Tichys Einblick
Neuer Studiengang

Glück auf: Integrationarbeit mit Numerus Clausus und Bachelor

Einwanderung nach Deutschland kann man jetzt in Dortmund auch studieren. So wird aus der Einmal-Entscheidung der Grenzöffnung eine sich beschleunigende Bewegung - und die Migration-Bachelors werden für ihre eigene Beschäftigung schon sorgen.

© Getty Images

Jo, der Pott weiß wie es geht: Nachdem der Ureinwohner schon die Hugenotten, die Ruhrpolen und die Bergwerkstürken erfolgreich eingemeindet hat, wollen die Söhne und Töchter Barbarossas jetzt in ihrem Melting-Pott auch bei Syrern und Afghanen ganze Arbeit leisten. In Sachen Integration geht man beispielhaft voran mit einem Studiengang an der FH Dortmund der bundesweit für Aufregung sorgt. Jedenfalls seit der Spiegel mit einiger Verspätung den bereits seit dem Wintersemester 2014/15 angebotenen dualen Bachelorstudiengang „Soziale Arbeit mit dem Schwerpunkt Armut und (Flüchtlings-)Migration“ für sich entdeckte.

Einwanderung kann studiert werden

Ursprünglich sollte hier Integrationsarbeit an Einwanderer-Gruppen aus Ost-Europa optimiert werden, mittlerweile braucht es für diesen Studiengang den Numerus Clausus, um hier überhaupt noch angenommen zu werden. Die Bewerbungen übersteigen bei weitem die Plätze. Anfangs war er noch zugangsfrei, mittlerweile bekommt die Hochschule bis zu 90 Bewerbungen auf gerade einmal 35 Plätze pro Jahr. Drei Viertel ihrer Kommilitonen sollen einen Migrationshintergrund haben. Das wiederum dürfte im Pott für eine durchaus gelungene Integrationsarbeit der Vergangenheit sprechen. Diese Zusammensetzung ist an Universitäten im Pott nicht einmal die Ausnahme. „Die Nachfrage ist wahnsinnig groß, gerade auch durch die aktuelle Situation“, so Michel Boße gegenüber Dortmund24.de. Boße koordiniert den Studiengang. Der duale Aspekt des Studienganges erklärt sich so: An zweieinhalb Tagen in der Woche arbeiten die Studierenden in einer sozialen Einrichtung, die verbleibenden Tage gehören dem Studium an der FH.

Vorteil: Die praktische Erfahrung mit den betreuten Migranten und Flüchtlingen wird direkt an der FH reflektiert und aufgearbeitet. Angesetzt sind acht Semester bis zum Bachelor-Abschluss. Der jüngste Student soll 19, der älteste bereits 53 Jahre alt sein. Für den Stubenältesten also immerhin noch mehr als Jahrzehnt angewandte Integrationsarbeit bis zur Rente.

Auch Fälle aus der Praxis sollen im Studium bearbeitet werden. Einfach damit der Schock später nicht ganz so groß ist, „wenn es als Sozialarbeiter in die Problemviertel geht.“, so Boße weiter. Gegenüber dem heimischen Redakteur betont er im Interview extra noch: „Das Studium sei auf Ernsthaftigkeit ausgelegt, der Stundenplan fix.“ Sollen so schon im Vorfeld ein paar zu idealistische Bewerber abgeschreckt werden?

Dortmund richtet sich also ein. Der praktische Teil sondiert und vermittelt zunächst die Problemlagen im Kontext von Armut, Flucht und Migration.

Aber was genau lernen die Studenten an der FH Dortmund in diesem speziellen dualen Bachelor-Studiengang am Fachbereich Angewandte Sozialwissenschaften der Fachhochschule? Im Rahmen einer Gesamtlernzeit von 5400 Stunden müssen 180 Leistungspunkte erbracht werden. Dann ist der Studierende am Ziel angekommen. Bis dahin soll er sich ausreichend qualifiziert haben „für Tätigkeiten in den verschiedenen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit“, Zudem soll er dann über eine „migrationspädagogische Kompetenz“ verfügen.

Die Qualifikation will es in der Praxis ermöglichen, „Zuwanderinnen und Zuwanderer fachlich zu begleiten und sich kritisch mit der Frage auseinanderzusetzen, welche (gesellschaftlichen) Strukturen die Notlagen dieser Menschen bedingen.“ Und das sind die Lehrinhalte, die zu den genannten Kompetenzen führen sollen:

Akademische Migrationsbefürwortung ohne Hintergedanken

Es ist unschwer zu erkennen: Es geht um Migrationsförderung und Beförderung der Interessen der Zuwanderer. Um Einheimische geht es nicht. Sie sollen nur von den Vorzügen wachsender Konkurrenz auf dem Miet- und Arbeitsmarkt überzeugt werden, „Kulturwissen“ über die Einwanderer erwerben und bereitwillig die notwendigen Steuern und Sozialbeiträge aufbringen. Migrationskritische Themen fehlen: Kein Wort über Belastungsgrenzen, Assimilationsschwierigkeiten, kulturelle Brüche, die vielfältigen Schwierigkeiten der Integration und beispielsweise Hinweise auf die breite amerikanische Forschung und Literatur, die sich kritisch mit massenhafter Bevölkerungsverlagerung auseinandersetzt. Kritisch hinterfragt wird nicht – es sei denn jene Hürden, die noch vorhanden sind wie beim Zugang zum Arbeitsmarkt. Es ist ein Kurs in rosa Globalismus. „Refugees Welcome“ steht in Leuchtschrift darüber, und das freut die Befürworter und erklärt, warum so viele Migranten sich darum bemühen: Sie schaffen sich im breiten Bereich staatlicher Hilfsorganisationen und mit ihnen sich überlappender staatlich finanzierter NGOs  ihre eigenen Jobs außerhalb dieser lästigen Marktwirtschaft. Nun könnte man Schnittstellen zu den bekannten Refugees-Welcome NGO’s und Stiftungen annehmen. Annehmen, dass läge in der Natur der Sache. Aber die telefonische Nachfrage – man kann ja im Prinzip alles fragen – gibt das kaum her. Das sei zunächst einmal ein stinknormaler Studiengang „Soziale Arbeit“, erklärt der Gesprächspartner des Studienganges, „allerdings mit meinem speziellen Fokus“. Natürlich hätten die Dozenten des Hauses ihre eigenen privaten Auffassungen wie jeder andere auch. Aber eben viel mehr auch klare Aufgaben, welche Fächer und Inhalte vermittelt werden müssten.

Große Bereitschaft zur Übernahme der Migration-Bachelors

Die halbe Woche praktische Arbeit findet statt bei den Kommunen, den Wohlfahrtverbänden wie AWO, Diakonie, Caritas, Malteser oder auch den Kirchengemeinden. Besonders positiv sei, dass eine Weiteranstellung sogar die Regel sei. Jedenfalls hätten die ersten Absolventen dieses Jahres alle Chancen, übernommen zu werden. Schließlich wird über Jahre für diese Teilzeit-Tätigkeit ein Mindestlohn von 900 Euro brutto schon im ersten Jahr bezahlt und von den Arbeitgebern durchaus als Investition in die Zukunft verstanden. Und in der Zukunft werden die Migration-Bachelors werden für ihre eigene Beschäftigung schon sorgen.

Nun kann man dieser Dortmunder Integrationsarbeit sicher auch kritisch gegenüber stehen. Aber man sollte dabei bedenken, dass hier – schon ausgehend von der praktischen Arbeit – eine Distanz zur reinen Willenbekundungen möglich ist. Erst die Zukunft wird zeigen, wie effektiv diese Ausbildung wirkt. Und ob Dortmund hier Modellcharakter für die Republik haben kann. Wenn die Absolventen ihre Tätigkeiten beginnen, dann darf man jedenfalls davon ausgehen, dass sie bereits ein Fundament aus praktischer Arbeit mitbringen. Die Hoffnung, dass das auch eine Distanzierung zu ideologischen Blickwinkeln mit sich bringt wird unerfüllt bleiben. Kritik ist nicht eingebaut – es ist ein Bestätigungsmail-Betätigungsfeld der derzeit gewollten Politik.

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