Nicht fehlende Qualifikation von Ministerinnen ist das Problem – sondern die Politik
Mario Thurnes
Die Grünen stehen in der Kritik, weil sie Justizministerien mit fachfremden Frauen besetzen. Doch das Beispiel Hamburg zeigt: Fachkenntnis hilft nur bedingt. Es kommt auf die Einstellung an – aber vor allem auf die Politik.
Hamburg hat eine traurige Geschichte im Übersehen von islamischem Terrorismus. Mohammed Atta hat an der Elbe gelebt und studiert, bevor er mit 18 anderen Terroristen die Anschläge vom 11. September 2001 durchführte. Einige von ihnen lebten zuvor ebenfalls in Hamburg. Die deutschen Sicherheitsbehörden übersahen die Gefahr unter ihren Augen – seitdem misstrauen amerikanische Geheimdienste ihren deutschen Kollegen. Zum Glück der Menschen hierzulande. Denn so mancher Anschlag konnte (nur) durch Hinweise aus den USA verhindert werden.
Seitdem scheinen Sicherheitsbehörden in Hamburg nicht effektiver zu arbeiten. Ibrahim A. tötete vor gut zwei Wochen in einem Regionalexpress eine 17-Jährige und einen 19-Jährigen. Davor saß der Palästinenser in Untersuchungshaft in Hamburg-Billwerder. Jetzt sind Akten aus der U-Haft aufgetaucht, die den Amoklauf in ein neues Licht setzen. Demnach wurde ein „Wahrnehmungsbogen“ über ihn geführt, wonach er sich mit dem Massenmörder vom Berliner Breitscheidplatz 2016, Anis Amri, verglichen und gegenüber Wärtern weitere Anspielungen in Richtung Terror gemacht hat. Trotzdem wurde A. freigelassen und konnte erst dadurch seine Morde an ihm Fremden durchführen.
Wegen dieses Behördenversagens steht die Hamburger Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) in der Kritik. Nun ließe sich rein praktisch sagen: Was kann sie dafür, wenn Informationen nicht von unten nach oben korrekt weitergegeben werden und so die Gefahr übersehen wird, die von Ibrahim A. offensichtlich ausging? Doch so funktioniert politische Verantwortung: Der Chef steht für das gesamte Haus. Das Versagen der Mitarbeiter ist das Versagen des Chefs. Dass dies auch für Chefinnen gilt, hat nichts mit Vorbehalten gegen Frauen zu tun – sondern ist im Gegenteil Gleichbehandlung.
Das führt zur Frage, wofür Politiker in Führungspositionen staatlicher Institutionen da sind: Sie führen: Sie stellen die Organisation des Hauses auf. Sichern Informations-Abläufe. Befördern gute Leute und verhindern schlechte Leute. Und sorgen so dafür, dass der Laden funktioniert. In die eigentliche Sachbearbeitung greifen sie in der Regel nicht ein. Muss ein Minister bei dem Aufgabenprofil vom Fach kommen? Nun, es schadet sicher nicht – ist aber auch nicht zwingend nötig. Wenn sie organisieren können und wenn sie auf die richtigen Fachleute setzen, müssen sie selbst keine Fachleute sein.
Als Negativbeispiel muss dieser Tage oft Christine Lambrecht (SPD) herhalten. Der Beweis schlechthin für die Inkompetenz der Juristin war, dass sie als Verteidigungsministerin bis zuletzt die Dienstgrade der Bundeswehr nicht kannte. Eine überschaubar intellektuelle Leistung. Zumal es anschauliche Poster gibt, auf denen diese aufgeführt sind – inklusive der Abzeichen, die Inhaber der jeweiligen Dienstgrade tragen. Das eigentliche Problem Lambrechts war nicht, diese Bezeichnungen nicht zu kennen – sondern, sich nicht dafür zu interessieren. Den einen Teil ihres „Rücktritts“ verdankt Lambrecht dieser Wurstigkeit, den anderen der politischen Lage: Sie gehörte zu denen, die keine Panzerlieferungen in die Ukraine wollten. Die Koalitionspartner der SPD bestanden aber darauf, also musste die Ministerin weichen.
Neben der eigentlichen Führung des Hauses ist die zweite große Aufgabe des Ministers, den politischen Willen der Regierung in seinem Fachbereich umzusetzen. Im zweiten Schritt. Im ersten Schritt muss er zuvor diesen Willen erst einmal erkennen. Und dann muss es am Ende der Legislatur auch der Wille sein, der bei den Wählern ankommt. Ob Doreen Denstädt das leisten kann, muss sich zeigen. Sie hat die Grünen jüngst in Verruf gebracht, als sie in Thüringen auf Dirk Adams (Grüne) als Justizminister nachfolgte. Es waren ihre Parteifreunde, die an Denstädt Hautfarbe und Geschlecht lobten – und damit hervorhoben. Da die Kriminalhauptkommissarin bisher als Sachbearbeiterin arbeitete und sonst keine juristische Erfahrung hat, steht der Verdacht im Raum, dass es bei ihrer Besetzung eben nur um Geschlecht und Hautfarbe ging.
Ob sie das Amt trotzdem beherrscht, kann und muss Denstädt noch beweisen. Eine andere fachfremde Besetzung hatte in Sachsen dafür gut drei Jahre Zeit: Katja Meier. Die Politikwissenschaftlerin hatte vor ihrer Berufung nur in der Politik gearbeitet. Vor allem als Referentin für die grüne Fraktion in Hessen. Offiziell sind solche Arbeiten immer streng auf den Landtag beschränkt – doch Meiers Mehrwert für die Partei bestand seinerzeit vor allem darin, den heillos zerstrittenen Wiesbadener Stadtverband (halbwegs) versöhnt zu haben.
Negativ aufgefallen ist Meier im sächsischen Amt vor allem durch ihre Vergangenheit. Als Jugendliche spielte sie in einer Punkband, die sich über brennende „Bullen“ freute. Von diesem Text hat sie sich distanizert. Ansonsten macht sie als Justiz- und Gleichstellung das, was Grüne Jusitzminister halt so machen: vermeintlich Rechtsextreme im Staatsdienst verfolgen oder Frauenquoten im Personal durchsetzen. Ansonsten fällt Meier nicht weiter auf im Justizministerium. Auch nicht als Politikwissenschaftlerin.
Die Ironie ist: Im Rahmen eines Magisterstudiums hat Gallina auch Öffentliches Recht studiert. Damit kommt sie für grüne Verhältnisse einer Fachfrau recht nahe. Doch ausgerechnet sie muss um ihr Amt bangen und verdankt dieses mittlerweile nur noch den Beharrungskräften innerhalb ihrer Partei und dem schonenden Umgang von Medien mit ihrer Partei. Denn eigentlich ist ein Amokläufer, der in Haft Terror angekündigt und dann unbeteiligte Menschen getötet hat, ein Rücktrittsgrund für einen Justizminister. Ebenso wie für eine Justizministerin.
Über 20 Jahre nach Atta ist Hamburgs Justiz immer noch nicht in der Lage, Terror zu erkennen. Selbst wenn der ihr unter die Nase gehalten wird. Der Stadtstaat bräuchte einen Justizminister, der energisch durchgreift. Wofür der Wille die Voraussetzung ist. Doch mehr noch als bei der CDU liegt bei den Grünen der Fokus in der Einwanderungspolitik auf drei Zielen.
1. Die Politik der offenen Grenzen darf nicht kritisiert werden.
2. Die Rechten dürfen nicht von negativen Folgen der offenen Grenzen profitieren.
3. Die Politik der offenen Grenzen darf nicht kritisiert werden, weil davon die Rechten profitieren würden.
Ein Justizminister, der sich an diesen drei Zielen orientiert, ist eigentlich eine Verschwendung. Dann kann er vielleicht das Haus noch gut führen, aber seine Politik führt dann zu Hamburger Verhältnissen. Denn die Ignoranz gegenüber Missständen um die Einwanderung gehört zur grünen Politik. Die hat Gallina in Hamburg letztlich nur umgesetzt – mit tödlichen Konsequenzen.
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