Tichys Einblick
Alt-68er versus Milliardärssozialisten

Moralisches Endlager: Generationenkonflikt der Grünen ums Atom

Am Streit um die Nutzung sauberer Kernenergie entzünden sich auch in der grünen Bewegung die Gemüter. Es offenbart sich ein Generationenkonflikt, der sich von NGOs über Parteien bis hin zu Sponsoren zieht. Die Grünen in Deutschland stehen somit am Scheideweg.

IMAGO / Wolfgang Maria Weber

Als TE vor einigen Tagen darüber berichtete, dass die Klimaaktivisten der Gruppe „RePlanet“ sich vor Gericht für die Atomkraft und gegen deren Verteufelung durch Greenpeace einsetzten, war das zunächst einmal ein Grund zur Freude für Deutschland, das händeringend einen Ausweg aus der Energiemangellage finden muss. Dennoch wäre es naiv zu glauben, diese Gruppierung wäre in irgendeiner Form „graswurzeliger“ als andere Klimabewegungen und es hätte sich hier einfach der gesunde Menschenverstand und die Wissenschaft durchgesetzt, denn auch hinter RePlanet stehen reiche Investoren und Philanthropen. Es lohnt sich aber, diese etwas genauer zu betrachten, da daraus womöglich Rückschlüsse auf die Entwicklungen der Energiepolitik in den kommenden Jahren gezogen werden können.

In ihrem Transparenzbericht gibt die Gruppe RePlanet zu Protokoll, dass sie sich primär durch die Förderung zweier Organisationen finanziert: der Quadrature Climate Foundation und der The Dreamery Foundation. Vor allem die Quadrature Climate Foundation (QCF) stach als Sponsor besonders hervor, denn das Jahresbudget von knapp 2 Millionen Euro wurde zu 90 Prozent von der in London ansässigen QCF beigesteuert.

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Wer die Webseite der QCF besucht, wird daraus nicht unbedingt schlauer. Zwar schlussfolgert man schnell, dass die QCF der philanthropische Arm der Quadrature Capital Limited ist, wer aber hinter dieser Organisation steht, wird nirgendwo auf der Webseite ersichtlich. Beeindruckend: Nicht eine einzige Person wird auf der Webseite namentlich genannt, es ist nur die Rede von „Programmierern“, die die Firma 2010 gegründet haben. Das Geschäftsmodell von Quadrature Capital Limited bezeichnet sich als „Ultimate Automated Trading Business“, also das „ultimative automatisierte Handelsgeschäft“. Wem das noch nicht vage genug ist, liest auf der Webseite viel zeitgeistige Firmenphilosophie über den „Zweck“ und die „Vision“ der Firma, garniert mit Videos eines begrünten Büroraums über den Dächern Londons, sowie Fotos von im Büro Billard spielenden Mitarbeitern.

Um also abseits des Schaufensters konkrete Zahlen und Fakten zu erlangen, muss man anderweitig suchen. Wer das tut, erfährt schnell, dass das Hauptgeschäft von Quadrature Capital Limited die Vermögensverwaltung ist, wenngleich die Firma mit einer verwalteten Summe von 718 Millionen Pfund im Jahr 2021 im internationalen Maßstab noch ein kleiner Fisch ist. Das Umsatzwachstum betrug allerdings damals bereits über 47 Prozent, grüne Investitionen erweisen sich bislang als Goldgrube.

Mitbegründer und CEO Suneil Setiya ist aber kein Kind von Traurigkeit. Der Brite studierte zwar Physik in Oxford, machte aber anschließend im Anlagenmanagement Karriere. 2021 berichteten einige Nachrichtenportale über sein angebliches Interesse an einer der teuersten Wohnungen am Londoner Wohnungsmarkt zum Preis von 153 Millionen Pfund. Ein Artikel erwähnte Setiya dabei im selben Atemzug wie Christopher Hohn (Children’s Investment Fund Foundation) und stellte die Frage, inwiefern das Leben in solch ausschweifendem Luxus mit der Mission der Klimarettung vereinbar wäre. Die Frage muss unbeantwortet bleiben, Setiya steht seit 2019 auch der QCF vor.

Grüner Grabenkampf beim Guardian

Doch auch unter den Philanthropen wird mit harten Bandagen gekämpft. Ende Juni berichtete der Guardian exklusiv über die Verbindungen des QCF zur fossilen Industrie und forderte die vom QCF finanzierten grünen NGOs zur Distanzierung auf. 170 Millionen Dollar habe die Muttergesellschaft von QCF in Firmen wie dem Öl- und Gas-Multi ConocoPhillips gebunden. Demgegenüber standen Förderungen von 45 grünen Gruppen in Höhe von 175 Millionen Pfund alleine in den Jahren 2021 und 2022. Vier Millionen Pfund gingen dabei allein an die European Climate Foundation, die auch TE-Lesern aus der Agora-Affäre geläufig ist.

Um die Sache noch interessanter zu machen, gab der Guardian beiläufig zu Protokoll, dass eben jene European Climate Foundation auch den Guardian finanziell unterstützt habe, allerdings war das, bevor die QCF gegründet wurde. Dem Leser bleibt dennoch die interessante Information, dass der sich als unabhängig rühmende Guardian offensichtlich von einer grünen NGO finanziert wurde, was garantiert keinen Einfluss auf dessen Berichterstattung zu Klimafragen hatte.

Dieser Exklusivbericht des Guardian ist aber ein Indiz für interne Grabenkämpfe innerhalb der Welt der NGOs. Dabei stehen weniger moralische Fragen, als vielmehr unterschiedliche Geschäftsmodelle im Vordergrund, denn hinsichtlich der Notwendigkeit einer emissionsfreien Zukunft, usw. usf., sind sich alle Philanthropen ohnehin einig. Doch während die Einen das Blatt der kompromisslosen Umstellung auf Wind- und Solarenergie noch vollends ausreizen wollen, geben sich Investoren wie Setiya pragmatischer und setzen auf das jeweils gewinnbringendste Pferd. Im Falle von Setiyas Firma geschieht dies sogar ohne menschliches Zutun, sondern durch Algorithmen, die jeweils die beste Investitionsentscheidung treffen. So erklärt sich auch, woher die Angestellten die Zeit nehmen, um im Büro Billard zu spielen.

Wenn Milliardäre beide Seiten eines Konflikts finanzieren

Der zweite im Bunde der Großförderer von RePlanet ist The Dreamery Foundation, eine Stiftung des niederländischen Tech-Entrepreneurs Steven Schuurman. Mit einem Privatvermögen von mittlerweile rund 1,5 Milliarden Dollar hat Schuurman sich in den letzten Jahren vermehrt auf seine Tätigkeiten als Philanthrop konzentriert. Seit 2021 ist er Mitglied in Bill Gates und Warren Buffets „The Giving Pledge“ Initiative, die aktiv Superreiche rekrutiert und sie davon überzeugt, ihr Vermögen zu spenden. Klingt ähnlich, ist aber nicht zu verwechseln mit Scientology.

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Schuurman ist vor allem deshalb erwähnenswert, da er nicht nur im Zuge der holländischen Wahlen im März 2021 eine Million Euro an den holländischen Ableger der Grünen, D66, sowie weitere 350.000 Euro an die „Partei für die Tiere“ spendete, sondern sich auch am deutschen Wahlkampf der Grünen im September 2021 mit 1.250.000 Euro beteiligte.

So entsteht nun die interessante Konstellation, dass der Förderer jener Aktivistengruppe, die die Atomkraftfeindlichkeit von Greenpeace vor Gericht bekämpfen möchte, gleichzeitig auch die deutschen Grünen, denen eben diese Atomkraftfeindlichkeit in die DNA eingeschrieben zu sein scheint, finanziert hat.

Dass die Fronten bei diesen internen Grabenkämpfen um die Stoßrichtung der grünen Bewegung also keineswegs so verhärtet sind, wie es zunächst erscheint, zeigt sich auch daran, dass der offene Brief an Greenpeace von RePlanet zunächst exklusiv bei der Welt und beim Guardian erschien. Die wohlwollende Berichterstattung des Guardian erwähnte dabei allerdings nicht die Finanzierung von RePlanet durch die fossil kompromittierte QCF, die noch zwei Monate zuvor an selber Stelle für große Empörung sorgte.

Anti-Atom als Altlast grüner Alt-68er

Allerdings thematisierte die Berichterstattung des Guardian sehr wohl die Generationenfrage. Die Aktivisten von RePlanet argumentieren ganz bewusst damit, dass die jüngere Generation weniger oder gar keine Vorbehalte gegenüber sauberer Nuklearenergie habe, während die Position von Greenpeace mehr und mehr zu einer Identitätsfrage einer älteren Generation von Klimaaktivisten wird.

Greenpeace ist dabei aber nur ein Sinnbild für einen Generationenkampf, der sich quer durch die NGOs, Parteien, Aktivisten und sogar die philanthropischen Sponsoren zieht. Wo Greenpeace das Anlaufbecken für Alt-68er und deren romantisch verklärten Kampf gegen das Atom war, präsentieren sich die Aktivistengruppen der jüngeren Generation technologieoffener und opportuner. Ähnliches gilt womöglich auch für die Sponsoren der Grünbewegung, denn Leute wie Schuurman und Setiya stehen für eine neue Generation von Tech-Milliardären, die zwar besessen sind von ihrer selbst auferlegten Verpflichtung, die Welt zu retten, deren ideologische Richtlinien sich aber weniger an der Klassenkampfrhetorik der 1960er als vielmehr am propagandistischen Unterbau milliardärssozialistischer Utopien orientieren. Damit präsentieren sie sich als Milliardäre des kommenden multipolaren Zeitalters, das asiatische Modelle der Optimierung und gesellschaftlicher Planwirtschaft, ohne ideologischen Ballast und dazugehörige Skrupel, bevorzugt.

Corona-Aufarbeitung mit Barbara Domke:
Wenn Grüne die Masken fallen lassen
Die Tatsache, dass diese Milliardäre auch die deutschen Grünen fördern, wird in den Hinterköpfen der Politiker sicherlich präsent bleiben, wenn sie sich in den kommenden Monaten immer dringlicher die Frage stellen müssen, wie sie ihre fortschreitende Entzauberung stoppen können. Denn auch innerhalb der Grünen gibt es einen Generationenkonflikt zwischen jenen, die sich bis zuletzt ihrer Ideologie verschrieben haben, und einer jüngeren Generation, die zwar nominell dem Dogma der Atomkraftablehnung treu sein muss, aber letztlich weitaus opportuner und auf Machterhalt ausgelegt ist.

Die Realität des deutschen Sonderwegs, der den wirtschaftlichen Niedergang und die Verarmung beinhaltet, lässt sich nicht länger hinter Wahlkampfphrasen verbergen, immer deutlicher hören selbst wohlgesonnene Wähler der Grünen die Unkenrufe von Ulrike Herrmann und ihrer Prognose des „grünen Schrumpfens“, das so schnell kein Ende haben wird. Wer nicht gerade über ein Monatseinkommen von 25.000 Euro, wie die Cottbuser Grüne Barbara Domke, verfügt, ist längst im Aufwachprozess begriffen und fragt sich, wie die Versprechungen grünen Wachstums sich nur als solch ein Potemkinsches Dorf entpuppen konnten.

Schon bald werden die Grünen sich die Richtungsfrage stellen müssen, denn die Kehrseite der Medaille ihrer kulturellen Hegemonie ist die, dass es nicht mehr der Grünen bedarf, um grüne Politik zu betreiben. Längst schon haben bürgerliche Parteien wie CDU und FDP weite Teile des grünen Narrativs übernommen und stehen bereit, um als „Grüne Light“ den Menschen wieder etwas mehr Zuckerbrot und Peitsche zu bieten als nur die pure Verarmung.

Der Generationenkonflikt innerhalb der grünen Bewegung wird früher oder später Bauernopfer fordern. Dazu werden althergebrachte ideologische Überzeugungen wie die Atomenergiefeindschaft zählen, aber womöglich sogar ganze Organisationen wie Greenpeace. Auch innerhalb der Grünen wird der Punkt kommen, an dem sie sich vom Ballast der alten Garde entledigen werden. Ihr Terror wird damit womöglich sogar humaner werden. Ob dieser pragmatische Milliardärssozialismus (© TE-Gastautor David Engels) aber tatsächlich ein Grund zur Freude sein wird, darf dennoch bezweifelt werden.

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