Kann ein Wissenschaftler, der nicht einmal die Grundsätze des wissenschaftlichen Arbeitens beherrscht, eine Denkfabrik führen? Und kann er glaubwürdige Studien verantworten, aus denen das Verbot des Verbrennungsmotors, der Rückbau des Gasnetzes und die „Wärmewende“ resultieren?
Die Frage stellt sich neu, nachdem nicht nur die Doktorarbeit des Ex-Staatssekretärs und Ex-Agora-Direktors Patrick Graichen auf dem Prüfstand steht, sondern auch seine Masterarbeit. Die hatte Graichen im Jahr 1996 an der Cambridge University abgeschlossen. Der Plagiatsjäger Stefan Weber, der bereits bei der Doktorarbeit ein „eindeutiges Täuschungsmuster“ festgestellt hatte, hat sich nun auch diese Arbeit vorgenommen.
Dabei hat Weber auf dem „Blog für wissenschaftliche Redlichkeit“ offenkundige Plagiatsstellen aufgelistet. Sie tauchen bereits auf Seite 2 von „Acid rain and economics“ auf. Demnach habe sich Graichen mehrfach an einer Studie von George E. Halkos bedient, ohne diesen als Quelle zu zitieren. Die Arbeit von Halkos kommt nicht einmal im Literaturverzeichnis vor. Bereits in seinen schriftlichen Arbeiten habe der Ex-Staatssekretär damit „schwerwiegend plagiiert“, so Weber.
Warum Graichen trotzdem seine Arbeiten ins Internet gestellt habe, obwohl Plagiatsverdacht besteht, erklärt der Medienwissenschaftler so: „Zur Beantwortung dieser Frage muss man sich ins Jahr 1996 zurückversetzen: Wir hatten noch keine Plagiatssoftware. Wir durchsuchten das Internet mit AltaVista und noch nicht mit Google. Patrick Graichen dürfte sich seiner Sache verdammt sicher gewesen sein.“ Weber bezeichnete ihn daher als einen „Pionier des Netzplagiarismus“.
Weber sieht in dem offensichtlichen Plagiat einen Hinweis auf ein viel größeres Problem. „Wie viele deutschsprachige Studierende haben das im englischsprachigen Ausland auch so gemacht? Und wie ist unsere Gesellschaft gestrickt, wenn jemand, der zur Studienzeit inklusive seiner Doktorarbeit plagiiert hat, später bestbezahlter Spitzenbeamter, Leiter eines ‚Think Tanks‘ (in dieser Funktion hat er übrigens ein Plagiat Baerbocks abgewiegelt) und schließlich Staatssekretär wird?“, fragt er auf seinem Blog.
Die Masterarbeit war laut Weber die Zugangsvoraussetzung Graichens für seine spätere Doktorarbeit an der Universität Heidelberg. Man habe der Universität bereits die Fundstellen übermittelt. Weber: „Nun wird sich wohl auch das UK Research Integrity Office mit dem Fall Graichen beschäftigen müssen.“