Tichys Einblick
Wer fällt künftig in die Zielgruppe?

Gesetzliche Migrantenquote kommt als „Vielfaltsgesellschaft“

Berlin verzichtet auf die „Migrantenquote“, melden Medien. Im Ergebnis aber kommt sie doch - als „Einzelfallgerechtigkeit“, mit der die Vielfaltsgesellschaft gegen die Deutschen erzwungen werden soll.

imago images / Christian Ditsch

Letztlich sollen Zielvorgaben bei Förderplänen und bestimmte Strategien zur Gewinnung neuer Mitarbeiter jetzt eine ähnliche Funktion erfüllen wie die per Gesetz vorgegebene fixe Migrantenquote: Personen mit ausländischen Wurzeln, hier ist sich Rot-Rot-Grün einig, sollen in deutlich größerer Anzahl im öffentlichen Dienst beschäftigt werden. Bei dem Gesetzesvorhaben stellt sich die spannende Frage:

Wer fällt künftig in die Zielgruppe?

Die Berliner Regierung will sich nach Konflikten zwischen Linken, Grünen und Sozialdemokraten nun doch auf einen Gesetzentwurf „zur Förderung der Partizipation in der Migrationsgesellschaft“ verständigen, der keine feste gesetzliche „Migrantenquote“ für Beschäftigte im öffentlichen Dienst vorsehen soll. Die Quote sei „vom Tisch“, verkündeten die Medien einhellig, „SPD setzt sich gegen Linke durch“.

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Mit angestoßen worden war die Debatte um feste Migrantenquoten von Elke Breitenbach (Die Linke), Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales. Sie hatte eine Quote von 35 Prozent für den öffentlichen Dienst in Berlin befürwortet sowie eine systematische Bevorzugung von Bewerbern mit Migrationshintergrund bei gleicher Eignung und damit eine erhitzte öffentliche Diskussion in Gang gesetzt. Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) hatte sich im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit der Quote jedoch kritisch geäußert. Über das Ziel, mehr Menschen mit Migrationshintergrund und People of Color in den öffentlichen Dienst zu bringen, bestehe allerdings „vollkommene Einigkeit“, beteuerte Geisel gleichzeitig.
Pläne der Berliner Regierung

Einer Pressemitteilung vom 5. Februar zufolge haben sich die beteiligten Senatsverwaltungen für Integration, Arbeit und Soziales sowie Inneres und Sport jetzt auf die folgende als Kompromiss gewertete Regelung geeinigt:

Nach der Beschlussfassung des Berliner Senats werde der Rat der Bürgermeister an dem Gesetzesentwurf beteiligt. Dann sollen die Abgeordneten im Berliner Abgeordnetenhaus über die Novelle abstimmen. Das Ziel sei es, das Partizipations- und Migrationsgesetz noch in dieser Legislaturperiode zu beschließen, so wie es im Koalitionsvertrag festgelegt sei.

Abzuwarten bleiben nun die konkreten Formulierungen und Definitionen, die in die endgültige rot-rot-grüne Novelle eingehen. Sie könnten nach wie vor für Diskussionsstoff sorgen.

Anteil an der Bevölkerung als Maßstab

Offenkundig soll ja an der politischen Vorgabe, Mitarbeiter mit ausländischen Wurzeln im öffentlichen Dienst „gezielt zu fördern“ und entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung Berlins zu beschäftigten, nicht gerüttelt werden. Nur dass das Instrumentarium etwas flexibler gestaltet wird, auf „Freiwilligkeit“ baut und nicht mit einer aktuellen gesetzlichen Quote fixiert wird.

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Einen solchen Maßstab hatte bereits das Berliner Partizipations- und Integrationsgesetz (PartIntG) von 2010 , jetzt in der Überarbeitung von Elke Breitenbach umbenannt in Gesetz zur Förderung der Partizipation in der Migrationsgesellschaft (PartMigG), in § 4 explizit vorgegeben: „Der Senat strebt die Erhöhung des Anteils der Beschäftigten mit Migrationshintergrund entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung an.“ Auch im 2015 in Kraft getretenen baden-württembergischen Partizipations- und Integrationsgesetz ist in § 6 die Rede davon, das Land verfolge das Ziel, „in der Landesverwaltung unter Beachtung des Vorrangs der in Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzes festgelegten Grundsätze einen Anteil von Beschäftigten mit Migrationshintergrund zu erreichen, der dem Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen [nicht: an der Gesamtbevölkerung] im Land entspricht“. Das entsprechende NRW- Gesetz, 2012 erlassen, kündigte pauschal eine „Erhöhung des Anteils der Menschen mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst“ an. Allerdings mit der politischen Maßgabe, der Anteil solle „langfristig dem Anteil an der Gesamtbevölkerung entsprechen. Dies soll durch Maßnahmen der Landesinitiative ohne verpflichtende Quote erreicht werden.“ 
Mögliche Pluspunkte migrantischer Bediensteter

Es bleibt also bei allen für wünschenswert angesehenen Erhöhungen des Anteils an migrantischen Bediensteten die Frage, wie der (hier im Berliner öffentlichen Dienst) angepeilte Endzustand jeweils zu einem bestimmten Datum aussehen soll und welche Pluspunkte migrantische Bewerber mitbringen. So wirbt die Hauptstadt-Polizei damit, „Sprachkenntnisse und interkulturelle Kompetenzen“ seien für Interessenten von Vorteil. „Vor dem Hintergrund der Bevölkerungsstruktur sind insbesondere Kenntnisse in den Sprachen Arabisch, Chinesisch, Englisch, Französisch, Italienisch, Kroatisch, Polnisch, Russisch, Serbisch, Spanisch, Tschechisch, Türkisch oder Vietnamesisch hilfreich.“

Zumindest in puncto Fremdsprachen und Vertrautheit mit einzelnen ausländischen Staaten und Landsleuten dürften Bewerber mit ausländischen Wurzeln die Nase vor ihren nichtmigrantischen Konkurrenten haben, sofern man denn die Vielsprachigkeit der Gesellschaft anstelle einer deutschen Verkehrs- und Amtssprache als neuen Normalzustand sieht, davon ausgehend, dass nicht alle Hauptstädter gut Deutsch sprechen.

Beschäftigung migrantischer Bediensteter wird sich mit an Zuwanderung und Geburtenziffern orientieren

Nun also doch die Ausrichtung an Bevölkerungsanteilen. In einem Rechtsgutachten, das die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales in Vorbereitung des Gesetzsnovelle in Auftrag gegeben hatte (zu lesen auf deren Webseite) plädiert die Verfasserin Doris Liebscher, Leiterin der in Berlin neu eingerichteten Ombudsstelle der Landesstelle für Gleichbehandlung, dafür, sich am „Anteil der Beschäftigten mit Migrationsgeschichte“ „entsprechend ihrem Anteil an der erwerbstätigen Bevölkerung“ zu orientieren, nicht an allen Einwohnern. Im Gutachten wurde noch im Sinne der Berliner Linken eine gesetzliche Migrantenquote befürwortet. Doris Liebscher merkt an, Migranten in der Gesamtbevölkerung seien teilweise durch arbeitsrechtliche Vorschriften vom Zugang zum Arbeitsmarkt ausgeschlossen und könnten von staatlichen Fördermaßnahmen gar nicht profitieren.

Der Bezug „erwerbstätige Bevölkerung“ würde Minderjährige, Rentner und weitere Mitglieder der Zielgruppe, die nicht erwerbstätig sind oder sein wollen, also für den öffentlichen Dienst in keiner Weise zur Verfügung stehen, unberücksichtigt lassen. So wäre auch ausgeschlossen, dass allein schon Zuwanderung oder Geburtenziffern von Migrantengruppen sich quasi unmittelbar auf die Beschäftigtenstruktur im öffentlichen Dienst auswirken, wie dies beim Maßstab Bevölkerungsanteil rein logisch betrachtet der Fall ist.

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Doris Liebscher hatte in ihrem Gutachten übrigens unter Verweis auf eine Reihe von bundesdeutschen und übernationalen juristischen Vorgaben argumentiert, dass „nachteilsausgleichende Maßnahmen“ der öffentlichen Hand wie eine Migrantenquote zugunsten einer strukturell benachteiligten Bevölkerungsgruppe keine positive Diskriminierung im Sinne des Grundgesetzes darstellen. Diese bedeuteten keine „Bevorzugung“, „weil Antidiskriminierungsrecht mit positiven und asymmetrischen Maßnahmen auf ungleiche, also auch asymmetrische Ausgangsverhältnisse reagiert“ und mit den Maßnahmen „gesamtgesellschaftlich die tatsächliche Gleichheit von Menschen mit Migrationshintergrund/-geschichte befördert“ werde. Der Staat müsse „gravierenden Unterschieden in der sozialen Wirklichkeit realitätsnah entgegentreten“. Positiv diskriminiert im Sinne von Art. 3 GG könnten nach dieser Sichtweise, vereinfacht gesagt, nur diejenigen Kreise werden, die ohnehin strukturell stark oder eher bevorteilt sind, anderen Betroffenen spricht die Juristin einen legalen „Nachteilsausgleich“ zu. Die Berliner Regierung hat sich allerdings bei ihrer jüngsten Einigung die Sichtweise des Gutachtens nicht zu eigen gemacht.
Die Zielgruppe des Gesetzes: verschwommene Kontur

Die in Vorbereitung befindliche Novelle soll bewirken, dass, wie die Website des Berliner Senats für Integration und Migration erläutert, „Berlinerinnen und Berliner mit Migrationsgeschichte gleichberechtigten Zugang zum Staatsdienst und wichtigen Entscheidungspositionen haben. Auch, um dort Ihre Kompetenzen einzubringen sowie Interessen und Perspektiven, die noch zu wenig präsent sind.“
Diese Zielgruppe ist fraglos ein hinsichtlich vieler Merkmale (Herkunftsland, Aufenthaltsdauer, formale Bildung, berufliche Ausbildung und Kompetenz, Sprach- und Deutschkenntnisse) äußerst heterogener Kreis. Offen bleibt, ob alle einzelnen Herkunftsländer bzw. -regionen, die in Berlin vertreten sind, künftig „Gleichberechtigung“ erfahren sollen oder es reicht, wenn ausgewählte Herkunftsstaaten den gewünschten höheren Anteil an Migranten in der Summe gewährleisten.

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Spannend bleibt vor allem, wie die Berliner Politik und Verwaltung künftig den Schlüsselbegriff „Menschen mit Migrationsgeschichte“ definiert, der ja auch in der Vereinbarung zum Gesetz vorkommt. Hier spielt nämlich nicht nur eine Rolle – was bei dem Schlüsselwort „Migrationsgeschichte“ nahe läge –, ob ein Betroffener nicht in Deutschland geboren ist oder Vorfahren von ihm nicht im heutigen Bundesgebiet gelebt haben (was gegebenenfalls komplexe Ahnenforschung erfordern würde). Vielmehr legt die Beauftragte des Berliner Senats für Integration und Migration, Katarina Niewiedzial, auf ihrer Website die folgende Definition zugrunde:
  1. „Als Personen mit Migrationsgeschichte gelten Personen mit Migrationshintergrund, Personen, die rassistisch diskriminiert werden und Personen, denen nach eigenen Angaben ein Migrationshintergrund zugeschrieben wird. Diese Zuschreibung kann insbesondere an phänotypische Merkmale, Sprache, Namen, Herkunft, Nationalität und Religion anknüpfen.
  2. Eine Person verfügt über einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt besitzt.

Die Personen, die durch das Gesetz gefördert werden sollen, bilden eine sehr breite und heterogene Gruppe. Die bisherige Definition der Zielgruppe greift dabei viel zu kurz (Sie umfasste Personen, die 1. nicht Deutsche im Sinne des Artikels 116 Absatz 1 des Grundgesetzes sind, 2. im Ausland geborene und nach 1949 nach Deutschland ein- und zugewanderte Personen und 3. Personen, bei denen mindestens ein Elternteil die Kriterien der Nummer 2 erfüllt).“

Auch werde der Begriff Migrationshintergrund „von vielen als ausgrenzend kritisiert“. [Die „Fachkommission Integrationsfähigkeit“ der Bundesregierung hat den Begriff „Migrationshintergrund“ jüngst für grundsätzlich nicht mehr zeitgemäß erklärt.] Der Begriff „Migrationsgeschichte“ hingegen drücke die Wertschätzung der vielfältigen Biografien aus. „Die Menschen mit ihren vielfältigen Geschichten sind selbstverständlicher Teil der Berliner Stadtgesellschaft.“

Dilemma der Förderpolitik

Die Definition offenbart ein grundlegendes Dilemma der Förderpolitik: Einerseits bedürfen wohl nicht alle 21,2 Millionen Menschen hier zu Lande, denen das Statistische Bundesamt formal einen Migrationshintergrund bescheinigt, staatlicher Unterstützung. Andererseits bleibt zum Teil nebulös und Gegenstand politischer Bewertung, wie man Gruppen und Einzelpersonen eingrenzt, die – Zitat – „rassistisch diskriminiert“ werden oder „denen nach eigenen Angaben ein Migrationshintergrund zugeschrieben wird“.

In dem Gutachten von Doris Liebscher heißt es dazu (S. 47ff.), es gehe um „intentionale oder strukturelle rassistische bzw. migrations- und Nicht-deutsche-herkunftsbezogene Diskriminierungen“, die auch Menschen betreffen, die keinen Migrationshintergrund haben,

„… aber denen … ein Migrationshintergrund zugeschrieben wird. Dazu zählen im deutschen Kontext zum Beispiel Schwarze Deutsche, Asiatische Deutsche, arabisch- oder türkeistämmige Deutsche oder deutsche Sinti und Roma, denen aufgrund einer rassialisierten und ethnisierten Vorstellung von deutscher Staatsangehörigkeit mangelnde Zugehörigkeit zugeschrieben wird. Erfasst sind ebenfalls Juden und Jüdinnen, denen das Deutschsein oft abgesprochen wird, bzw. die antisemitische Diskriminierung erfahren. … Das Kriterium Menschen mit Migrationsgeschichte, das auch Zuschreibungen umfasst, trifft die Definition von ‚Rasse und ethnischer Herkunft‘ … noch präziser als die von Menschen mit Migrationshintergrund … . Eine weite Definition von Menschen mit Migrationsgeschichte entspricht auch den Empfehlungen des UN-Antirassismus-Ausschuss CERD und der Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz, ECRI an Deutschland. Beide Organisationen mahnen Deutschland seit langem, verlässliche und vergleichbare Daten über die Situation einzelner rassistisch diskriminierter Bevölkerungsgruppen und Minderheiten in der deutschen Bevölkerung zu erheben, um effektive Maßnahmen zur Förderung vollständiger und effektiver Gleichstellung zu konzipieren.“

„Zuschreibung“ als ein Schlüsselwort

Personen erführen rassistische Diskriminierung in Bildungsinstitutionen, auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt oder auch im Kontakt mit Behörden und Ämtern. Ob Personen „solche Zuschreibungen und/oder rassistische Diskriminierung geschehen, soll von den Personen selber eingeschätzt und angegeben werden“, macht die Senats-Website ausdrücklich klar. Doris Liebscher betont in ihrem Gutachten anknüpfend an das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AAG), bei Diskriminierung, egal ob sie an vermeintliche rassische Merkmale oder an ethnische Herkünfte anknüpft, handele es sich immer vor allem um Diskriminierung durch „Zuschreibung“, nicht nur objektive Gegebenheiten. „Die Orientierung an tatsächlicher Abstammung oder Zugehörigkeit wird der Realität von Diskriminierung nicht gerecht. Bei Diskriminierung ist die Abstammung bzw. die tatsächliche Herkunft oft gar nicht bekannt … von ‚Rasse und ethnischer Herkunft‘ würden ‚alle Personen erfasst, die als fremd wahrgenommen werden, weil sie aufgrund bestimmter Unterschiede von der regionalen Mehrheit als nicht zugehörig angesehen werden‘. “

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Sollte sich diese Umschreibung des angesprochenen Personenkreises im anstehenden Gesetz oder in den angekündigten Förderplänen niederschlagen, mutierten Aussagen und das subjektive Erleben eines Betroffenen – nicht unbedingt: nachgewiesene erfahrene Benachteiligung – zu einem festen juristischen Personenmerkmal („diskriminiert nach eigener Einschätzung“), das staatliches Handeln auslöst. Ein Kommentator im Berliner „Tagesspiegel“ vom 2. Februar, der Philosoph Urs Lindner, ging noch weiter und wollte gleich rigoros die „Migrantenquote“ durch eine „Antirassismusquote“ ersetzen, die „strukturell von Rassismus gefährdete Gruppen“ als Kategorie in den Mittelpunkt stellen solle. Dies würde den Gesetzgeber aber wohl kaum von der Aufgabe entbinden, „strukturell von Rassismus gefährdete Gruppen“ bzw. faktisch von Rassismus betroffene Einzelpersonen auf nachvollziehbare Art und Weise kenntlich zu machen.
Auf welchen Personenmerkmalen basieren Förderpläne und Zielvorgaben?

Auch bei den vorgesehenen „Förderplänen und Zielvorgaben auf der Grundlage von Datenerhebungen auf freiwilliger Grundlage für alle öffentlichen Stellen des Landes Berlin“ ist das A und O, mit welchen Personenmerkmalen der Beschäftigten und Job-Bewerber die Erhebungen und Personalpläne arbeiten, wie repräsentativ und aussagekräftig die eingesammelten Daten sind, auch, wie der Datenschutz gewährleistet werden kann. Gerade mit diesen Aspekten hatte sich der im Februar 2019 veröffentlichte Evaluationsbericht zum PartIntG der Syspons GmbH. Er basierte unter anderem auf Interviews und Workshops mit Betroffenen und Fachleuten.

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Der Evaluationsbericht hatte seinerzeit bereits als eine zu begünstigende Zielgruppe des Gesetzes „Menschen, die von rassistischer Diskriminierung betroffen sind“, ins Gespräch gebracht und diskutiert, ob und wie bei Datenerhebungen über die Belegschaft „Selbstidentifikationen“, also Bezeichnungen, die sich Befragte selbst geben („Weiß“, „Türkisch-Deutsch“, „Person of Color“, „Muslimisch“), mit abgefragt werden sollten. Diese Selbstidentifikationen gingen über den simplen aufs Geburtsland konzentrierten „Migrationshintergrund“ des Statistischen Bundesamtes klar hinaus.
Überregionale Bedeutung der Berliner Novelle

Auf den ersten Blick scheint die in jüngerer Zeit erhitzte Debatte um offizielle „Migrantenquoten“ jetzt in der Hauptstadt erst mal politisch entschärft zu werden. Auf den zweiten Blick hat sich eigentlich nicht so viel geändert. Dass Zuwanderern Chancengleichheit gewährt werden soll, ist unstrittig. Zu beobachten wird sein, wie die rot-rot-grüne Berliner Regierung im Rahmen des geplanten Gesetzes die angekündigte verstärkte Berücksichtigung von Menschen mit Migrationshintergrund/-geschichte bei der Besetzung von Stellen bewerkstelligen will, bis deren „Anteil an der Bevölkerung Berlins“ widergespiegelt ist. Das Vorliegen eines Migrationshintergrunds im Sinne des Statistischen Bundesamtes allein ist, wie schon gesagt, kein Beweis dafür, dass eine Person Opfer des Systems und förderungsbedürftig ist. Andererseits brächten Merkmale wie Diskriminierungserleben juristisch nicht leicht zu fassende Aspekte in die Mitarbeiterauswahl ein. Es ist zudem fraglich, ob alle befragten und betroffenen Angehörigen des öffentlichen Dienstes bereit sein werden, sich als (benachteiligter) Migrant einzuordnen.

Vor allem bleibt abzuwarten, ob eine besondere Unterstützung der öffentlichen Hand von Einwohnern mit ausländischen Wurzeln (und ggf. Frauenförderung) sich als Einstieg in eine umfänglichere Quotierung aller möglichen Personenmerkmale – Herkunft Ostdeutschland, Zugehörigkeit zur LGBTI-Gruppe – entpuppen könnte. Schon allein eine faire Berücksichtigung sämtlicher in Berlin vertretenen Herkunftsregionen in den Behörden erforderte komplexe regelmäßige Kontrollen und Anpassungen des Personalbestands. Sollte man evtl. zusätzlich noch auf lange Zeit öffentliche Bedienstete nach potenziell oder faktisch von Rassismus/Diskriminierung betroffene oder nicht betroffene Mitarbeiter sortieren, liefe das auf eine minuziöse Kategorisierung der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst hinaus, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt kaum förderte.

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