Tichys Einblick
Documenta & Antisemitismus

Grüne Vetternwirtschaft: Kein Skandal, an dem man nicht mitverdienen könnte

Der offensichtliche Antisemitismus im Zuge der Documenta 15 setzte 2022 die Festivalleitung und Claudia Roth unter Druck. Doch in der zweiten Reihe zimmerte schon damals Hessens Kulturministerin Angela Dorn daran, ihrer Familie mittels subventionierter Antirassismusberatung ein Zubrot zu verschaffen.

Timm Rancke & Angela Dorn: Ein Herz, eine Seele, ein Portemonnaie?

IMAGO / Hartenfelser

Walter Bradford Cannon beschrieb 1915 als erster die drei F’s einer Gefahrensituation. „Freeze, fight or flight“, also „erstarren, kämpfen oder flüchten“, nannte er die Reaktion von Lebewesen auf akute Stresssituationen im Angesicht einer Bedrohung. Anno 2023 ließe sich ein ähnliches Konzept auf den Umgang mit politischen Skandalen ableiten, die drei A’s: anpacken, aussitzen oder ausschlachten.

Idealerweise würden Politiker Skandale analysieren und die diagnostizierten Probleme anpacken. Leider trifft man das immer seltener an. Im Fall des Antisemitismus-Skandals rund um die Documenta 15 demonstrierte hingegen Claudia Roth exemplarisch das zweite Modell, das „Aussitzen“. Es bedurfte allerdings schon einer besonderen Chuzpe, wie jener von Roths Parteigenossin, der hessischen Kulturministerin Angela Dorn, um zum „Ausschlachten“ zu schreiten. Doch genau das scheint sie getan zu haben.

Heitere Schamlosigkeit
Documenta: Naive Propaganda für kommunistische Phantasien
Zur Erinnerung: Die Documenta 15 machte europaweit Schlagzeilen mit dem Wimmelbild einer indonesischen Künstlergruppe, auf dem auch antisemitische Darstellungen zu finden waren. Von der Festivalleitung bis zur obersten Kulturschützerin Claudia Roth waren alle bass erstaunt, dass ein ideologischer Freifahrtschein für den „postkolonialen Blick“ des globalen Südens in provokanteren Aussagen als einem Kumbaya-Ringelreih münden könnte. Dabei darf nicht unerwähnt bleiben, dass wohl viele der Vorfälle während der Documenta, bei deren Partys zum Beispiel weiße, heterosexuelle Männer nicht eingelassen wurden, wohl nie an die Öffentlichkeit gelangt wären, läge nicht über der gesamten Veranstaltung der Schatten des Antisemitismus.

Schnell war deutlich, dass zumindest die Antisemitismusproblematik in Angriff genommen werden musste. Claudia Roth bemühte sich um Schadensbegrenzung und wollte, dass zukünftig Big Sister Staat mehr mitzureden habe bei der Planung. Ob dabei ein Auftrag für Green-Culture-Liebling Jacob Bilabel und seine mobilen Wasserstoffgeneratoren rausspringt, ist allerdings bislang nicht geklärt.

Kein Skandal, an dem man nicht mitverdienen könnte

Neben der Festivalleiterin Sabine Schormann und Claudia Roth gab es aber eine weitere Beteiligte. Die grüne Kunstministerin Angela Dorn, die dieser Tage ihr hessisches Büro räumt, nutzte ihre Position im Rahmen der Landesvertretung als stellvertretende Vorsitzende der Documenta, um aus der zweiten Reihe ihre eigenen Pläne zu verfolgen. Öffentlich unterstützte Dorn den Vorstoß von Claudia Roth für mehr Einflussnahme von Seiten des Bundes, doch fiel Dorn vor allem damit auf, dass sie Schormann mitten im Skandal – und ohne vorhergehende Absprache mit dem Aufsichtsrat – einen laut HNA in „drängendem Ton gehaltenen“ Fragenkatalog zukommen ließ.

„Wie sehen Ihre Planungen für eine zeitnah zu etablierende beratende Task Force aus, die die Staatsministerin Dorn Ihnen bereits im Vorfeld der Eröffnung der documenta empfohlen hatte? Welche Gespräche sind hierzu mit welchen Experten z.B. mit dem zu diesem Vorschlag von ihr vermittelten Demokratiezentrum Marburg geführt worden? Zu welchem Ergebnis sind Sie hinsichtlich des Vorschlags gekommen?“

Pikant ist hierbei, dass das explizit angeführte Demokratiezentrum Marburg wohl nicht zufällig erwähnt wurde, denn an diesem Zentrum ist der Ehemann von Angela Dorn, Timm Rancke, als wissenschaftlicher Mitarbeiter angestellt. Auf Anfrage von HNA wies Dorn mögliche Interessenskonflikte zwar zurück, doch musste dafür vor allem die Begründung herhalten, dass das Demokratiezentrum unentgeltlich bei rassistischen und antisemitischen Vorkommnissen berate. „Kostet denen ja nix“, muss dabei als Erklärung genügen. Außerdem sei es ja nur Teil der angedachten „Task Force“ gewesen, denn – wie der Leiter des Demokratiezentrums Reiner Becker selbst zugab – für eine Prüfung von Kunstwerken habe das Demokratiezentrum gar nicht die entsprechende Expertise. Kostet also nicht nur nix, kann auch nix, außer den zu beratenden Instanzen einzubläuen, dass Rassismus und Antisemitismus schlecht sind. Wer hätte das gedacht?

Fast 800.000 Euro an Steuergeldern für das Demokratiezentrum

Wobei: „Kostet nix“ stimmt so nicht ganz. Den Steuerzahler kostet das Demokratiezentrum gar nicht so wenig, wenn man einer Pressemitteilung vom Mai 2023 der Universität Marburg glauben darf. 300.000 Euro im Jahr für den Zeitraum 2023 bis 2026 alleine (sowie 198.000 Euro als Aperitif für das Jahr 2022) lässt sich das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst (HMWK) von Angela Dorn das Demokratiezentrum Marburg kosten. 798.000 Euro an Steuergeldern, die es unter anderem Timm Rancke erlauben, unentgeltlich über Rassismus aufzuklären. Der Zeitraum bis 2026 gewährleistet somit im Hause Dorn-Rancke eine gesicherte Einkommenssituation trotz Wegfall des Ministerialgehalts nach der unglücklich verlaufenen Wahl im Herbst.

Natürlich ist ein solches Nutznießertum ohne Beweise erst einmal nur reine Spekulation. Wie so häufig in deutschen Ministerien, wird auch hier sicherlich alles mit rechten Dingen zugehen, und wo das der Fall ist, können alle sich aufdrängenden Fragen und Zweifel mit Leichtigkeit entkräftet werden. Also richtete TE bereits im Dezember eine Anfrage an das HMWK und bat um die Klärung der offensichtlichsten Fragen:

  1. Gibt es im Ministerium Compliance-Richtlinien und wenn ja, seit wann?
  2. Wie hoch waren die Zuwendungen seitens des Ministeriums in den Jahren 2018 bis 2023 an das Demokratiezentrum Hessen bzw. an die Philipps-Universität Marburg für das Demokratiezentrum Hessen bzw. an das Institut Erziehungswissenschaften der Philipps-Universität Marburg zugunsten des Demokratiezentrums Hessen?
  3. Für welche Ausgabenpositionen im Einzelnen wurden die zugesagten Mittel 2022 bis 2026 in Höhe von 780.000 Euro für den neuen Forschungs- und Weiterbildungsbereich „Rechtsextremismus, Rassismus und Demokratiefeindlichkeit“ an der Philipps-Universität Marburg bewilligt?
  4. Wie stellt das Ministerium sicher, dass die möglichen Compliance-Regeln im Hinblick auf die Zuweisung von Mitteln seitens des Ministeriums eingehalten werden, dies insbesondere angesichts der Beschäftigung von Timm Rancke beim genannten Demokratiezentrum? Wie wird dies dokumentiert?
  5. Aus welchem Haushaltstitel wurde Timm Rancke bezahlt?
  6. Welche Eingruppierung besitzt Timm Rancke und aus welchen Gründen?
  7. Stimmt es, dass – gemäß dem oben erwähnten HNA-Bericht – Angela Dorn am 25. Juni 2022 als stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrats der Documenta unabgesprochen mit dem Vorsitzenden und den übrigen Mitgliedern des Aufsichtsrats der Documenta rund um den Antisemitismus-Eklat einen Brief samt Fragenkatalog an die ehemalige Generaldirektorin der Documenta Sabine Schormann gesendet hat, in der sie u. a. nachfragt, ob ihr Vorschlag von Anfang Juni 2022, das Demokratiezentrum Marburg in eine Task Force einzubeziehen, aufgegriffen wurde?
  8. Der Leiter des Demokratiezentrums, Reiner Becker, erklärte gegenüber der Presse, dass dem Demokratiezentrum die nötige Expertise fehle, um die Documenta-Kunstwerke zu prüfen. Wie kann es dann aber sein, dass Dorn dennoch eine dringende Empfehlung zugunsten des Demokratiezentrums abgab?

Allerdings zog das HMWK trotz kulanter Wartezeit bis nach den Feiertagen es vor, diese Anfrage unbeantwortet zu lassen. Die Vermutung, dass Angela Dorn sich dem dritten A, der Ausschlachtung, verschrieb, bleibt somit vorerst im Raum stehen. Wenige Tage vor dem Regierungswechsel entschieden Dorn und ihre Ministeriumsbeamten sich wohl doch, es in dieser Frage der großen Parteigenossin Claudia Roth gleichzutun und nun auf das zweite A, das Aussitzen, zu setzen.

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