Ideologie in praktische Politik. Wo Ideen lange genug in Köpfen herumschwirren, werden sie am Ende auch durchgesetzt. Und nun heißt es eben gemäß Kretschmann: „Wir müssen die Flüchtlinge unterbringen. Das ist eine Pflichtaufgabe. Wir haben keine gemeindefreien Gebiete mehr in Baden-Württemberg.“

Kretschmanns Überlegungen betreffen ganz konkret den Bau einer oder mehrerer Erstaufnahmestellen des Landes (LEA) für Asylbewerber, die vollkommen neu im Land sind. In Ellwangen, fast auf halbem Weg zwischen Stuttgart und Nürnberg, wird seit April 2015 eine solche Landeserstaufnahme auf einem alten Kasernengelände betrieben – und das sorgte nicht gerade für Ruhe im Ort. Daher machte die Stadt auch Druck, um die ungeliebte Einrichtung wieder loszuwerden. Das soll nun, nach einigem Fingerhakeln mit der Landesregierung, bis Ende 2025 geschehen.

Macht legal, was nicht legal ist

Als nächstes muss man es sich plastisch vorstellen, was in einer solchen LEA passiert: Von der „Registrierung“ der Migranten über die „Gesundheits- und Röntgenuntersuchung bis hin zur Antragstellung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge“ reicht das Spektrum der offiziellen Tätigkeiten. Daneben muss vor allem die Ruhe bewahrt werden, was in Ellwangen oft misslang. Regelmäßige Polizei- und andere Noteinsätze waren die Folge. Aus dem Umfeld der Einrichtungen wird dagegen oft von einer Zunahme der Kriminalität und auffälligem Verhalten der Bewohner berichtet.

Und all das soll nun also in eine andere Gemeinde Baden-Württembergs verpflanzt werden. Kretschmann, dem teils das Etikett eines gemütlichen schwäbischen Hausvaters angeklebt wird, hat sich praktisch schon entschieden: Die Errichtung einer oder vielleicht ja auch mehrerer neuer Erstaufnahmen soll mit Zwang durchgesetzt werden. Schon sucht die Landesregierung nach Gesetzeskrücken, mit denen er die kommunale Planungshoheit umgehen, unterlaufen will. Der Wille der Bürger und ihrer Repräsentanten soll gebrochen werden.

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Ein mögliches Instrument heißt ironischerweise „Legalplanung“, obwohl damit gegen Grundfesten von Bürgerrecht und Demokratie verstoßen würde. Hier wäre also ein eigenes Gesetz des Landtags vonnöten, also etwa eine Lex LEA Tamm oder Lex LEA Pforzheim, die sozusagen das legal machen würde, was bis dahin nicht legal war. Auch der Städtetag warnt laut Bild davor, diesen Paragraphen übermäßig zu nutzen. Das würde das kommunale Recht weiter aushebeln. Daneben scheint auch das Baurecht des Bundes Möglichkeiten zu bieten.

„Mit Winfried Kretschmann im Stechschritt durch den Landkreis Lörrach“, diese Überschrift der Badischen Zeitung trifft es schon eher. Berichtet wird von einem „strammen Programm“ des grünen Ministerpräsidenten. Hier zieht preußischer Untertanengeist in das liberale Ländle, das derzeit von scheinbar unmotiviert sich häufenden Schießereien rund um die Hauptstadt Stuttgart heimgesucht wird. Stramm ist das Programm des Südwest-Landes in der Tat, auch was Lörrach angeht. In der Stadt an der Schweizer Grenze sollen bald schon Mieter aus ihren Wohnungen weichen, damit Flüchtlinge einziehen können. Wohnungsgesellschaft und städtische Vertreter wundern sich derweil, warum dieser kleine Transformationsschritt nicht ohne Murren entgegengenommen wurde, sondern für einiges an Aufruhr sorgte. Immerhin bekämen die Mieter doch schönere, neuere und wohl auch bessere Wohnungen im Tausch.

Schon einmal wollte ein MP den Bürgern seinen Willen aufdrücken

In Stuttgart hat man es schon einmal gesehen, was passiert, wenn der Bürgerwille bei Bauprojekten missachtet wird. Das geschah noch unter Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU), der mit großer Brutalität und Härte gegen die Anti-Stuttgart-21-Demonstranten vorging. Viele werden sich noch an die Bilder erinnern, als man Wasserwerfer gegen rüstige Rentner eingesetzt hatte und dann ein Auge herunterhing. Die Durchdrück-Politik von Mappus und Konsorten war ein Desaster und führte, wenn auch nicht zum Scheitern des Projekts, so doch zum Rücktritt des Ministerpräsidenten. Bei derart breitem und einflussreichem Protest ist man in der Frage der LEA-Errichtungen noch nicht angelangt. Doch das kann ja noch kommen.

Mieter als Opfer
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Die CDU liegt auch jetzt wieder zufällig im Bett mit einem Ministerpräsidenten, der sein Ohr nicht unbedingt seinen potentiellen Wählern leiht, sondern von „Pflichtaufgaben“ daherredet, die man nun einmal so oder so abzuarbeiten hat. Kretschmann will dafür sorgen, dass sich das Land gegen die Kommunen durchsetzt, das heißt aber, gegen die Bürger, die schon jetzt in Tamm und anderswo auf die Straße gehen, unter anderem, um Neubauten auf der grünen Wiese zu verhindern. Ein solcher ist knapp vor Ludwigsburg zwischen den Städten Tamm und Asperg geplant.

Derweil warnt der Pforzheimer Abgeordnete Hans-Ulrich Rülke (FDP) die Landesregierung davor, die „Flüchtlings-LEA in Pforzheim gegen den Willen der Bevölkerung und gegen das Votum von mehr als 80 Prozent der Stadträte gewaltsam durchzudrücken“. Der Pforzheimer Gemeinderat hatte seine Entscheidung demonstrativ getroffen, kurz nach der wöchentlichen Pressekonferenz vom Dienstag, in der Kretschmann seine „Überlegungen“ öffentlich gemacht hatte. Auch die Größe der geplanten Erstaufnahme mit 1.000 Plätzen wird im Gemeinderat kritisiert. Allerdings wollten fünf Mitglieder der CDU-Fraktion noch weiter mit dem Land verhandeln.

CDU-Ministerium reagiert kühl gelassen

Doch das CDU-geführte Justizministerium reagierte auf Rülkes Protest mit dem kühlen Bescheid, der Landesregierung stünden „Regelungen und rechtliche Instrumente zur Verfügung, um jedenfalls eine Einrichtung und einen Betrieb zu ermöglichen“. Die Landesregierung strebe „stets das Einvernehmen mit möglichen Standortkommunen an“. Bisher sei das auch immer gelungen.

Auch der Landesfunk SWR eilte mit einem Kommentar herbei, um den Gemeinderatsentscheid als „nicht hilfreich“ abzuqualifizieren. So werde kein Problem gelöst, es gäbe nur Verlierer, zu denen natürlich vor allem Land und Stadt mit ihren zu Ende gehenden Kapazitäten für Zuwanderer gehörten. Offenbar hat der SWR-Kommentator Angst vor kampierenden Asylanten auf dem Gehweg. Splendide Logik, in der geschlossene Grenzen oder Abschiebungen natürlich nicht als mögliche Lösungen auftauchen.

„Die Entscheidung ist Mist“, habe sogar einer der Nein-Sager zugegeben, zumal doch auch Landes-Kretschmann sich über eines sicher ist, von einem „persönlich überzeugt“ ist: Der Zustrom an neuen Antragstellern werde nicht abreißen. Das ist in der Tat wichtig zu wissen: Der grüne Chef-Ideologe hat hier keine Ansicht von der Realität geäußert, sondern eine persönliche Überzeugung, und die umfasst offenbar auch, dass es gut so ist, dass die 200.000 und vielleicht bald 300.000 oder mehr Asylbewerber jedes Jahr nach Deutschland kommen und egal, ob in alten Kasernen oder auf der grünen Wiese, untergebracht werden müssen.

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