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Fed hängt die EZB ab

Zinsschritt in den USA lässt Euro-Zone zurück: Inflation plus Rezession

Die Fed strebt ein Zinsniveau von über 4 Prozent an, um die Inflation einzudämmen. Danach könnte der Zins wieder fallen. Der EZB fehlen schlicht die Mittel für ein solches Manöver. Hier droht ein Zusammenfallen von Inflation und Rezession.

US-Notenbankchef Jerome Powell am 21. September 2022 in Washington, D.C., USA

IMAGO / Xinhua

Für die Marktteilnehmer war es keine Überraschung, als der US-Notenbank-Chef Jerome Powell am Mittwoch das Ergebnis der Fed-Sitzung verkündete: Die Zinsen für den Dollar-Raum steigen abermals um 75 Basispunkte, also einen dreiviertel Prozentpunkt. Damit hebt die Notenbank den Zinssatz in diesem Jahr schon zum fünften Mal, und zum dritten Mal um eben jene kräftigen 75 Basispunkte. Nach dem neuen Sprung vom Mittwoch liegen die Dollar-Zinsen jetzt in einer Spanne von 3 bis 3,25 Prozent, und damit auf dem höchsten Stand seit 2008.

Noch wichtiger als die erwartete Steigerung war das mittelfristige Bild, das Powell entwarf: Im kommenden Jahr sollten die Zinsen auf deutlich über 4 Prozent klettern, um die Inflation in den USA einzudämmen. Die Inflation in den Vereinigten Staaten scheint sich tatsächlich langsam abzuschwächen. Die Kerninflation – also ohne den Preisauftrieb für Energie und Lebensmittel – stieg zuletzt nur noch langsam. Im August 2022 lag sie bei 6,3 Prozent, die Gesamtinflation bei 8,3 Prozent, und damit schon etwas tiefer als im Juli mit 8,5 Prozent.

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Zum Vergleich: Die historisch höchste Kerninflation im Juni 1980 betrug satte 13,6 Prozent. Damals drückte Notenbank-Chef Paul Volcker mit horrenden Zinsen von zeitweise über 20 Prozent die Geldentwertung bis 1983 wieder unter drei Prozent. Zu solchen rabiaten Mitteln muss Powell nicht greifen, zumal sich die Inflation nicht nur wegen der aktuellen Zinserhöhungs-Serie abschwächt, sondern auch wegen der beginnenden Rezession, die mittlerweile deutlich auf die Verbraucherlaune durchschlägt.

Aus dem Grund spielt die Projektion Powells – also deutlich über 4 Prozent Zinsen bis 2023 – eine psychologisch wichtige Rolle. Sie signalisiert der Öffentlichkeit, dass die Geldentwertung nicht mehr sehr viel weiter steigen wird. Deswegen rückt mehr und mehr die Sorge um die Wirtschaftslage in den Fokus von Politik und Bürgern. Einige Marktteilnehmer rechnen deshalb damit, dass die Fed die Zinsen schon Ende 2023 oder spätestens Anfang 2024 wieder senken könnte.

Vereinfacht gesprochen: Die US-Notenbank steigt jetzt machtvoll auf die Bremse, lässt die restriktive Strategie eine Weile wirken, lockert sie wahrscheinlich aber auch wieder rechtzeitig, um einen zu starken Absturz der Wirtschaft abzufangen. Von einem Zinsniveau um 4,5 Prozent wären auch mehrere Senkungsschritte gut möglich, ohne gleich wieder bei der ultralockeren Geldpolitik der vergangenen Jahre zu landen.

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Powell sagte nach der Sitzung am Mittwoch, es sei offen, wie sich die Zinserhöhung in Kombination mit der Wirtschaftsschwäche auswirke: „Niemand weiß, ob dieser Prozess zu einer Rezession führt, und falls ja, wie signifikant diese Rezession ausfällt.“ Analysten sehen darin aber auch die Zusicherung des Fed-Chefs, seine Politik zwischen Inflationsbekämpfung einerseits und Wirtschaftsklima andererseits auszubalancieren. Die Aktienmärkte fielen nach der Entscheidung der Fed zwar – der Dow Jones Industrial Average um 1,7, der Nasdaq um 1,8 Prozent. Damit gingen die Indizes deutlich in den roten Bereich, brachen aber nicht dramatisch ein. Das liegt auch daran, dass vor allem die US-Technologiewerte mit Beginn der Zinserhöhungs-Serie viel von ihrem Wert einbüßten. Denn für Unternehmen mit sehr hohem Finanzbedarf im Vergleich zum Umsatz gestaltet sich die Finanzierung deutlich schwieriger als zu den Zeiten der offenen Geldschleusen. Anders gesagt: Den Zinsschock haben die US-Börsen schon überwiegend verdaut.

In der Eurozone sieht die Zukunft aus mehreren Gründen sehr viel trüber aus. Anders als Fed zögerte die Zentralbank hier sehr viel länger mit der Zinserhöhung; die Führung um Christine Lagarde redete sich und der Öffentlichkeit erst einmal ein, die Inflation werde nicht sehr hoch, und danach, sie werde nicht lange bleiben. Mit ihrem Schritt von 0,75 Prozentpunkten im September erhöhte die EZB den Leitzins auf 1,25 Prozent – womit er immer noch weit unter dem Dollar-Zins rangiert.

Nur fehlt der europäischen Bank der Spielraum, noch wesentlich weiter nach oben zu gehen. Schon bei dem jetzigen Niveau diskutiert sie neue Hilfsmaßnahmen, um die Zinsen für die Staatspapiere Italiens und anderer hoch verschuldeter Mitgliedstaaten wieder zu drücken. Ein Zinsniveau von 4,5 Prozent, wie es die US-Notenbank anstrebt, können sich die Kollegen in Frankfurt unmöglich leisten. Bei dieser Höhe würden die Staatsfinanzen von Italien, Griechenland und Zypern kollabieren. Auch Frankreich käme in schwere Probleme. Anders als die USA, die mit ihren Zinsschritten das Vertrauen der Investoren intakt halten, hält der Trend zum Rückzug aus dem Euro angesichts der wachsenden Zins-Lücke zwischen Gemeinschaftswährungs- und Dollar-Raum an. Nach der US-Zinsanhebung am Mittwoch fiel der Euro wieder deutlich. Derzeit kostet ein Dollar weniger als 99 Cent der europäischen Währung.

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Um im Bild zu bleiben: Anders als die Fed kann die EZB die Bremse längst nicht so stark durchdrücken, dass sie die Inflation damit wirklich nachhaltig eindämmen würde. Und trotzdem sieht sie sich möglicherweise gezwungen, schon 2023 den Zins von dem bescheidenen Niveau wieder zu senken, um den Absturz in eine tiefe Rezession wenigstens abzumildern. Denn genau das, eine „inflationäre Rezession“, sagen die Analysten der Deutschen Bank Deutschland und der Euro-Zone für 2023 voraus. Nach ihrer Prognose bleibt die Inflation auch im kommenden Jahr mit gut 6 Prozent hoch. Das Bruttoinlandsprodukt soll in Deutschland allerdings um ein Prozent, im Euro-Raum sogar real um 3 bis 4 Prozent sinken. Zum Vergleich: Für die USA rechnet die Fed 2023 immerhin mit einem Mini-Wachstum von 0,2 Prozent.

Die Analysten der Deutschen Bank betonen, dass ihre Voraussagen allerdings nur für den Fall gelten, dass es nicht zu einer Rationierung von Gas und damit zu großen Produktionsausfällen und dem Riss ganzer Wertschöpfungsketten kommt. Hier zeigt sich ein wesentlicher Unterschied der Volkswirtschaften: Die USA gehören per saldo zu den Energie-Exporteuren. Die EU und vor allem ihr wirtschaftlich wichtigstes Land – die Bundesrepublik – hängen von Gas- und Öllieferungen ab. Am Ende bestimmen diejenigen, die über diese Ressourcen verfügen, wie tief der Schnitt für die Euro-Zone 2023 wirklich ausfällt.

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