Tichys Einblick
Tarnen und Täuschen

Grüne Distanzierung von Greta Thunberg? Bisher nichts als Rhetorik

Parteichefin Ricarda Lang kritisiert zwar die schwedische Gründerin von Fridays for Future für deren Agitation gegen Israel – schont aber Luisa Neubauer, Frontfigur des deutschen FFF-Ablegers. Der wiederum will sich nicht von Thunbergs Dachorganisation trennen.

IMAGO

„Ich muss sagen, ich finde diese Äußerungen absolut nicht nur bedrückend, sondern absolut unanständig“, erklärte die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang am Montag als Reaktion auf die Kundgebung von „Fridays for Future“ in Amsterdam, wo Greta Thunberg den Slogan „no climate justice in an occupied land“ (keine Klimagerechtigkeit in einem besetzten Land) angestimmt hatte. Vorausgegangen war eine Twitter-Mitteilung von Fridays for Future international unmittelbar nach den Hamas-Massakern am 7. Oktober, in der die Organisation sich nicht nur klar gegen Israel stellte und kein Wort über die 1400 Opfer verlor, sondern auch noch die Behauptung verbreitete, westliche Medien betrieben eine pro-israelische „Gehirnwäsche“. „Greta Thunberg missbraucht an dieser Stelle das absolut notwendige und richtige Anliegen des Klimaschutzes für eine einseitige Position zum Israel-Palästina-Konflikt“, meinte Lang: „Tatsächlich hat sie sich als Gesicht der Klimabewegung durch diese Aussagen diskreditiert.“

Abgesehen davon, dass derzeit kein „Israel-Palästina-Konflikt“ stattfindet, sondern ein Kampf Israels gegen die terroristische Hamas – das Statement Langs klingt auf den ersten Blick wie eine Distanzierung der Grünen von ihrer bislang mächtigsten Vorfeldorganisation. Wirklich? Beim näheren Hinschauen bleibt außer Rhetorik wenig davon übrig. Denn Lang vermied gleichzeitig jede Kritik an Luisa Neubauer, dem Gesicht von FFF in Deutschland – und Mitglied der grünen Partei. Die Grünen-Chefin verlangte von dem deutschen Ableger auch nicht, sich von Fridays for Future international und Thunberg organisatorisch zu trennen.

Die FFF-Organisation in Deutschland erklärte bisher, sie hätten „die Prozesse mit der internationalen Vernetzung ausgesetzt. Greta Thunberg verletzt mit ihrer Positionierung gerade viele Menschen. Für uns ist dabei entscheidend: Sie vertritt Fridays for Future Deutschland nicht, wir stehen für uns selbst“.

Die Verbindungen zur Hauptorganisation sind also nur „ausgesetzt“ – was immer das konkret bedeutet – aber nicht gekappt. Und die Behauptung, dass FFF Deutschland „für sich selbst“ stünde, steht faktisch auf sehr schwachen Beinen. Bei „Fridays for Future“ handelt es sich um eine am 15. Juni 2020 eingetragene Marke, an der die Thunberg Foundation die alleinigen Rechte besitzt.

Wollten sich die deutschen FFF-Mitglieder wirklich von der Gründerin distanzieren, müssten sie sich umbenennen. Von Neubauer selbst gibt es bisher nur dünne Aussagen, und keinerlei ernsthafte Versuche, sich von der internationalen Organisation abzukoppeln.
„Dass Greta Thunberg bisher nichts Konkretes zu den jüdischen Opfern des Massakers vom 7. Oktober gesagt hat, enttäuscht mich“, sagte Neubauer im Interview mit dem „Zeitmagazin“. Enttäuschung – mehr nicht.

Unehrlich und heuchlerisch wirkt es auch, dass Lang und Neubauer so tun, als handle es sich bei der antisemitischen Ausrichtung von FFF um ein ganz neues Phänomen. Die Dachorganisation bekannte sich auf Twitter beispielsweise zum „palästinensischen Widerstand“ mit dem Schlachtruf „Yalla Intifada“ – und zwar schon im Januar 2023, Monate vor dem Hamas-Überfall auf Israel.

Auch in Deutschland selbst gab es von lokalen FFF-Gruppen immer wieder ähnliche Statements, die Israel als „Apartheid-Staat“ bezeichneten. Viele Medien und Neubauer selbst ignorierten diese Stimmen oder spielten sie routiniert herunter. Stattdessen behauptete Neubauer in der Talkshow von Anne Will, der CDU-Politiker Hans-Georg Maaßen verbreite „antisemitische Narrative“. Ihre seltsame Begründung: Maaßen habe den Begriff „Globalisten“ verwendet.

Wie wenig Einfluss der deutsche FFF-Ableger auf die internationale Organisation tatsächlich besitzt, zeigt ein wichtiges Detail: der FFF-Tweet nach dem 7. Oktober, in dem sich die angebliche Klimaschutz-Bewegung auf die Seite der Hamas stellte und von „Gehirnwäsche“ durch die angeblich jüdisch beeinflussten Medien raunte, stammt nach Recherchen der „Jüdischen Allgemeinen“ aus Deutschland – und zwar von Hasan Ö. Der fungierte als Sprecher der FFF-Ortsgruppe Mainz, bis sich die dortigen Mitglieder wegen dessen zunehmender Radikalität von ihm trennten. Das hinderte Hasan Ö. offenbar nicht daran, zu einer der einflussreichsten Personen im Kommunikationsteam von FFF International aufzusteigen.

Ricarda Langs Kritik an Thunberg wirkt vor diesem Hintergrund wie ein taktisches Manöver: sie stößt die schwedische FFF-Gründerin wie ein fallendes Wertpapier ab, um das eigentliche Portfolio zu retten – die deutsche FFF-Organisation mit dem Parteimitglied Neubauer an der Spitze.

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