Tichys Einblick
Widerstand gegen Bezahlkarte:

Gericht weicht Bargeldbeschränkung für Asylbewerber auf

Das Hamburger Sozialgericht hat die 50-Euro-Bargeldgrenze für Migranten für rechtswidrig erklärt. Die Grünen und NGOs wie Pro Asyl feiern das Urteil. Droht die Aufweichung der Bezahlkarte?

picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer

Die Bezahlkarte für Asylbewerber hat seit dem ersten Tag die Gemüter erhitzt. Die Bundesländer hatten mit dieser Methode versucht, deutlich mehr Kontrolle darüber zu erlangen, wohin die staatlichen Leistungen an Migranten fließen. So sollten etwa Überweisungen ins Ausland gedrosselt werden. Eine Obergrenze sah lediglich 50 Euro Bargeld vor.

Ein Gerichtsurteil in Hamburg bringt diese Regelung nun möglicherweise ins Wanken. Hintergrund ist eine Klage des Vereins Pro Asyl und der Gesellschaft für Freiheitsrechte, die sich für eine Flüchtlingsfamilie einsetzten. Die Familie hat ein 2022 geborenes Kind, die Mutter ist schwanger. Sie forderte mehr Bargeld. Das Gericht gab der Familie Recht: derzeit erhält sie nur einen Bargeldbetrag von 110 Euro, das Gericht sprach ihr 270 Euro an Bedarf zu.

Eine Gerichtssprecherin erklärte, dass die Hamburger Sozialbehörde die Lebensumstände berücksichtigen müsse. Dazu gehöre der Mehrbedarf von Schwangeren und Kleinkindern. Es dränge sich die Frage auf, wie „die Leistungsverwaltung mit einer starren Obergrenze individuellen Bedürfnissen und Umständen vor Ort“ gerecht werden könne. Die Bezahlkarte als solche beanstandete das Gericht hingegen nicht.

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Andreas Audretsch, begrüße die Entscheidung des Gerichts. „Eine pauschale Bargeldobergrenze von 50 Euro verstößt gegen Grundrechte“, sagte er dem Tagesspiegel. Das Gericht bestätige die Einschätzung der Grünen „vollumfänglich“. Das Gericht habe die Entscheidung der Ministerpräsidentenkonferenz, eine Obergrenze von 50 Euro einzuführen, für „nichtig erklärt“.

Auch die Spitzenkandidatin der Grünen in Brandenburg, Antje Töpfer, freute sich über den Entscheid. „Für uns sind Bezahlkarten nur dann eine gute Lösung, wenn sie diskriminierungsfrei sind und die Verwaltung entlasten, also Bürokratie abbauen helfen“, sagte Töpfer. „Woidkes Vorstoß zur 50-Euro-Begrenzung ist und bleibt Populismus und entbehrt jeglicher fachlichen Grundlage.“

Auf Anfrage des Tagesspiegels erklärten Hamburgs Innenbehörde und Sozialbehörde: „Die Entscheidung des Sozialgerichts stellt die Rechtmäßigkeit und das System der Hamburger Bezahlkarte (SocialCard) nicht infrage.“ Die Auswirkungen des Urteils sind deswegen noch nicht abzusehen, weil die Verwaltung prüft, ob gegen den Beschluss des Sozialgerichts Beschwerde eingelegt werden könne.

Trotz dieser unsicheren Lage ist jetzt schon klar, dass die Bezahlkarte und die Bargeldobergrenze damit unter Beschuss stehen. Die ursprüngliche Idee wird bereits jetzt verwässert. Selbst wenn es nur um eine Neuregelung zur Bedarfsfeststellung ginge, würden die Verfahren und die Einzelüberprüfung einen gewaltigen Verwaltungsaufwand bedeuten.

Anzeige
Die mobile Version verlassen