Tichys Einblick
Abschuss des Wolfs

Die Schlacht der Grünen gegen die Realität

Umweltministerin Steffi Lemke will den Abschuss des Wolfs erleichtern. Ein Beispiel dafür, wie die Realität die Grünen überrumpelt - aber die führen noch eine erbitterte Abwehrschlacht.

IMAGO / photothek

Die Ansiedlung des Wolfs in Deutschland war das grüne Vorzeigeprojekt schlechthin: rückwärtsgewandt. Die Überwindung eines zivilisatorischen Fortschritts, die Grüne als zivilisatorischen Fortschritt feiern. Das Hinwegsetzen über Bedenken: Mal durch Wegwischen, mal durch Skandalisieren – immer aber getragen von der typisch grünen Arroganz. Dann die Weltfremdheit. Das Klein- und Schönreden des Scheiterns. In der Ansiedlung des Wolfs steckt alles, was grüne Politik ausmacht.

Nun gibt Umweltministerin Steffi Lemke den Wolf zum Abschuss frei. Eine Parteisoldatin der Grünen, die bisher nur durch das Nichtauffallen aufgefallen ist. Die als Bundesgeschäftsführerin den katastrophalen Wahlkampf von 2013 zu verantworten hat. Als die Grünen Steuererhöhungen angekündigt haben, aber dank Lemke auf das Thema nicht vorbereitet waren. Die Journalisten hätten nicht respektiert, beklagte sich Lemke intern, dass die Grünen den Klimaschutz zum wichtigsten Thema des Wahlkampfs erkoren hätten. Eigentlich hätten die Grünen Lemke 2013 ausmustern müssen. Aber zum einen ist Lemke außerhalb der Politik zu nichts zu gebrauchen; und zum anderen muss immer irgendwo eine Frauenquote erfüllt werden. Also durfte Lemke bleiben und später Umweltministerin werden.

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„Wenn Dutzende Schafe gerissen werden und verendet auf der Weide liegen, dann ist das eine Tragödie für jeden Weidetierhalter und eine ganz große Belastung für die Betroffenen“, sagte Lemke nun der Welt. Das sagen Hirten und Bauern seit Jahren. Diese Warnungen bekämpfen Grüne ebenso seit Jahren als Panikmache – jetzt haben sie es aber offensichtlich eingesehen. Manche brauchen länger – grüne Parteisoldatinnen wie Lemke brauchen viel länger. Noch vor wenigen Wochen wollte sie das Thema Wolf in einen groß dimensionierten Arbeitskreis abschieben, um das grüne Vorzeigeprojekt nicht diskreditieren zu müssen. Nun müsse der Abschuss von Wölfen schneller und unbürokratischer möglich sein. Wie das im Detail aussieht, lässt Lemke offen – Grüne brauchen viel länger.

Die Einsicht in die Unsinnigkeit der Ansiedlung des Wolfs ist ein nächster Schritt im Umgang der Grünen mit der Realität. Die Metapher der Realität, die bei den Grünen angekommen wäre, ist indes falsch. Die Realität muss vielmehr die Tür der Grünen einschlagen oder deren Haus gleich ganz niederreißen, bis deren Vertreter davor nicht mehr in Deckung gehen können.

Und die Realität ist auf dem Siegeszug. Auch wenn die Grünen noch Abwehrgefechte führen. An diesem Dienstag beginnt die Haushaltswoche. Vier Tage beschäftigen sich die Abgeordneten des Bundestags mit dem, was noch geht in Deutschland – vor allem aber mit dem, was nicht mehr geht. Zum Beispiel der Doppelwumms geht nicht mehr, hat Kanzler Olaf „Bazooka“ Scholz (SPD) eingesehen. Die Republik kann es sich nicht mehr leisten, mit „Sondervermögen“, „Entlastungspaket“ oder „Transformationsfonds“ genannten Massenausgaben ihre Probleme zuzuschütten. 2,4 Billionen Euro Staatsschulden sind eine Realität, an der keiner vorbeikommt.

Auch wenn es die Grünen immer noch versuchen. Ihr „Wirtschaftsminister“ Robert Habeck wünscht sich weitere Doppelwumms-Pakete. Etwa für den „Industriestrompreis“. Unternehmen sollen nur noch einen staatlich festgelegten Höchstpreis bezahlen. Die Differenz zum Marktpreis sollen all die Verkäuferinnen, Handwerker und Straßenreiniger bezahlen, die das Land mit ihrer Arbeit am Leben halten – und Steuern abführen.

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Immerhin: Habeck hat erkannt, dass es mit der Wirtschaft so nicht weitergeht. Die weltweit höchsten Energiepreise. Fast die weltweit höchsten Steuern und Abgaben. Arbeitskräftemangel, aber eine Erhöhung des Geldes für erwerbsfähige Langzeitarbeitslose um 25 Prozent innerhalb eines Jahres. Dazu eine überbordende Bürokratie, zerfallende Straßen, ein weltweit drittklassiges Internet und eine Verwaltung, die sich vor der Digitalisierung hinter ihrem Faxgerät versteckt. Deswegen will Habeck den Industriestrom subventionieren.

Nur: Auf die Idee, für mehr Angebot beim Strom zu sorgen, kommt Habeck nicht. Der Ausstieg aus der Atomenergie ist für Grüne keine Sachfrage, sondern ein Glaubensbekenntnis. Nicht einmal die Abgaben und Steuern auf Strom will Habeck senken. Im Gegenteil. Die werden zum Jahreswechsel noch weiter steigen. Das Bewusstsein für das Problem ist bei Habeck angekommen – aber nicht für die Lösung. Grüne brauchen sehr viel länger.

Aber damit sind Habeck und die Grünen nicht allein. Unter Christian Lindner ist auch die FDP auf dem grünen Weg. Nur dass sich bei Lindner die Schere zwischen Erkenntnis und Handeln immer weiter öffnet. Auf Twitter schreibt er: „Es muss einen Abstand geben zwischen denen, die arbeiten, und denen, die eine soziale Leistung beziehen.“ Arbeiten müsse sich mehr lohnen als Bürgergeld.

Nur. Das Bürgergeld hat die Ampel innerhalb eines Jahres um 25 Prozent erhöht. Für arbeitende Menschen tut die Ampel auch etwas: Die dürfen seit dem Jahreswechsel noch mehr von ihrem Lohn an die Krankenkasse zahlen – seit dem Sommer mehr an die Pflegeversicherung – und zum nächsten Jahreswechsel wieder mehr an die Krankenkasse. Nichtarbeiten lohnt sich in Deutschland immer mehr, Arbeiten immer weniger. Lindner weiß das, unternimmt aber nichts, außer kluge Sprüche auf Twitter zu schreiben. Für ihn gilt das Motto: „Lieber schlecht regieren, als … egal.“ Denn außer an der Regierung zu sein, spielt für Lindner nichts mehr eine Rolle.

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