Tichys Einblick
Partei im Abschwung

Annalena Baerbock und Robert Habeck opfern ihre Wasserträger und wollen selbst im Amt bleiben

Die Grünen tauschen ihr Vorsitzenden-Duo aus. Damit übernehmen Ricarda Lang und Omid Nouripour – wohl nicht ganz freiwillig – die Verantwortung für die schlimme Niederlagenserie ihrer Partei bei den letzten acht Wahlen. Doch der Wechsel der Parteiführung geht an den wirklichen Problemen vorbei.

picture alliance/dpa | Fabian Sommer

Ricarda Lang macht ein noch längeres Gesicht als sonst. Auf der eilig einberufenen Pressekonferenz, auf der sie zusammen mit ihrem Co-Vorsitzenden Omid Nouripour den Rückzug von der Parteispitze verkündet, wirkt sie sichtlich angefasst – sogar noch ein bisschen mehr als bei ihren inzwischen schon legendären Tränen-Interviews nach den jüngsten Landtagswahlen.

„Es braucht neue Gesichter“, sagt Lang.

Das klingt auf den ersten Blick plausibel – und bei näherem Hinsehen nicht mehr. Denn die beiden erfolglosen Parteivorsitzenden sind für die Grünen sicher ein Problem – aber nur ein Problem neben vielen. Und bei weitem nicht das wichtigste.

Die 30-Jährige und ihr 49-jähriger Co-Chef sind erst seit Januar 2022 im Amt. Zwar hat vor allem Lang es in Rekordzeit geschafft, sich mit nervtötend altklugen und zum Schluss hin immer extremer albernen Auftritten eine solide und erbitterte Gegnerschaft in weiten Bevölkerungskreisen zu erquasseln. Trotzdem kann man nach gerade einmal zweieinhalb Jahren kaum davon sprechen, dass sich Lang und Nouripour schon so verbraucht hätten, dass es „neue Gesichter“ brauche.

Das gilt viel mehr für die wirklichen Aushängeschilder der Grünen: Annalena Baerbock und Robert Habeck. Sie sind die eigentlichen Gesichter der Partei. Sie stehen für die grüne Politik – und für alles, was die Menschen daran zunehmend abstößt.

Nicht Lang und Nouripour haben die Wähler in Heerscharen vertrieben, sondern Baerbock und Habeck.

Doch die Außenministerin und der Wirtschaftsminister bleiben natürlich im Amt. Und auch an der Politik, die sie vertreten, ändert sich durch den Wechsel an der Parteispitze genau gar nichts. Seit sie Regierungsverantwortung übernommen haben, sind die Grünen keinen Fingerbreit von ihrer Richtung abgewichen. Negative Rückmeldungen, zum Beispiel durch Wahlergebnisse, haben sie nicht zur Selbstkritik oder zu Kurskorrekturen zum Anlass genommen – sondern zur trotzigen Tempoverschärfung in genau jene Richtung, von der das Volk nun mehr als einmal mehr als eindeutig klar gemacht hat, dass es da gar nicht hinwill.

Wenn Wahlen Zeugnisse für Politiker sind, dann sind die Grünen reihenweise sitzengeblieben. Nur in der Anfangsphase der Regierungsbeteiligung, im Sog der ersten Ampel-Euphorie, sah es noch halbwegs gut aus. Da gab es bis ins Jahr 2022 noch Erfolge:

• Im Saarland gewann man leicht dazu, kam mit 4,9 Prozent aber trotzdem nicht in den Landtag.

• In Schleswig-Holstein (Habecks Heimat) erreichte man 18,3 Prozent (+ 5,4) und bildet mit der CDU die Regierungskoalition.

• Fast das Gleiche in Nordrhein-Westfalen: 18,2 Prozent (+ 11,8) reichten für eine Koalition mit der CDU.

• In Niedersachsen holt man 14,5 Prozent (+ 5,8) und bildet eine Regierung mit der SPD.

Doch dann dreht sich der Wind radikal. Je mehr die Folgen des grünen Wirkens in der Bundesregierung spürbar werden, desto mehr Menschen wenden sich ab – massenweise. Es beginnt eine einzigartige Niederlagenserie:

Die Partei sei in der „tiefste Krise in einer Dekade“, klagte Nouripour. Das stimmt wohl: In den Umfragen stehen die Grünen aktuell bei gerade noch 9,5 Prozent und sind damit erstmals seit sieben Jahren einstellig.

Dafür müssen nun Lang und Nouripour gehen. Doch so höchst mittelmäßig ihre Arbeit auch gewesen ist: Sie sind trotzdem nur Bauernopfer. Ihre Auswechslung soll die tieferliegenden Ursachen des grünen Niedergangs kaschieren.

Da ist zum einen die fortschreitende Entrücktheit von Annalena Baerbock und Robert Habeck. Die Außenministerin nimmt mittlerweile wie selbstverständlich auch für kürzeste Entfernungen das Flugzeug, während ihre Partei dem hart arbeitenden Normalmenschen auch vom Munde abgesparte Urlaubsreisen in ferne Länder am liebsten komplett verbieten würde. Die grünen Minister leisten sich Visagisten, Friseure und Hoffotografen und geben dafür pro Monat mehr Steuergeld aus, als der Durchschnittsverdiener im Jahr erarbeitet.

Robert Habeck kann seine fachliche Überforderung auch mit der besten Erklärbär-Attitüde nicht mehr verbergen. Er ist den Einflüsterungen der NGO-Hardliner, die er in seinem Ministerium verbeamtet hat und die dort das Regiment führen, offenbar weitgehend hilflos ausgeliefert. Werften, Auto-Industrie, Maschinenbau, Chemie, Elektrotechnik… die Liste der Opfer ist schier endlos.

Wenn sich dann zeigt, welche volkswirtschaftlichen Verheerungen das alles hinterlässt, tut Habeck regelmäßig ganz erstaunt – und versucht öffentlichkeitswirksam, die von ihm selbst ruinierten Branchen mit Unsummen an Subventionen wiederzubeleben. Doch das zieht beim Publikum erkennbar nicht mehr.

Wie zu Baerbock setzt sich auch zu Habeck in breiten Bevölkerungsschichten die Erkenntnis durch: Die können es einfach nicht.

Und sie könnten auch nicht anders, selbst wenn sie wollten. Die grünen Minister eint eine fatale Eigenschaft mit ihrer Partei: die Unbelehrbarkeit. Der einmal eingeschlagene Weg wird weiterverfolgt – koste es, was es wolle. Zuletzt kostete es viele, viele Parlamentssitze. Jetzt kostet es Lang und Nouripour den Kopf. Aber es wird sich nichts ändern.

Denn was immer man über die Grünen sagen kann: Sie sind Überzeugungstäter. Und so verhält sich die Partei auch nicht wie eine politische Gruppierung, sondern wie eine Glaubensgemeinschaft. Der Wählerwille wird nur so lange beachtet, wie er mit den eigenen Wünschen und Vorstellungen übereinstimmt. Entfernt sich das Volk von der grünen Ideologie, wird es nicht mehr als Souverän behandelt, sondern als Gegner, den es zu belehren gilt.

Wenn das nichts nutzt, müssen die widerspenstigen Bürger eben zu ihrem Glück gezwungen werden.

Die Grünen sind einst als eine linke Bewegung gestartet. Damals war „links“ gleichbedeutend mit herrschaftskritisch. Das hat sich ins exakte Gegenteil umgekehrt. Die Grünen heute sind nicht mehr herrschaftskritisch: Sie sind Herrschaft.

Die Partei wähnt sich – wie jede Sekte – im Besitz einer höheren Wahrheit. Diese Überzeugung durchzieht die ganze Organisation. Die Grünen sind im Wortsinn auf einer Mission: Sie missionieren. Und wer Wahrheiten verkündet, macht keine Kompromisse – nicht mit dem politischen Gegner (der schnell zum Feind wird) und auch nicht mit dem Wähler.

Als mögliche Nachfolger für Lang und Nouripour kursieren in Berlin die Namen von Robert Habecks Staatssekretärin Franziska Brantner und vom Bundestagsabgeordneten Felix Banaszak. Letzterer ist Ex-Chef der Grünen Jugend und ein wichtiger Drahtzieher des linken Flügels, Erstere ist für Habecks wirtschaftspolitisches Desaster maßgeblich mitverantwortlich. Beide stehen also für alles, nur nicht für einen Umschwung in der grünen Politik.

Die „neuen Gesichter“, für die Ricarda Lang und Omid Nouripour jetzt Platz machen wollen, werden exakt null Besserung bringen. Was die Partei bräuchte, wäre vor allem eine neue Politik. Aber die will bei den Grünen niemand.

Es geht weiter abwärts.

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